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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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was die Farbe eines Systems und den Anschein
von Ordnung und Gründlichkeit hat, verächtlich
und lächerlich ist; so lacht der Schulstolze höhnisch
über jeden nicht nach barbara, celarent, ferio,
darii etc.
zu messenden Schluß, über jedes freye
Urtheil, jede Uebersetzung eines griechischen oder
lateinischen terminus technicus. Dichter und
praktische Philosophen zählt er zu den professori-
bus artium ludicrarum et puerilium
: gute
Köpfe zu den ignoranten Thoren der neumodischen
Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt sich
schickende Gelehrten zu oberflächlichen und neumo-
dischen Schwätzern. Der Geniestolze giebt für
sein Symbolum aus: non scholae, sed vitae:
das Symbolum des Schulstolzen ist: non vitae,
sed scholae.
Er ist der größte und lauteste lau-
dator temporis acti
; und beklagt den Verfall
und Ruin des römischen Staats, und die freyere
Denkungsart der Fürsten und Könige, weil nun
keine Augustus, keine Mäcenas, keine Carl, keine
Alphonsus mehr die Vertrauten Patrone der Ge-
lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht
mehr die Schule befragen. Er hält strenge über
den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu-
ruppinischen Schule, weil ihre Lehrer sich Lehrer
und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon-
Rectoren nennen. Er schüttelt den Kopf über
die, welche nicht durch eine lateinische Disputation

sich

was die Farbe eines Syſtems und den Anſchein
von Ordnung und Gruͤndlichkeit hat, veraͤchtlich
und laͤcherlich iſt; ſo lacht der Schulſtolze hoͤhniſch
uͤber jeden nicht nach barbara, celarent, ferio,
darii etc.
zu meſſenden Schluß, uͤber jedes freye
Urtheil, jede Ueberſetzung eines griechiſchen oder
lateiniſchen terminus technicus. Dichter und
praktiſche Philoſophen zaͤhlt er zu den profeſſori-
bus artium ludicrarum et puerilium
: gute
Koͤpfe zu den ignoranten Thoren der neumodiſchen
Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt ſich
ſchickende Gelehrten zu oberflaͤchlichen und neumo-
diſchen Schwaͤtzern. Der Genieſtolze giebt fuͤr
ſein Symbolum aus: non ſcholae, ſed vitae:
das Symbolum des Schulſtolzen iſt: non vitae,
ſed ſcholae.
Er iſt der groͤßte und lauteſte lau-
dator temporis acti
; und beklagt den Verfall
und Ruin des roͤmiſchen Staats, und die freyere
Denkungsart der Fuͤrſten und Koͤnige, weil nun
keine Auguſtus, keine Maͤcenas, keine Carl, keine
Alphonſus mehr die Vertrauten Patrone der Ge-
lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht
mehr die Schule befragen. Er haͤlt ſtrenge uͤber
den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu-
ruppiniſchen Schule, weil ihre Lehrer ſich Lehrer
und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon-
Rectoren nennen. Er ſchuͤttelt den Kopf uͤber
die, welche nicht durch eine lateiniſche Diſputation

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[436/0152] was die Farbe eines Syſtems und den Anſchein von Ordnung und Gruͤndlichkeit hat, veraͤchtlich und laͤcherlich iſt; ſo lacht der Schulſtolze hoͤhniſch uͤber jeden nicht nach barbara, celarent, ferio, darii etc. zu meſſenden Schluß, uͤber jedes freye Urtheil, jede Ueberſetzung eines griechiſchen oder lateiniſchen terminus technicus. Dichter und praktiſche Philoſophen zaͤhlt er zu den profeſſori- bus artium ludicrarum et puerilium: gute Koͤpfe zu den ignoranten Thoren der neumodiſchen Gelehrtenrepublik, und artige, in die Welt ſich ſchickende Gelehrten zu oberflaͤchlichen und neumo- diſchen Schwaͤtzern. Der Genieſtolze giebt fuͤr ſein Symbolum aus: non ſcholae, ſed vitae: das Symbolum des Schulſtolzen iſt: non vitae, ſed ſcholae. Er iſt der groͤßte und lauteſte lau- dator temporis acti; und beklagt den Verfall und Ruin des roͤmiſchen Staats, und die freyere Denkungsart der Fuͤrſten und Koͤnige, weil nun keine Auguſtus, keine Maͤcenas, keine Carl, keine Alphonſus mehr die Vertrauten Patrone der Ge- lehrten machen, und um ihre Handlungen nicht mehr die Schule befragen. Er haͤlt ſtrenge uͤber den Schulrang, und erwartet den Ruin der Neu- ruppiniſchen Schule, weil ihre Lehrer ſich Lehrer und nicht Rectoren, Con- Sub- und Subcon- Rectoren nennen. Er ſchuͤttelt den Kopf uͤber die, welche nicht durch eine lateiniſche Diſputation ſich

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/152>, abgerufen am 25.11.2024.