nigkeiten nach, und läßt das Wesentliche bey Sei- te liegen. Jch habe ein lächerliches Beyspiel von den wichtigen Sätzen, worüber die Theologen in den schwärmerischen Zeiten des Mittelalters dispu- tirten, in Hennings Schrift über Ahndungen und Visionen gefunden, und theile es seiner Origina- lität wegen mit.
Nachdem die Lehre von der Transsubstantia- tion, oder der wirklichen Verwandlung des Brodts im Abendmahl für wahr erklärt war, entstand die lächerliche Frage: Was man mit derjenigen Maus anfangen solle, die eine gesegnete Hostie auffräße? Hierauf wurden denn mancherley Antworten gegeben. Der eine wollte die Schwie- rigkeit durch eine Unterscheidung zwischen Essen und Aufessen heben. Ein andrer meynte, man müsse die Maus fangen, wozu ein Dritter -- wie es scheint, der klügste -- die Einschränkung hinzuthat: ja wenn sie sich fangen läßt. Aber wenn nun die Maus in Arrest gebracht wäre, soll man den Körper Christi, der in ihrem Ma- gen steckt, anbeten? nein, sagte Major. Ja, sagte Bial, wo Christi Körper sich findet, da muß er angebetet werden, nicht mit dem Körper, aber mit der Seele. Thomas glaubt, man müsse die Maus aufschneiden, und den Körper Christi herausziehen, und ihn noch gebrauchen. Das kann man thun, fügt Marsilius hinzu, nur
müßte
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nigkeiten nach, und laͤßt das Weſentliche bey Sei- te liegen. Jch habe ein laͤcherliches Beyſpiel von den wichtigen Saͤtzen, woruͤber die Theologen in den ſchwaͤrmeriſchen Zeiten des Mittelalters diſpu- tirten, in Hennings Schrift uͤber Ahndungen und Viſionen gefunden, und theile es ſeiner Origina- litaͤt wegen mit.
Nachdem die Lehre von der Transſubſtantia- tion, oder der wirklichen Verwandlung des Brodts im Abendmahl fuͤr wahr erklaͤrt war, entſtand die laͤcherliche Frage: Was man mit derjenigen Maus anfangen ſolle, die eine geſegnete Hoſtie auffraͤße? Hierauf wurden denn mancherley Antworten gegeben. Der eine wollte die Schwie- rigkeit durch eine Unterſcheidung zwiſchen Eſſen und Aufeſſen heben. Ein andrer meynte, man muͤſſe die Maus fangen, wozu ein Dritter — wie es ſcheint, der kluͤgſte — die Einſchraͤnkung hinzuthat: ja wenn ſie ſich fangen laͤßt. Aber wenn nun die Maus in Arreſt gebracht waͤre, ſoll man den Koͤrper Chriſti, der in ihrem Ma- gen ſteckt, anbeten? nein, ſagte Major. Ja, ſagte Bial, wo Chriſti Koͤrper ſich findet, da muß er angebetet werden, nicht mit dem Koͤrper, aber mit der Seele. Thomas glaubt, man muͤſſe die Maus aufſchneiden, und den Koͤrper Chriſti herausziehen, und ihn noch gebrauchen. Das kann man thun, fuͤgt Marſilius hinzu, nur
muͤßte
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nigkeiten nach, und laͤßt das Weſentliche bey Sei-
te liegen. Jch habe ein laͤcherliches Beyſpiel von
den wichtigen Saͤtzen, woruͤber die Theologen in
den ſchwaͤrmeriſchen Zeiten des Mittelalters diſpu-
tirten, in Hennings Schrift uͤber Ahndungen und
Viſionen gefunden, und theile es ſeiner Origina-
litaͤt wegen mit.
Nachdem die Lehre von der Transſubſtantia-
tion, oder der wirklichen Verwandlung des Brodts
im Abendmahl fuͤr wahr erklaͤrt war, entſtand die
laͤcherliche Frage: Was man mit derjenigen
Maus anfangen ſolle, die eine geſegnete Hoſtie
auffraͤße? Hierauf wurden denn mancherley
Antworten gegeben. Der eine wollte die Schwie-
rigkeit durch eine Unterſcheidung zwiſchen Eſſen
und Aufeſſen heben. Ein andrer meynte, man
muͤſſe die Maus fangen, wozu ein Dritter —
wie es ſcheint, der kluͤgſte — die Einſchraͤnkung
hinzuthat: ja wenn ſie ſich fangen laͤßt. Aber
wenn nun die Maus in Arreſt gebracht waͤre,
ſoll man den Koͤrper Chriſti, der in ihrem Ma-
gen ſteckt, anbeten? nein, ſagte Major. Ja,
ſagte Bial, wo Chriſti Koͤrper ſich findet, da
muß er angebetet werden, nicht mit dem Koͤrper,
aber mit der Seele. Thomas glaubt, man muͤſſe
die Maus aufſchneiden, und den Koͤrper Chriſti
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/273>, abgerufen am 02.05.2024.
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