Der letzte Zweck aller Bildung des Verstan- des, ist richtig und selbst denken zu lernen. Ohne diesen Zweck erreicht zu haben, genießt man von der Vollkommenheit, deren nur der Verstand fä- hig macht, nichts, bleibt ein Sclav Anderer, und muß glauben, was sie für wahr ausgeben. -- Man geräth in Jrrthümer und Vorurtheile, welche um so nachtheiliger sind, da es dem Verstande an Schärfe fehlt, sie zu sehen und an Kraft sie zu verbessern. -- Und dazu die nachtheiligen Folgen für die moralische Natur! -- O wie mancher Jüngling wäre nicht in den Abgrund des Lasters gefallen, wenn sein Verstand ihm seinen Weg erleuchtet hätte; wenn er nicht einem Blin- den gleich dem Verführer gefolgt wäre, ohne zu sehn, ja zu ahnden, wohin er ihn führe. Wer sich Kenntniß und die Fähigkeit, selbst zu denken verschaft hat, sieht die Pläne des, der ihn bethören will, durch, oder ist wenigstens behutsam; und kann sich, sollte er auch gefangen seyn, leichter wieder helfen; aber der, welcher nie daran dach- te sein Denkvermögen zu üben, ist nur zu leicht betrogen, und dann ohne Geschicklichkeit, sich zu helfen.
Da es also so wichtig ist, richtig und selbst den- ken zu lernen, so werden hier am Schluß dieser Unterhaltung einige Regeln, deren Befolgung da- zu verhelfen kann, nicht überflüßig seyn.
Man
Der letzte Zweck aller Bildung des Verſtan- des, iſt richtig und ſelbſt denken zu lernen. Ohne dieſen Zweck erreicht zu haben, genießt man von der Vollkommenheit, deren nur der Verſtand faͤ- hig macht, nichts, bleibt ein Sclav Anderer, und muß glauben, was ſie fuͤr wahr ausgeben. — Man geraͤth in Jrrthuͤmer und Vorurtheile, welche um ſo nachtheiliger ſind, da es dem Verſtande an Schaͤrfe fehlt, ſie zu ſehen und an Kraft ſie zu verbeſſern. — Und dazu die nachtheiligen Folgen fuͤr die moraliſche Natur! — O wie mancher Juͤngling waͤre nicht in den Abgrund des Laſters gefallen, wenn ſein Verſtand ihm ſeinen Weg erleuchtet haͤtte; wenn er nicht einem Blin- den gleich dem Verfuͤhrer gefolgt waͤre, ohne zu ſehn, ja zu ahnden, wohin er ihn fuͤhre. Wer ſich Kenntniß und die Faͤhigkeit, ſelbſt zu denken verſchaft hat, ſieht die Plaͤne des, der ihn bethoͤren will, durch, oder iſt wenigſtens behutſam; und kann ſich, ſollte er auch gefangen ſeyn, leichter wieder helfen; aber der, welcher nie daran dach- te ſein Denkvermoͤgen zu uͤben, iſt nur zu leicht betrogen, und dann ohne Geſchicklichkeit, ſich zu helfen.
Da es alſo ſo wichtig iſt, richtig und ſelbſt den- ken zu lernen, ſo werden hier am Schluß dieſer Unterhaltung einige Regeln, deren Befolgung da- zu verhelfen kann, nicht uͤberfluͤßig ſeyn.
Man
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Der letzte Zweck aller Bildung des Verſtan-
des, iſt richtig und ſelbſt denken zu lernen. Ohne
dieſen Zweck erreicht zu haben, genießt man von
der Vollkommenheit, deren nur der Verſtand faͤ-
hig macht, nichts, bleibt ein Sclav Anderer, und
muß glauben, was ſie fuͤr wahr ausgeben. —
Man geraͤth in Jrrthuͤmer und Vorurtheile, welche
um ſo nachtheiliger ſind, da es dem Verſtande
an Schaͤrfe fehlt, ſie zu ſehen und an Kraft ſie
zu verbeſſern. — Und dazu die nachtheiligen
Folgen fuͤr die moraliſche Natur! — O wie
mancher Juͤngling waͤre nicht in den Abgrund des
Laſters gefallen, wenn ſein Verſtand ihm ſeinen
Weg erleuchtet haͤtte; wenn er nicht einem Blin-
den gleich dem Verfuͤhrer gefolgt waͤre, ohne zu
ſehn, ja zu ahnden, wohin er ihn fuͤhre. Wer
ſich Kenntniß und die Faͤhigkeit, ſelbſt zu denken
verſchaft hat, ſieht die Plaͤne des, der ihn bethoͤren
will, durch, oder iſt wenigſtens behutſam; und
kann ſich, ſollte er auch gefangen ſeyn, leichter
wieder helfen; aber der, welcher nie daran dach-
te ſein Denkvermoͤgen zu uͤben, iſt nur zu leicht
betrogen, und dann ohne Geſchicklichkeit, ſich zu
helfen.
Da es alſo ſo wichtig iſt, richtig und ſelbſt den-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/316>, abgerufen am 24.11.2024.
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