Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

sitzen, seine Thaten zu betrachten und einstens bei Gottes Gericht zu melden. So sitzen die Raben Huginn und Muninn, Gedanke und Erinnerung, auf Odhins Schultern, - so flattern Rothbarts Raben um den Kyffhäuser, - Ivleinrads Raben verrathen im Wirthshause zu Zürich die dahin von Einsiedeln entflohenen Mörder, und auf der Schulter der Schlüsseljungfrau von Tegerfelden sitzt gleichfalls ein solcher Vogel. Nach altarabischem Glauben, den Mahommed verbot, wächst aus dem Kopfblute schuldlos Erschlagener der Vogel Ham und schreit nach des Mörders Blut.1) Auch wird wohl Jeder hier der Kraniche des. lbycus gedenken:

Sieh' da! Sieh' da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibycus."

Die göttlichen Thiersymbole, die Thiergeister und Thiergespenster haben übrigens Rochholz, a. a. O., II. S. 71 ff., verleitet, auch den alten Deutschen den Glauben an die Seelenwanderung in Thiere zuzuschreiben und diesen Glauben sogar mit Lessing nicht so unvernünftig zu finden. Ebenso leicht, meint Rochholz, hätte es beinahe geschehen können, dass wir die geheiligten Figuren des neuen Glaubens in derselben Gestalt der Thiersymbolik, in welcher wir sie ursprünglich verehren lernten, bis auf die Neuzeit fortvererbt hätten. Eine Evangelienhandschrift des 10. Jahrhunderts aus St. Eloy bei Arras stelle die vier Evangelisten mit den Häuptern ihrer Attribute dar: Matthäus habe den Kopf eines Jünglings, Lukas den eines Rosses, anstatt eines Ochsen, Johannes den eines Adlers, mit Klauen statt der Hände (Marcus wird nicht erwähnt).

In den Urkunden und Ritualen der Maurer sind höchst beachtenswerthe Ueberreste des alten Genienglaubens und Geniendienstes enthalten, welche den Durchgang der Maurerei durch die Römer, durch die religiösen römischen Baukorporationen und damit das hohe Alterthum der Maurerei beurkunden. In dem ältesten englischen Lehrlingsfragstücke wird unmittelbar nach seiner Beeidigung der Neuaufgenommene durch den Meister vom Stuhl aufgefordert.,

1) Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau, II. S. 44.

sitzen, seine Thaten zu betrachten und einstens bei Gottes Gericht zu melden. So sitzen die Raben Huginn und Muninn, Gedanke und Erinnerung, auf Odhins Schultern, – so flattern Rothbarts Raben um den Kyffhäuser, – Ivleinrads Raben verrathen im Wirthshause zu Zürich die dahin von Einsiedeln entflohenen Mörder, und auf der Schulter der Schlüsseljungfrau von Tegerfelden sitzt gleichfalls ein solcher Vogel. Nach altarabischem Glauben, den Mahommed verbot, wächst aus dem Kopfblute schuldlos Erschlagener der Vogel Ham und schreit nach des Mörders Blut.1) Auch wird wohl Jeder hier der Kraniche des. lbycus gedenken:

Sieh’ da! Sieh’ da, Timotheus,
Die Kraniche des Ibycus.“

Die göttlichen Thiersymbole, die Thiergeister und Thiergespenster haben übrigens Rochholz, a. a. O., II. S. 71 ff., verleitet, auch den alten Deutschen den Glauben an die Seelenwanderung in Thiere zuzuschreiben und diesen Glauben sogar mit Lessing nicht so unvernünftig zu finden. Ebenso leicht, meint Rochholz, hätte es beinahe geschehen können, dass wir die geheiligten Figuren des neuen Glaubens in derselben Gestalt der Thiersymbolik, in welcher wir sie ursprünglich verehren lernten, bis auf die Neuzeit fortvererbt hätten. Eine Evangelienhandschrift des 10. Jahrhunderts aus St. Eloy bei Arras stelle die vier Evangelisten mit den Häuptern ihrer Attribute dar: Matthäus habe den Kopf eines Jünglings, Lukas den eines Rosses, anstatt eines Ochsen, Johannes den eines Adlers, mit Klauen statt der Hände (Marcus wird nicht erwähnt).

