Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

alle Städte und Staaten wetteiferten, die Tempel, Städte und zum Theil selbst die Privatwohnungen mit den schönsten Kunstwerken jeder Art zu schmücken, so dass Griechenland in seinen schöneren Zeiten einen Reichthum an Kunstdenkmalen besass, wie er niemals wieder erreicht und noch weniger übertroffen werden wird. Die attische Kunst musste schon deshalb die Kunst aller übrigen griechischen Städte und Inseln überflügeln, weil Athen die reichsten Mittel zur Beförderung und Hebung der Kunst besass; nach Suidas haben z. B. die einzigen Propyläen an der Akropolis zu Athen 2012 Talente oder nach ungefährer Schätzung 11 Millionen Franken unseres Geldes gekostet.1) In den christlich-germanischen Staaten blühten mit and nach den Kreuzzügen vorzüglich die freien Städte und mit ihnen auch die freien Künste in der Art und in dem Masse empor, dass man sich dabei wohl der griechischen Kunstgeschichte erinnern darf, wenn auch ein wirklicher Vergleich ausgeschlossen sein möchte. Das Grab des freien oder freiern Städtelebens wurde auch in den germanischen Staaten zum Grabe der städtischen Kunstschulen und Künste, dass seitdem die Künste als königliche und fürstliche nur ein höchst dürftiges und kränkliches Leben leben oder auch sie, gleich der maurerischen königlichen Kunst, den verlorenen Meister suchen. Hinsichtlich ihrer Entwickelungszeit und ihrer Dauer unterscheiden sich die mittelalterlichen Kunstschulen und Künste auffallend von den griechischen, indem dort Alles weit rascher entsteht, aber auch wieder vergeht, was seinen Grund nur darin haben kann, dass die mittelalterliche Kunst auf der griechisch-römischen ruht und daher sehr Vieles, namentlich das rein Technische, von dieser vollendet zur sofortigen Anwendung empfing, während die griechische Kunst dieses im langsamen Gange der Jahrhunderte erst selbst finden und entwickeln musste. In den mannigfachsten Stücken hatte die mittelalterliche Kunst nicht erst anzufangen und zu suchen, sondern blos fortzusetzen und das Dargebotene zu ergreifen, so dass sie überall leichter voranschreiten und zugleich nach neuen Kunstrichtungen sich wenden

1) Klenze, S. 376.

alle Städte und Staaten wetteiferten, die Tempel, Städte und zum Theil selbst die Privatwohnungen mit den schönsten Kunstwerken jeder Art zu schmücken, so dass Griechenland in seinen schöneren Zeiten einen Reichthum an Kunstdenkmalen besass, wie er niemals wieder erreicht und noch weniger übertroffen werden wird. Die attische Kunst musste schon deshalb die Kunst aller übrigen griechischen Städte und Inseln überflügeln, weil Athen die reichsten Mittel zur Beförderung und Hebung der Kunst besass; nach Suidas haben z. B. die einzigen Propyläen an der Akropolis zu Athen 2012 Talente oder nach ungefährer Schätzung 11 Millionen Franken unseres Geldes gekostet.1) In den christlich-germanischen Staaten blühten mit and nach den Kreuzzügen vorzüglich die freien Städte und mit ihnen auch die freien Künste in der Art und in dem Masse empor, dass man sich dabei wohl der griechischen Kunstgeschichte erinnern darf, wenn auch ein wirklicher Vergleich ausgeschlossen sein möchte. Das Grab des freien oder freiern Städtelebens wurde auch in den germanischen Staaten zum Grabe der städtischen Kunstschulen und Künste, dass seitdem die Künste als königliche und fürstliche nur ein höchst dürftiges und kränkliches Leben leben oder auch sie, gleich der maurerischen königlichen Kunst, den verlorenen Meister suchen. Hinsichtlich ihrer Entwickelungszeit und ihrer Dauer unterscheiden sich die mittelalterlichen Kunstschulen und Künste auffallend von den griechischen, indem dort Alles weit rascher entsteht, aber auch wieder vergeht, was seinen Grund nur darin haben kann, dass die mittelalterliche Kunst auf der griechisch-römischen ruht und daher sehr Vieles, namentlich das rein Technische, von dieser vollendet zur sofortigen Anwendung empfing, während die griechische Kunst dieses im langsamen Gange der Jahrhunderte erst selbst finden und entwickeln musste. In den mannigfachsten Stücken hatte die mittelalterliche Kunst nicht erst anzufangen und zu suchen, sondern blos fortzusetzen und das Dargebotene zu ergreifen, so dass sie überall leichter voranschreiten und zugleich nach neuen Kunstrichtungen sich wenden

