den treuen Lehrer, wenn sein geliebter Zögling den wohlgemeintesten Rath, leichtsinnig oder spöt- tisch von sich weis't, auf seine Bitten nicht hört, bey seinen Erinnerungen kalt bleibt. Es kränkt den redlichen Freund, wenn sein Geliebter ihn verläßt, und einem Verführer sich in die Arme wirft, und den aufrichtig Liebenden, wenn seine Geliebte ein Geschenk, dem er alles, was er sich entziehen konnte, gewidmet hat, verachtend von der Hand weis't.
Dreyßigste Unterhaltung. Ueber den Zorn.
Derjenige Affekt, welcher aus dem Gefühl ei- nes uns zugefügten, aufbringenden Uebels und dem Wunsch den, welcher es uns zufügte, zu schrecken und fürs Künftige zu warnen, entspringt, ist der Zorn. Wenn man nur das zugefügte Uebel und seine eigne Schwäche fühlt, wird man traurig und niedergeschlagen; aber, wenn die Empfindung des Uebels auch gleich den Gedanken weckt, daß man nicht nöthig habe, dasselbe zu ertragen und dem Urheber desselben dies zeigen müsse, zornig.
Kein
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den treuen Lehrer, wenn ſein geliebter Zoͤgling den wohlgemeinteſten Rath, leichtſinnig oder ſpoͤt- tiſch von ſich weiſ't, auf ſeine Bitten nicht hoͤrt, bey ſeinen Erinnerungen kalt bleibt. Es kraͤnkt den redlichen Freund, wenn ſein Geliebter ihn verlaͤßt, und einem Verfuͤhrer ſich in die Arme wirft, und den aufrichtig Liebenden, wenn ſeine Geliebte ein Geſchenk, dem er alles, was er ſich entziehen konnte, gewidmet hat, verachtend von der Hand weiſ't.
Dreyßigſte Unterhaltung. Ueber den Zorn.
Derjenige Affekt, welcher aus dem Gefuͤhl ei- nes uns zugefuͤgten, aufbringenden Uebels und dem Wunſch den, welcher es uns zufuͤgte, zu ſchrecken und fuͤrs Kuͤnftige zu warnen, entſpringt, iſt der Zorn. Wenn man nur das zugefuͤgte Uebel und ſeine eigne Schwaͤche fuͤhlt, wird man traurig und niedergeſchlagen; aber, wenn die Empfindung des Uebels auch gleich den Gedanken weckt, daß man nicht noͤthig habe, daſſelbe zu ertragen und dem Urheber deſſelben dies zeigen muͤſſe, zornig.
Kein
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den treuen Lehrer, wenn ſein geliebter Zoͤgling
den wohlgemeinteſten Rath, leichtſinnig oder ſpoͤt-
tiſch von ſich weiſ't, auf ſeine Bitten nicht hoͤrt,
bey ſeinen Erinnerungen kalt bleibt. Es kraͤnkt
den redlichen Freund, wenn ſein Geliebter ihn
verlaͤßt, und einem Verfuͤhrer ſich in die Arme
wirft, und den aufrichtig Liebenden, wenn ſeine
Geliebte ein Geſchenk, dem er alles, was er ſich
entziehen konnte, gewidmet hat, verachtend von
der Hand weiſ't.
Dreyßigſte Unterhaltung.
Ueber den
Zorn.
Derjenige Affekt, welcher aus dem Gefuͤhl ei-
nes uns zugefuͤgten, aufbringenden Uebels und
dem Wunſch den, welcher es uns zufuͤgte, zu
ſchrecken und fuͤrs Kuͤnftige zu warnen, entſpringt,
iſt der Zorn. Wenn man nur das zugefuͤgte
Uebel und ſeine eigne Schwaͤche fuͤhlt, wird man
traurig und niedergeſchlagen; aber, wenn die
Empfindung des Uebels auch gleich den Gedanken
weckt, daß man nicht noͤthig habe, daſſelbe zu
ertragen und dem Urheber deſſelben dies zeigen
muͤſſe, zornig.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 629. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/345>, abgerufen am 22.11.2024.
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