Launen und Schwächen desselben zu finden, und kriecht in den niedrigsten Schmeicheleyen; aber hat er seinen Zweck erreicht, dann lacht er zuerst über den Mann, der sich bethören ließ, macht die selbstgefällige Bemerkung, daß Dummheit doch immer mit niedriger Geburt gepaart sey, und freut sich recht innig, daß seine Höflichkeit so viel wirken könne. Den, dessen Vertrauter er war, als er borgte, kennt er nicht, wenn er gemahnt wird, und hält seinen bürgerlichen Gläubiger für viel zu unbedeutend, als daß er gegen denselben gerecht und redlich seyn dürfte. Sein Ton, sei- ne Zimmer, seine Bedienten, seine Gesellschaf- ten und alles, was von ihm gesehen wird, muß sich von den bürgerlichen Ton, Zimmern, Be- dienten, Gesellschaften u. s. w. unterscheiden, wenn nicht durch das Mehr, doch durch das Weni- ger. Seine erste Frage über einen Mann, der ihm unbekannt ist, geht auf die Geburt desselben, und um den Werth eines Menschen zu bestim- men, wägt er nicht seine innern Vorzüge, son- dern zählt seine Ahnen. -- Kein Satz ist ihm unbegreiflicher und paradoxer, als der: daß alle Menschen einander gleich seyen; von dem Glanz seines Ranges geblendet, kann er den geistigen und moralischen Werth des Menschen, seine hö- here Bestimmung für die Ewigkeit, nicht erken- nen; und ist nur für die Unterwelt geschaffen.
Er
Launen und Schwaͤchen deſſelben zu finden, und kriecht in den niedrigſten Schmeicheleyen; aber hat er ſeinen Zweck erreicht, dann lacht er zuerſt uͤber den Mann, der ſich bethoͤren ließ, macht die ſelbſtgefaͤllige Bemerkung, daß Dummheit doch immer mit niedriger Geburt gepaart ſey, und freut ſich recht innig, daß ſeine Hoͤflichkeit ſo viel wirken koͤnne. Den, deſſen Vertrauter er war, als er borgte, kennt er nicht, wenn er gemahnt wird, und haͤlt ſeinen buͤrgerlichen Glaͤubiger fuͤr viel zu unbedeutend, als daß er gegen denſelben gerecht und redlich ſeyn duͤrfte. Sein Ton, ſei- ne Zimmer, ſeine Bedienten, ſeine Geſellſchaf- ten und alles, was von ihm geſehen wird, muß ſich von den buͤrgerlichen Ton, Zimmern, Be- dienten, Geſellſchaften u. ſ. w. unterſcheiden, wenn nicht durch das Mehr, doch durch das Weni- ger. Seine erſte Frage uͤber einen Mann, der ihm unbekannt iſt, geht auf die Geburt deſſelben, und um den Werth eines Menſchen zu beſtim- men, waͤgt er nicht ſeine innern Vorzuͤge, ſon- dern zaͤhlt ſeine Ahnen. — Kein Satz iſt ihm unbegreiflicher und paradoxer, als der: daß alle Menſchen einander gleich ſeyen; von dem Glanz ſeines Ranges geblendet, kann er den geiſtigen und moraliſchen Werth des Menſchen, ſeine hoͤ- here Beſtimmung fuͤr die Ewigkeit, nicht erken- nen; und iſt nur fuͤr die Unterwelt geſchaffen.
Er
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Launen und Schwaͤchen deſſelben zu finden, und
kriecht in den niedrigſten Schmeicheleyen; aber
hat er ſeinen Zweck erreicht, dann lacht er zuerſt
uͤber den Mann, der ſich bethoͤren ließ, macht
die ſelbſtgefaͤllige Bemerkung, daß Dummheit doch
immer mit niedriger Geburt gepaart ſey, und
freut ſich recht innig, daß ſeine Hoͤflichkeit ſo viel
wirken koͤnne. Den, deſſen Vertrauter er war,
als er borgte, kennt er nicht, wenn er gemahnt
wird, und haͤlt ſeinen buͤrgerlichen Glaͤubiger fuͤr
viel zu unbedeutend, als daß er gegen denſelben
gerecht und redlich ſeyn duͤrfte. Sein Ton, ſei-
ne Zimmer, ſeine Bedienten, ſeine Geſellſchaf-
ten und alles, was von ihm geſehen wird, muß
ſich von den buͤrgerlichen Ton, Zimmern, Be-
dienten, Geſellſchaften u. ſ. w. unterſcheiden, wenn
nicht durch das Mehr, doch durch das Weni-
ger. Seine erſte Frage uͤber einen Mann, der
ihm unbekannt iſt, geht auf die Geburt deſſelben,
und um den Werth eines Menſchen zu beſtim-
men, waͤgt er nicht ſeine innern Vorzuͤge, ſon-
dern zaͤhlt ſeine Ahnen. — Kein Satz iſt ihm
unbegreiflicher und paradoxer, als der: daß alle
Menſchen einander gleich ſeyen; von dem Glanz
ſeines Ranges geblendet, kann er den geiſtigen
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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