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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Preller fasst die Phäaken blos als eine Personification der günstigen Meereswinde, welche leicht und sicher in die Heimath geleiten, und allerdings ist Aeolus, des Hippotes Sohn, welcher nach Homer, Od. X. 1 ff., mit 12 Kindern, sechs lieblichen Töchtern und sechs aufblühenden Söhnen, auf der äolischen Insel im Westen wohnt und den Odysseus mit günstigem Westwinde entsendet, scheinbar nur der auch die Winde erregende Meeresgott Poseidon; allein auch Aeolus steht in Beziehung zum Todtenreiche und deshalb wieder zum Odysseus.1) Ein schneeweisses Todtenschiff, das ohne Mast und Segel schnell und still daherfährt, erscheint noch bei Asmus, Lübeck's Volkssagen Nro. 114.2) Weil die Phäaken die Genossen der Götter sind, erscheinen diese auch bei ihren Mahlen nach Homer, Od. VII. 200 - 203:

Stets ja von Alters her erscheinen Unsterbliche sichtbar
Uns, wann wir sie ehren mit heiligen Festhekatomben,
Sitzen an unserm Mahl, und essen mit uns, wie wir Andere.

Da das Schiff ohne Steuer und Ruder für die Maurer so bedeutungs- und beziehungsvoll ist, theilen wir hier noch einige darauf bezügliche deutsche Sagen mit, welche zugleich durch ihre höchst auffallende Uebereinstimmung mit der griechischen Phäaken- und Odysseussage zu der Vermuthung leiten, dass die Germanen und die Griechen diese Sagen aus dem asiatischen Stammsitze mit nach Europa gebracht haben. Nach der Sage der Angeln, die vom sächsischen Stamme waren, trieb einmal in alten Zeiten, als noch wenige Menschen im Lande lebten, ein Schiff ohne Steuer und Ruder die Schlei herauf, darin lag ein eben geborner Knabe, nackt und schlafend, mit dem Kopfe auf einer Garbe und um ihn her Waffen aller Art und viel edles Geschmeide. Niemand kannte ihn und wusste, woher er gekommen sei (das Mädchen aus der Fremde von Schiller); aber man nahm ihn wie ein Wunder auf, pflegte und erzog ihn, bis er erwachsen war, und weil man glaubte, dass ein Gott ihn gesendet habe, und

1) Furtwaengler, a. a. O., S. 79.
2) Menzel, a. a. O., S. 182.

Preller fasst die Phäaken blos als eine Personification der günstigen Meereswinde, welche leicht und sicher in die Heimath geleiten, und allerdings ist Aeolus, des Hippotes Sohn, welcher nach Homer, Od. X. 1 ff., mit 12 Kindern, sechs lieblichen Töchtern und sechs aufblühenden Söhnen, auf der äolischen Insel im Westen wohnt und den Odysseus mit günstigem Westwinde entsendet, scheinbar nur der auch die Winde erregende Meeresgott Poseidon; allein auch Aeolus steht in Beziehung zum Todtenreiche und deshalb wieder zum Odysseus.1) Ein schneeweisses Todtenschiff, das ohne Mast und Segel schnell und still daherfährt, erscheint noch bei Asmus, Lübeck’s Volkssagen Nro. 114.2) Weil die Phäaken die Genossen der Götter sind, erscheinen diese auch bei ihren Mahlen nach Homer, Od. VII. 200 - 203:

Stets ja von Alters her erscheinen Unsterbliche sichtbar
Uns, wann wir sie ehren mit heiligen Festhekatomben,
Sitzen an unserm Mahl, und essen mit uns, wie wir Andere.

Da das Schiff ohne Steuer und Ruder für die Maurer so bedeutungs- und beziehungsvoll ist, theilen wir hier noch einige darauf bezügliche deutsche Sagen mit, welche zugleich durch ihre höchst auffallende Uebereinstimmung mit der griechischen Phäaken- und Odysseussage zu der Vermuthung leiten, dass die Germanen und die Griechen diese Sagen aus dem asiatischen Stammsitze mit nach Europa gebracht haben. Nach der Sage der Angeln, die vom sächsischen Stamme waren, trieb einmal in alten Zeiten, als noch wenige Menschen im Lande lebten, ein Schiff ohne Steuer und Ruder die Schlei herauf, darin lag ein eben geborner Knabe, nackt und schlafend, mit dem Kopfe auf einer Garbe und um ihn her Waffen aller Art und viel edles Geschmeide. Niemand kannte ihn und wusste, woher er gekommen sei (das Mädchen aus der Fremde von Schiller); aber man nahm ihn wie ein Wunder auf, pflegte und erzog ihn, bis er erwachsen war, und weil man glaubte, dass ein Gott ihn gesendet habe, und

1) Furtwaengler, a. a. O., S. 79.
2) Menzel, a. a. O., S. 182.
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[713/0733] Preller fasst die Phäaken blos als eine Personification der günstigen Meereswinde, welche leicht und sicher in die Heimath geleiten, und allerdings ist Aeolus, des Hippotes Sohn, welcher nach Homer, Od. X. 1 ff., mit 12 Kindern, sechs lieblichen Töchtern und sechs aufblühenden Söhnen, auf der äolischen Insel im Westen wohnt und den Odysseus mit günstigem Westwinde entsendet, scheinbar nur der auch die Winde erregende Meeresgott Poseidon; allein auch Aeolus steht in Beziehung zum Todtenreiche und deshalb wieder zum Odysseus. 1) Ein schneeweisses Todtenschiff, das ohne Mast und Segel schnell und still daherfährt, erscheint noch bei Asmus, Lübeck’s Volkssagen Nro. 114. 2) Weil die Phäaken die Genossen der Götter sind, erscheinen diese auch bei ihren Mahlen nach Homer, Od. VII. 200 - 203: Stets ja von Alters her erscheinen Unsterbliche sichtbar Uns, wann wir sie ehren mit heiligen Festhekatomben, Sitzen an unserm Mahl, und essen mit uns, wie wir Andere. Da das Schiff ohne Steuer und Ruder für die Maurer so bedeutungs- und beziehungsvoll ist, theilen wir hier noch einige darauf bezügliche deutsche Sagen mit, welche zugleich durch ihre höchst auffallende Uebereinstimmung mit der griechischen Phäaken- und Odysseussage zu der Vermuthung leiten, dass die Germanen und die Griechen diese Sagen aus dem asiatischen Stammsitze mit nach Europa gebracht haben. Nach der Sage der Angeln, die vom sächsischen Stamme waren, trieb einmal in alten Zeiten, als noch wenige Menschen im Lande lebten, ein Schiff ohne Steuer und Ruder die Schlei herauf, darin lag ein eben geborner Knabe, nackt und schlafend, mit dem Kopfe auf einer Garbe und um ihn her Waffen aller Art und viel edles Geschmeide. Niemand kannte ihn und wusste, woher er gekommen sei (das Mädchen aus der Fremde von Schiller); aber man nahm ihn wie ein Wunder auf, pflegte und erzog ihn, bis er erwachsen war, und weil man glaubte, dass ein Gott ihn gesendet habe, und 1) Furtwaengler, a. a. O., S. 79. 2) Menzel, a. a. O., S. 182.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/733>, abgerufen am 23.11.2024.