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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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Zahlen, der Gesetzgebung und des Rechts, der Krankheiten und ihrer Heilung, des reinen Denkens und des Gottglaubens u. s. w. sind nicht untergegangen, sondern durchdringen bis tief in den Orient hinein belebend und begeistigend das ganze Mittelalter, die neuere und neueste Zeit in tausend sichtbaren und unsichtbaren Strömen. Die griechischen und die römischen Dichter, Theologen, Geschichtschreiber und Philosophen haben die romanischen Dichter, Theologen, Philosophen und Geschichtschreiber gebildet, gestärkt und genährt; die lateinische Sprache wurde zu den romanischen Sprachen mit der zugleich mit ihnen entstehenden romanischen, romantischen oder Romanenliteratur.1) Die griechisch-römische Baukunst ist nicht blos die Vorstufe, sondern das breite und feste Fundament der germanischen und vorzüglich der gothischen oder französisch-deutschen Baukunst; das römische Staats- und Privatrecht, die römische Staatskunst und Rechtspflege sind die Stützen und Träger aller neuern Staaten und Rechte, und die romanischen und germanischen Staats- und Rechtsgelehrten müssen mit den römischen Studien und Rechten beginnen. Das deutsche Reich und die deutschen Kaiser nannten sich römische und die katholische Kirche nennt sich noch so unter ihrem zu Rom thronenden Oberhaupte. Die Worte Semper's, der Stil, I. S. 218: "Das bedeutendste Resultat der neuesten Eroberungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte ist der Zusammensturz einer verjährten Gelehrtentheorie, welche dem Verstehen der antiken Formenwelt unendlich hinderlich war, wonach hellenische Kunst als ein dem Boden Griechenlands urheimisches Gewächs betrachtet wird, da sie doch nur die herrliche Blüthe, das letzte Bestimmungsziel, der Endbezug eines uralten Bildungsprincipes ist, dessen Wurzeln gleichsam in dem Boden aller Länder, die vor Alters die Sitze gesellschaftlicher Organismen waren, weit verbreitet sind und tief haften," gelten analog auch hier. Der dem französisch-deutschen Baustyle vorausgehende Baustyl wird als der romanische und oft auch als der byzantinische bezeichnet und Tausende der schönsten Denkmale dieses

1) Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 71 ff.

Zahlen, der Gesetzgebung und des Rechts, der Krankheiten und ihrer Heilung, des reinen Denkens und des Gottglaubens u. s. w. sind nicht untergegangen, sondern durchdringen bis tief in den Orient hinein belebend und begeistigend das ganze Mittelalter, die neuere und neueste Zeit in tausend sichtbaren und unsichtbaren Strömen. Die griechischen und die römischen Dichter, Theologen, Geschichtschreiber und Philosophen haben die romanischen Dichter, Theologen, Philosophen und Geschichtschreiber gebildet, gestärkt und genährt; die lateinische Sprache wurde zu den romanischen Sprachen mit der zugleich mit ihnen entstehenden romanischen, romantischen oder Romanenliteratur.1) Die griechisch-römische Baukunst ist nicht blos die Vorstufe, sondern das breite und feste Fundament der germanischen und vorzüglich der gothischen oder französisch-deutschen Baukunst; das römische Staats- und Privatrecht, die römische Staatskunst und Rechtspflege sind die Stützen und Träger aller neuern Staaten und Rechte, und die romanischen und germanischen Staats- und Rechtsgelehrten müssen mit den römischen Studien und Rechten beginnen. Das deutsche Reich und die deutschen Kaiser nannten sich römische und die katholische Kirche nennt sich noch so unter ihrem zu Rom thronenden Oberhaupte. Die Worte Semper’s, der Stil, I. S. 218: „Das bedeutendste Resultat der neuesten Eroberungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte ist der Zusammensturz einer verjährten Gelehrtentheorie, welche dem Verstehen der antiken Formenwelt unendlich hinderlich war, wonach hellenische Kunst als ein dem Boden Griechenlands urheimisches Gewächs betrachtet wird, da sie doch nur die herrliche Blüthe, das letzte Bestimmungsziel, der Endbezug eines uralten Bildungsprincipes ist, dessen Wurzeln gleichsam in dem Boden aller Länder, die vor Alters die Sitze gesellschaftlicher Organismen waren, weit verbreitet sind und tief haften,“ gelten analog auch hier. Der dem französisch-deutschen Baustyle vorausgehende Baustyl wird als der romanische und oft auch als der byzantinische bezeichnet und Tausende der schönsten Denkmale dieses

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[318/0338] Zahlen, der Gesetzgebung und des Rechts, der Krankheiten und ihrer Heilung, des reinen Denkens und des Gottglaubens u. s. w. sind nicht untergegangen, sondern durchdringen bis tief in den Orient hinein belebend und begeistigend das ganze Mittelalter, die neuere und neueste Zeit in tausend sichtbaren und unsichtbaren Strömen. Die griechischen und die römischen Dichter, Theologen, Geschichtschreiber und Philosophen haben die romanischen Dichter, Theologen, Philosophen und Geschichtschreiber gebildet, gestärkt und genährt; die lateinische Sprache wurde zu den romanischen Sprachen mit der zugleich mit ihnen entstehenden romanischen, romantischen oder Romanenliteratur. 1) Die griechisch-römische Baukunst ist nicht blos die Vorstufe, sondern das breite und feste Fundament der germanischen und vorzüglich der gothischen oder französisch-deutschen Baukunst; das römische Staats- und Privatrecht, die römische Staatskunst und Rechtspflege sind die Stützen und Träger aller neuern Staaten und Rechte, und die romanischen und germanischen Staats- und Rechtsgelehrten müssen mit den römischen Studien und Rechten beginnen. Das deutsche Reich und die deutschen Kaiser nannten sich römische und die katholische Kirche nennt sich noch so unter ihrem zu Rom thronenden Oberhaupte. Die Worte Semper’s, der Stil, I. S. 218: „Das bedeutendste Resultat der neuesten Eroberungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte ist der Zusammensturz einer verjährten Gelehrtentheorie, welche dem Verstehen der antiken Formenwelt unendlich hinderlich war, wonach hellenische Kunst als ein dem Boden Griechenlands urheimisches Gewächs betrachtet wird, da sie doch nur die herrliche Blüthe, das letzte Bestimmungsziel, der Endbezug eines uralten Bildungsprincipes ist, dessen Wurzeln gleichsam in dem Boden aller Länder, die vor Alters die Sitze gesellschaftlicher Organismen waren, weit verbreitet sind und tief haften,“ gelten analog auch hier. Der dem französisch-deutschen Baustyle vorausgehende Baustyl wird als der romanische und oft auch als der byzantinische bezeichnet und Tausende der schönsten Denkmale dieses 1) Wiener Jahrbücher, Bd. 29, S. 71 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/338>, abgerufen am 24.11.2024.