1) Klenze, S. 376.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0534" n="514"/>
alle Städte und Staaten wetteiferten, die Tempel, Städte und zum Theil selbst die Privatwohnungen mit den schönsten Kunstwerken jeder Art zu schmücken, so dass Griechenland in seinen schöneren Zeiten einen Reichthum an Kunstdenkmalen besass, wie er niemals wieder erreicht und noch weniger übertroffen werden wird. Die attische Kunst musste schon deshalb die Kunst aller übrigen griechischen Städte und Inseln überflügeln, weil Athen die reichsten Mittel zur Beförderung und Hebung der Kunst besass; nach Suidas haben z. B. die einzigen Propyläen an der Akropolis zu Athen 2012 Talente oder nach ungefährer Schätzung 11 Millionen Franken unseres Geldes gekostet.<note place="foot" n="1)">Klenze, S. 376.</note> In den christlich-germanischen Staaten blühten mit and nach den Kreuzzügen vorzüglich die freien Städte und mit ihnen auch die freien Künste in der Art und in dem Masse empor, dass man sich dabei wohl der griechischen Kunstgeschichte erinnern darf, wenn auch ein wirklicher Vergleich ausgeschlossen sein möchte. Das Grab des freien oder freiern Städtelebens wurde auch in den germanischen Staaten zum Grabe der städtischen Kunstschulen und Künste, dass seitdem die Künste als königliche und fürstliche nur ein höchst dürftiges und kränkliches Leben leben oder auch sie, gleich der maurerischen königlichen Kunst, den verlorenen Meister suchen. Hinsichtlich ihrer Entwickelungszeit und ihrer Dauer unterscheiden sich die mittelalterlichen Kunstschulen und Künste auffallend von den griechischen, indem dort Alles weit rascher entsteht, aber auch wieder vergeht, was seinen Grund nur darin haben kann, dass die mittelalterliche Kunst auf der griechisch-römischen ruht und daher sehr Vieles, namentlich das rein Technische, von dieser vollendet zur sofortigen Anwendung empfing, während die griechische Kunst dieses im langsamen Gange der Jahrhunderte erst selbst finden und entwickeln musste. In den mannigfachsten Stücken hatte die mittelalterliche Kunst nicht erst anzufangen und zu suchen, sondern blos fortzusetzen und das Dargebotene zu ergreifen, so dass sie überall leichter voranschreiten und zugleich nach neuen Kunstrichtungen sich wenden
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[514/0534] alle Städte und Staaten wetteiferten, die Tempel, Städte und zum Theil selbst die Privatwohnungen mit den schönsten Kunstwerken jeder Art zu schmücken, so dass Griechenland in seinen schöneren Zeiten einen Reichthum an Kunstdenkmalen besass, wie er niemals wieder erreicht und noch weniger übertroffen werden wird. Die attische Kunst musste schon deshalb die Kunst aller übrigen griechischen Städte und Inseln überflügeln, weil Athen die reichsten Mittel zur Beförderung und Hebung der Kunst besass; nach Suidas haben z. B. die einzigen Propyläen an der Akropolis zu Athen 2012 Talente oder nach ungefährer Schätzung 11 Millionen Franken unseres Geldes gekostet. 1) In den christlich-germanischen Staaten blühten mit and nach den Kreuzzügen vorzüglich die freien Städte und mit ihnen auch die freien Künste in der Art und in dem Masse empor, dass man sich dabei wohl der griechischen Kunstgeschichte erinnern darf, wenn auch ein wirklicher Vergleich ausgeschlossen sein möchte. Das Grab des freien oder freiern Städtelebens wurde auch in den germanischen Staaten zum Grabe der städtischen Kunstschulen und Künste, dass seitdem die Künste als königliche und fürstliche nur ein höchst dürftiges und kränkliches Leben leben oder auch sie, gleich der maurerischen königlichen Kunst, den verlorenen Meister suchen. Hinsichtlich ihrer Entwickelungszeit und ihrer Dauer unterscheiden sich die mittelalterlichen Kunstschulen und Künste auffallend von den griechischen, indem dort Alles weit rascher entsteht, aber auch wieder vergeht, was seinen Grund nur darin haben kann, dass die mittelalterliche Kunst auf der griechisch-römischen ruht und daher sehr Vieles, namentlich das rein Technische, von dieser vollendet zur sofortigen Anwendung empfing, während die griechische Kunst dieses im langsamen Gange der Jahrhunderte erst selbst finden und entwickeln musste. In den mannigfachsten Stücken hatte die mittelalterliche Kunst nicht erst anzufangen und zu suchen, sondern blos fortzusetzen und das Dargebotene zu ergreifen, so dass sie überall leichter voranschreiten und zugleich nach neuen Kunstrichtungen sich wenden 1) Klenze, S. 376.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/534
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/534>, abgerufen am 16.07.2024.