mit neuem Muthe in die Reihen der Feinde, und schlug sie*).
Auch der Feige kann in den Affekt des Mu- thes gesetzt werden, wenn irgend eine Ursach ihn erhitzt und sein Kraftgefühl reizt. Die Hitze er- laubt ihm nicht, auf die Bedenklichkeiten zu hö- ren, welche ihm in den Zeiten der Ruhe sein Verstand, wegen der zu bestehenden Gefahren, macht: und sein kochendes Blut richtet aus, was seinem freyen Willen unmöglich war.
Es ist nicht immer wirkliche Kraft, auf wel- che sich der Muth gründet: zuweilen existirt sie nur in der Einbildung. Aber Muth auf einge- bildete Kraft gegründet, wird, wenn er gegen wirkliche Kraft angeht, bald entweder niederge- schlagen oder zu Raserey: wie die Geschichte durch Xerxes und Carl den Zwölften beweiset.
Auch der Zweck, für welchen der Muth sich regt, hat einen Einfluß auf die Bestimmung sei- ner Größe. Je größer das Gut ist, welches man zu erlangen, und je größer das Uebel ist, welches man abzuwenden wünscht, desto bereit- williger ist man zu Aufopferungen, desto muthi- ger geht man dem entgegen, was unsern Wün- schen zuwider ist.
Mit Heldenmuth kämpft die Mutter für das Kind, das man ihr rauben will; gern will
Nisus
*) Millots Universalgesch. A. d. Franz. 4. Th. 287.
Oo 4
mit neuem Muthe in die Reihen der Feinde, und ſchlug ſie*).
Auch der Feige kann in den Affekt des Mu- thes geſetzt werden, wenn irgend eine Urſach ihn erhitzt und ſein Kraftgefuͤhl reizt. Die Hitze er- laubt ihm nicht, auf die Bedenklichkeiten zu hoͤ- ren, welche ihm in den Zeiten der Ruhe ſein Verſtand, wegen der zu beſtehenden Gefahren, macht: und ſein kochendes Blut richtet aus, was ſeinem freyen Willen unmoͤglich war.
Es iſt nicht immer wirkliche Kraft, auf wel- che ſich der Muth gruͤndet: zuweilen exiſtirt ſie nur in der Einbildung. Aber Muth auf einge- bildete Kraft gegruͤndet, wird, wenn er gegen wirkliche Kraft angeht, bald entweder niederge- ſchlagen oder zu Raſerey: wie die Geſchichte durch Xerxes und Carl den Zwoͤlften beweiſet.
Auch der Zweck, fuͤr welchen der Muth ſich regt, hat einen Einfluß auf die Beſtimmung ſei- ner Groͤße. Je groͤßer das Gut iſt, welches man zu erlangen, und je groͤßer das Uebel iſt, welches man abzuwenden wuͤnſcht, deſto bereit- williger iſt man zu Aufopferungen, deſto muthi- ger geht man dem entgegen, was unſern Wuͤn- ſchen zuwider iſt.
Mit Heldenmuth kaͤmpft die Mutter fuͤr das Kind, das man ihr rauben will; gern will
Niſus
*) Millots Univerſalgeſch. A. d. Franz. 4. Th. 287.
Oo 4
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mit neuem Muthe in die Reihen der Feinde, und
ſchlug ſie *).
Auch der Feige kann in den Affekt des Mu-
thes geſetzt werden, wenn irgend eine Urſach ihn
erhitzt und ſein Kraftgefuͤhl reizt. Die Hitze er-
laubt ihm nicht, auf die Bedenklichkeiten zu hoͤ-
ren, welche ihm in den Zeiten der Ruhe ſein
Verſtand, wegen der zu beſtehenden Gefahren,
macht: und ſein kochendes Blut richtet aus, was
ſeinem freyen Willen unmoͤglich war.
Es iſt nicht immer wirkliche Kraft, auf wel-
che ſich der Muth gruͤndet: zuweilen exiſtirt ſie
nur in der Einbildung. Aber Muth auf einge-
bildete Kraft gegruͤndet, wird, wenn er gegen
wirkliche Kraft angeht, bald entweder niederge-
ſchlagen oder zu Raſerey: wie die Geſchichte durch
Xerxes und Carl den Zwoͤlften beweiſet.
Auch der Zweck, fuͤr welchen der Muth ſich
regt, hat einen Einfluß auf die Beſtimmung ſei-
ner Groͤße. Je groͤßer das Gut iſt, welches
man zu erlangen, und je groͤßer das Uebel iſt,
welches man abzuwenden wuͤnſcht, deſto bereit-
williger iſt man zu Aufopferungen, deſto muthi-
ger geht man dem entgegen, was unſern Wuͤn-
ſchen zuwider iſt.
Mit Heldenmuth kaͤmpft die Mutter fuͤr das
Kind, das man ihr rauben will; gern will
Niſus
*) Millots Univerſalgeſch. A. d. Franz. 4. Th. 287.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/299>, abgerufen am 28.07.2024.
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