Hippocratis ist eigentlich der Mysterieneid der Asklepiaden, der priesterlichen Aerzte des ägyptisch-griechisch-römischen Alterthums.1) Wie die Asklepiaden die Arzneikunde als Priestergeheimniss besassen und bewahrten, so die Bauleute die Baukunst mit ihren Hülfskünsten, und die Geschichte der Wissenschaften und Künste ist recht eigentlich ursprünglich und lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte der Mysterien, der Religionen und ihrer Priester. Was den Bauleuten als Symbol das ewige Licht war und ist, das war den Asklepiaden die heilige Schlange, welche zu Epidauros in der Mutterloge sich befand und woher die Töchterlogen, z. B. in Rom auf der Tiberinsel, die ihrige erhielten. Auf den Inseln des Archipelagus sind die Mönche des heiligen Cosmas und Damianus noch jetzt Aerzte und Nachfolger der Asklepiaden.2)
Pythagoras hat sich wohl zu Tarent vom Jahr 490 bis 474 v. Chr. aufgehalten. In dem letzten Jahre wurde auch zu Tarent die Aristokratie durch die Demokratie niedergeworfen; die Pythagoräer aber, welche der Umwandlung entgegengetreten waren, wurden verbannt und mussten mit dem 96jährigen Pythagoras auswandern. Das nahe gelegene Metapont nahm sie gastlich auf, da hier sich gleichfalls viele Schüler des Pythagoras befanden. Auch Hiero, welcher im Jahr 478 v. Chr. seinem Bruder Gelo in der Herrschaft von Syrakus nachgefolgt war, soll dem Pythagoras eine Zufluchtstätte angeboten haben, welche aber Pythagoras ablehnte. Auch zu Metapont erregten die aristokratischen Pythagoräer den Hass des Volkes und im Jahr 471 v. Chr. wurde dort in einem Volksauflaufe das Versammlungshaus der Pythagoräer überfallen und niedergebrannt, wobei gegen 40 im Feuer den Tod fanden und nur zwei jüngere Leute, Lysis und Archippus (Hipparch?) sich retten konnten. Obwohl auch Pythagoras durch die heldenmüthige Aufopferung seiner Schüler entgangen war, so zog er sich nach Dikäarch durch den Gram und Kummer über den Verlust seiner Freunde im 99. Jahre seines Lebens kurz darauf den Tod zu. Sei-
1) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 100 ff.
2) Böttiger, a. a. O., I. S. 122 Anm. *.
Hippocratis ist eigentlich der Mysterieneid der Asklepiaden, der priesterlichen Aerzte des ägyptisch-griechisch-römischen Alterthums.1) Wie die Asklepiaden die Arzneikunde als Priestergeheimniss besassen und bewahrten, so die Bauleute die Baukunst mit ihren Hülfskünsten, und die Geschichte der Wissenschaften und Künste ist recht eigentlich ursprünglich und lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte der Mysterien, der Religionen und ihrer Priester. Was den Bauleuten als Symbol das ewige Licht war und ist, das war den Asklepiaden die heilige Schlange, welche zu Epidauros in der Mutterloge sich befand und woher die Töchterlogen, z. B. in Rom auf der Tiberinsel, die ihrige erhielten. Auf den Inseln des Archipelagus sind die Mönche des heiligen Cosmas und Damianus noch jetzt Aerzte und Nachfolger der Asklepiaden.2)
Pythagoras hat sich wohl zu Tarent vom Jahr 490 bis 474 v. Chr. aufgehalten. In dem letzten Jahre wurde auch zu Tarent die Aristokratie durch die Demokratie niedergeworfen; die Pythagoräer aber, welche der Umwandlung entgegengetreten waren, wurden verbannt und mussten mit dem 96jährigen Pythagoras auswandern. Das nahe gelegene Metapont nahm sie gastlich auf, da hier sich gleichfalls viele Schüler des Pythagoras befanden. Auch Hiero, welcher im Jahr 478 v. Chr. seinem Bruder Gelo in der Herrschaft von Syrakus nachgefolgt war, soll dem Pythagoras eine Zufluchtstätte angeboten haben, welche aber Pythagoras ablehnte. Auch zu Metapont erregten die aristokratischen Pythagoräer den Hass des Volkes und im Jahr 471 v. Chr. wurde dort in einem Volksauflaufe das Versammlungshaus der Pythagoräer überfallen und niedergebrannt, wobei gegen 40 im Feuer den Tod fanden und nur zwei jüngere Leute, Lysis und Archippus (Hipparch?) sich retten konnten. Obwohl auch Pythagoras durch die heldenmüthige Aufopferung seiner Schüler entgangen war, so zog er sich nach Dikäarch durch den Gram und Kummer über den Verlust seiner Freunde im 99. Jahre seines Lebens kurz darauf den Tod zu. Sei-
1) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 100 ff.
2) Böttiger, a. a. O., I. S. 122 Anm. *.
