müßte man doch vorher die Stücken sauber ab- waschen. Palutanus sprach ihr das Todesur- theil; man schneide die Maus auf, verbrenne sie, und werfe ihre Asche ins Wasser: den Theil der Hostie aber, wenn ihn etwa keiner haben will, verwahre man sorgfältig, bis er sich natürlicher Weise verzehrt.
Wer an einer der Behauptungen zweifelt, welche diese Art Schwärmer als göttliche Wahr- heit verkaufen, ist in ihren Augen der größte Verbrecher. Herr Meister erzählt in den Helve- tischen Scenen der neuern Schwärmerey und Jntoleranz mehrere hieher gehörige Beyspiele, von welchen ich hier nur einen Brief einrücken will, welchen ein Berner Candidat J. J. Knecht an seinen Bruder in Zürich schrieb: "Uns nimmt Wunder, wie es bey Euch gehe, was für Ge- burtsschmerzen sich in dem wahren Christenthum bey Euch hervorthun; einmal ist hier nun bald lauter Kampf und Streit, und von allen Seiten empört sich das Reich Satans gegen das Reich Christi (das 1000jährige Reich). Dieses herr- liche und höchstselige Reich, welches noch auf dieser Erde bey der Zukunft Christi unter dem Himmel soll aufgerichtet werden, welches denn der geist- und eifervolle treue Diener Gottes, Herr König, hat angefangen auf öffentlicher Kanzel auszurufen; so weit zwar, daß man ihn
um
muͤßte man doch vorher die Stuͤcken ſauber ab- waſchen. Palutanus ſprach ihr das Todesur- theil; man ſchneide die Maus auf, verbrenne ſie, und werfe ihre Aſche ins Waſſer: den Theil der Hoſtie aber, wenn ihn etwa keiner haben will, verwahre man ſorgfaͤltig, bis er ſich natuͤrlicher Weiſe verzehrt.
Wer an einer der Behauptungen zweifelt, welche dieſe Art Schwaͤrmer als goͤttliche Wahr- heit verkaufen, iſt in ihren Augen der groͤßte Verbrecher. Herr Meiſter erzaͤhlt in den Helve- tiſchen Scenen der neuern Schwaͤrmerey und Jntoleranz mehrere hieher gehoͤrige Beyſpiele, von welchen ich hier nur einen Brief einruͤcken will, welchen ein Berner Candidat J. J. Knecht an ſeinen Bruder in Zuͤrich ſchrieb: „Uns nimmt Wunder, wie es bey Euch gehe, was fuͤr Ge- burtsſchmerzen ſich in dem wahren Chriſtenthum bey Euch hervorthun; einmal iſt hier nun bald lauter Kampf und Streit, und von allen Seiten empoͤrt ſich das Reich Satans gegen das Reich Chriſti (das 1000jaͤhrige Reich). Dieſes herr- liche und hoͤchſtſelige Reich, welches noch auf dieſer Erde bey der Zukunft Chriſti unter dem Himmel ſoll aufgerichtet werden, welches denn der geiſt- und eifervolle treue Diener Gottes, Herr Koͤnig, hat angefangen auf oͤffentlicher Kanzel auszurufen; ſo weit zwar, daß man ihn
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muͤßte man doch vorher die Stuͤcken ſauber ab-
waſchen. Palutanus ſprach ihr das Todesur-
theil; man ſchneide die Maus auf, verbrenne ſie,
und werfe ihre Aſche ins Waſſer: den Theil der
Hoſtie aber, wenn ihn etwa keiner haben will,
verwahre man ſorgfaͤltig, bis er ſich natuͤrlicher
Weiſe verzehrt.
Wer an einer der Behauptungen zweifelt,
welche dieſe Art Schwaͤrmer als goͤttliche Wahr-
heit verkaufen, iſt in ihren Augen der groͤßte
Verbrecher. Herr Meiſter erzaͤhlt in den Helve-
tiſchen Scenen der neuern Schwaͤrmerey und
Jntoleranz mehrere hieher gehoͤrige Beyſpiele, von
welchen ich hier nur einen Brief einruͤcken will,
welchen ein Berner Candidat J. J. Knecht an
ſeinen Bruder in Zuͤrich ſchrieb: „Uns nimmt
Wunder, wie es bey Euch gehe, was fuͤr Ge-
burtsſchmerzen ſich in dem wahren Chriſtenthum
bey Euch hervorthun; einmal iſt hier nun bald
lauter Kampf und Streit, und von allen Seiten
empoͤrt ſich das Reich Satans gegen das Reich
Chriſti (das 1000jaͤhrige Reich). Dieſes herr-
liche und hoͤchſtſelige Reich, welches noch auf
dieſer Erde bey der Zukunft Chriſti unter dem
Himmel ſoll aufgerichtet werden, welches denn
der geiſt- und eifervolle treue Diener Gottes,
Herr Koͤnig, hat angefangen auf oͤffentlicher
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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