Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Folge haben kann, als immer grössere Ver-
wirrung der Untersuchung und Verhüllung
der Wahrheit. --

Für den Mann, der ohne Bekanntschaft
mit der Natur des Menschen an das Unter-
suchungsgeschäfft geht, muss dieses allerdings
viel lästiges haben und sehr bald handwerks-
mässig werden. Aber der Menschenkenner
weiss sich diese Last zu erleichtern, und fin-
det in diesem Geschäffte auch Nahrung und
Unterhaltung für seinen Geist. Nicht bloss
um den Befehl seiner Instruction zu erfüllen,
sondern auch um die Summe seiner Erfah-
rungen über den Menschen zu vermehren,
tritt er in die Gerichtsstube: verweilt in der-
selben nicht bloss wegen des drückenden Muss,
sondern aus Interesse des Geistes: und verlässt
sie, zuweilen vielleicht ohne seinen Zweck
nach Wunsch zu erreichen, oft mit blutendem
Herzen, aber nie ohne für seine Beobachtung
und Menschenkenntniss gewonnen zu haben.

Fünf-

Folge haben kann, als immer gröſsere Ver-
wirrung der Unterſuchung und Verhüllung
der Wahrheit. —

Für den Mann, der ohne Bekanntſchaft
mit der Natur des Menſchen an das Unter-
ſuchungsgeſchäfft geht, muſs dieſes allerdings
viel läſtiges haben und ſehr bald handwerks-
mäſsig werden. Aber der Menſchenkenner
weiſs ſich dieſe Laſt zu erleichtern, und fin-
det in dieſem Geſchäffte auch Nahrung und
Unterhaltung für ſeinen Geiſt. Nicht bloſs
um den Befehl ſeiner Inſtruction zu erfüllen,
ſondern auch um die Summe ſeiner Erfah-
rungen über den Menſchen zu vermehren,
tritt er in die Gerichtsſtube: verweilt in der-
ſelben nicht bloſs wegen des drückenden Muſs,
ſondern aus Intereſſe des Geiſtes: und verläſst
ſie, zuweilen vielleicht ohne ſeinen Zweck
nach Wunſch zu erreichen, oft mit blutendem
Herzen, aber nie ohne für ſeine Beobachtung
und Menſchenkenntniſs gewonnen zu haben.

Fünf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="79"/>
Folge haben kann, als immer grö&#x017F;sere Ver-<lb/>
wirrung der Unter&#x017F;uchung und Verhüllung<lb/>
der Wahrheit. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Für den Mann, der ohne Bekannt&#x017F;chaft<lb/>
mit der Natur des Men&#x017F;chen an das Unter-<lb/>
&#x017F;uchungsge&#x017F;chäfft geht, mu&#x017F;s die&#x017F;es allerdings<lb/>
viel lä&#x017F;tiges haben und &#x017F;ehr bald handwerks-<lb/>&#x017F;sig werden. Aber der Men&#x017F;chenkenner<lb/>
wei&#x017F;s &#x017F;ich die&#x017F;e La&#x017F;t zu erleichtern, und fin-<lb/>
det in die&#x017F;em Ge&#x017F;chäffte auch Nahrung und<lb/>
Unterhaltung für &#x017F;einen Gei&#x017F;t. Nicht blo&#x017F;s<lb/>
um den Befehl &#x017F;einer In&#x017F;truction zu erfüllen,<lb/>
&#x017F;ondern auch um die Summe &#x017F;einer Erfah-<lb/>
rungen über den Men&#x017F;chen zu vermehren,<lb/>
tritt er in die Gerichts&#x017F;tube: verweilt in der-<lb/>
&#x017F;elben nicht blo&#x017F;s wegen des drückenden Mu&#x017F;s,<lb/>
&#x017F;ondern aus Intere&#x017F;&#x017F;e des Gei&#x017F;tes: und verlä&#x017F;st<lb/>
&#x017F;ie, zuweilen vielleicht ohne &#x017F;einen Zweck<lb/>
nach Wun&#x017F;ch zu erreichen, oft mit blutendem<lb/>
Herzen, aber nie ohne für &#x017F;eine Beobachtung<lb/>
und Men&#x017F;chenkenntni&#x017F;s gewonnen zu haben.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#i">Fünf-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0081] Folge haben kann, als immer gröſsere Ver- wirrung der Unterſuchung und Verhüllung der Wahrheit. — Für den Mann, der ohne Bekanntſchaft mit der Natur des Menſchen an das Unter- ſuchungsgeſchäfft geht, muſs dieſes allerdings viel läſtiges haben und ſehr bald handwerks- mäſsig werden. Aber der Menſchenkenner weiſs ſich dieſe Laſt zu erleichtern, und fin- det in dieſem Geſchäffte auch Nahrung und Unterhaltung für ſeinen Geiſt. Nicht bloſs um den Befehl ſeiner Inſtruction zu erfüllen, ſondern auch um die Summe ſeiner Erfah- rungen über den Menſchen zu vermehren, tritt er in die Gerichtsſtube: verweilt in der- ſelben nicht bloſs wegen des drückenden Muſs, ſondern aus Intereſſe des Geiſtes: und verläſst ſie, zuweilen vielleicht ohne ſeinen Zweck nach Wunſch zu erreichen, oft mit blutendem Herzen, aber nie ohne für ſeine Beobachtung und Menſchenkenntniſs gewonnen zu haben. Fünf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/81
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/81>, abgerufen am 21.11.2024.