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Hippocratis ist eigentlich der Mysterieneid der Asklepiaden, der priesterlichen Aerzte des ägyptisch-griechisch-römischen Alterthums.<noteplace="foot"n="1)">Böttiger, kleine Schriften, I. S. 100 ff.<lb/></note> Wie die Asklepiaden die Arzneikunde als Priestergeheimniss besassen und bewahrten, so die Bauleute die Baukunst mit ihren Hülfskünsten, und die Geschichte der Wissenschaften und Künste ist recht eigentlich ursprünglich und lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte der Mysterien, der Religionen und ihrer Priester. Was den Bauleuten als Symbol das ewige Licht war und ist, das war den Asklepiaden die heilige Schlange, welche zu Epidauros in der Mutterloge sich befand und woher die Töchterlogen, z. B. in Rom auf der Tiberinsel, die ihrige erhielten. Auf den Inseln des Archipelagus sind die Mönche des heiligen Cosmas und Damianus noch jetzt Aerzte und Nachfolger der Asklepiaden.<noteplace="foot"n="2)">Böttiger, a. a. O., I. S. 122 Anm. *.<lb/></note></p><p>
Pythagoras hat sich wohl zu Tarent vom Jahr 490 bis 474 v. Chr. aufgehalten. In dem letzten Jahre wurde auch zu Tarent die Aristokratie durch die Demokratie niedergeworfen; die Pythagoräer aber, welche der Umwandlung entgegengetreten waren, wurden verbannt und mussten mit dem 96jährigen Pythagoras auswandern. Das nahe gelegene Metapont nahm sie gastlich auf, da hier sich gleichfalls viele Schüler des Pythagoras befanden. Auch Hiero, welcher im Jahr 478 v. Chr. seinem Bruder Gelo in der Herrschaft von Syrakus nachgefolgt war, soll dem Pythagoras eine Zufluchtstätte angeboten haben, welche aber Pythagoras ablehnte. Auch zu Metapont erregten die aristokratischen Pythagoräer den Hass des Volkes und im Jahr 471 v. Chr. wurde dort in einem Volksauflaufe das Versammlungshaus der Pythagoräer überfallen und niedergebrannt, wobei gegen 40 im Feuer den Tod fanden und nur zwei jüngere Leute, Lysis und Archippus (Hipparch?) sich retten konnten. Obwohl auch Pythagoras durch die heldenmüthige Aufopferung seiner Schüler entgangen war, so zog er sich nach Dikäarch durch den Gram und Kummer über den Verlust seiner Freunde im 99. Jahre seines Lebens kurz darauf den Tod zu. Sei-
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Hippocratis ist eigentlich der Mysterieneid der Asklepiaden, der priesterlichen Aerzte des ägyptisch-griechisch-römischen Alterthums. 1) Wie die Asklepiaden die Arzneikunde als Priestergeheimniss besassen und bewahrten, so die Bauleute die Baukunst mit ihren Hülfskünsten, und die Geschichte der Wissenschaften und Künste ist recht eigentlich ursprünglich und lange Jahrhunderte hindurch die Geschichte der Mysterien, der Religionen und ihrer Priester. Was den Bauleuten als Symbol das ewige Licht war und ist, das war den Asklepiaden die heilige Schlange, welche zu Epidauros in der Mutterloge sich befand und woher die Töchterlogen, z. B. in Rom auf der Tiberinsel, die ihrige erhielten. Auf den Inseln des Archipelagus sind die Mönche des heiligen Cosmas und Damianus noch jetzt Aerzte und Nachfolger der Asklepiaden. 2)
Pythagoras hat sich wohl zu Tarent vom Jahr 490 bis 474 v. Chr. aufgehalten. In dem letzten Jahre wurde auch zu Tarent die Aristokratie durch die Demokratie niedergeworfen; die Pythagoräer aber, welche der Umwandlung entgegengetreten waren, wurden verbannt und mussten mit dem 96jährigen Pythagoras auswandern. Das nahe gelegene Metapont nahm sie gastlich auf, da hier sich gleichfalls viele Schüler des Pythagoras befanden. Auch Hiero, welcher im Jahr 478 v. Chr. seinem Bruder Gelo in der Herrschaft von Syrakus nachgefolgt war, soll dem Pythagoras eine Zufluchtstätte angeboten haben, welche aber Pythagoras ablehnte. Auch zu Metapont erregten die aristokratischen Pythagoräer den Hass des Volkes und im Jahr 471 v. Chr. wurde dort in einem Volksauflaufe das Versammlungshaus der Pythagoräer überfallen und niedergebrannt, wobei gegen 40 im Feuer den Tod fanden und nur zwei jüngere Leute, Lysis und Archippus (Hipparch?) sich retten konnten. Obwohl auch Pythagoras durch die heldenmüthige Aufopferung seiner Schüler entgangen war, so zog er sich nach Dikäarch durch den Gram und Kummer über den Verlust seiner Freunde im 99. Jahre seines Lebens kurz darauf den Tod zu. Sei-
1) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 100 ff.
2) Böttiger, a. a. O., I. S. 122 Anm. *.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/598>, abgerufen am 01.07.2024.
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