In den Urkunden und Ritualen der Maurer sind höchst beachtenswerthe Ueberreste des alten Genienglaubens und Geniendienstes enthalten, welche den Durchgang der Maurerei durch die Römer, durch die religiösen römischen Baukorporationen und damit das hohe Alterthum der Maurerei beurkunden. In dem ältesten englischen Lehrlingsfragstücke wird unmittelbar nach seiner Beeidigung der Neuaufgenommene durch den Meister vom Stuhl aufgefordert.,

1) Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau, II. S. 44.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0616" n="600"/>
sitzen, seine Thaten zu betrachten und einstens bei Gottes Gericht zu melden. So sitzen
 die Raben Huginn und Muninn, Gedanke und Erinnerung, auf Odhins Schultern, &#x2013; so flattern Rothbarts
 Raben um den Kyffhäuser, &#x2013; Ivleinrads Raben verrathen im Wirthshause zu Zürich die dahin von
 Einsiedeln entflohenen Mörder, und auf der Schulter der Schlüsseljungfrau von Tegerfelden sitzt
 gleichfalls ein solcher Vogel. Nach altarabischem Glauben, den Mahommed verbot, wächst aus dem
 Kopfblute schuldlos Erschlagener der Vogel Ham und schreit nach des Mörders Blut.<note place="foot" n="1)">Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau, II. S. 44. </note> Auch wird wohl Jeder hier der
 Kraniche des. lbycus gedenken:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote> Sieh&#x2019; da! Sieh&#x2019; da, Timotheus,<lb/>
Die Kraniche des Ibycus.&#x201C;</quote>
        </cit>
        <p> Die göttlichen Thiersymbole, die Thiergeister und Thiergespenster haben übrigens Rochholz, a. a.
 O., II. S. 71 ff., verleitet, auch den alten Deutschen den Glauben an die Seelenwanderung in Thiere
 zuzuschreiben und diesen Glauben sogar mit Lessing nicht so unvernünftig zu finden. Ebenso leicht,
 meint Rochholz, hätte es beinahe geschehen können, dass wir die geheiligten Figuren des neuen
 Glaubens in derselben Gestalt der Thiersymbolik, in welcher wir sie ursprünglich verehren lernten,
 bis auf die Neuzeit fortvererbt hätten. Eine Evangelienhandschrift des 10. Jahrhunderts aus St. Eloy
 bei Arras stelle die vier Evangelisten mit den Häuptern ihrer Attribute dar: Matthäus habe den Kopf
 eines Jünglings, Lukas den eines Rosses, anstatt eines Ochsen, Johannes den eines Adlers, mit Klauen
 statt der Hände (Marcus wird nicht erwähnt).</p>
        <p> In den Urkunden und Ritualen der Maurer sind höchst beachtenswerthe Ueberreste des alten
 Genienglaubens und Geniendienstes enthalten, welche den Durchgang der Maurerei durch die Römer,
 durch die religiösen römischen Baukorporationen und damit das hohe Alterthum der Maurerei
 beurkunden. In dem ältesten englischen Lehrlingsfragstücke wird unmittelbar nach seiner Beeidigung
 der Neuaufgenommene durch den Meister vom Stuhl aufgefordert.,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[600/0616] sitzen, seine Thaten zu betrachten und einstens bei Gottes Gericht zu melden. So sitzen die Raben Huginn und Muninn, Gedanke und Erinnerung, auf Odhins Schultern, – so flattern Rothbarts Raben um den Kyffhäuser, – Ivleinrads Raben verrathen im Wirthshause zu Zürich die dahin von Einsiedeln entflohenen Mörder, und auf der Schulter der Schlüsseljungfrau von Tegerfelden sitzt gleichfalls ein solcher Vogel. Nach altarabischem Glauben, den Mahommed verbot, wächst aus dem Kopfblute schuldlos Erschlagener der Vogel Ham und schreit nach des Mörders Blut. 1) Auch wird wohl Jeder hier der Kraniche des. lbycus gedenken: Sieh’ da! Sieh’ da, Timotheus, Die Kraniche des Ibycus.“ Die göttlichen Thiersymbole, die Thiergeister und Thiergespenster haben übrigens Rochholz, a. a. O., II. S. 71 ff., verleitet, auch den alten Deutschen den Glauben an die Seelenwanderung in Thiere zuzuschreiben und diesen Glauben sogar mit Lessing nicht so unvernünftig zu finden. Ebenso leicht, meint Rochholz, hätte es beinahe geschehen können, dass wir die geheiligten Figuren des neuen Glaubens in derselben Gestalt der Thiersymbolik, in welcher wir sie ursprünglich verehren lernten, bis auf die Neuzeit fortvererbt hätten. Eine Evangelienhandschrift des 10. Jahrhunderts aus St. Eloy bei Arras stelle die vier Evangelisten mit den Häuptern ihrer Attribute dar: Matthäus habe den Kopf eines Jünglings, Lukas den eines Rosses, anstatt eines Ochsen, Johannes den eines Adlers, mit Klauen statt der Hände (Marcus wird nicht erwähnt). In den Urkunden und Ritualen der Maurer sind höchst beachtenswerthe Ueberreste des alten Genienglaubens und Geniendienstes enthalten, welche den Durchgang der Maurerei durch die Römer, durch die religiösen römischen Baukorporationen und damit das hohe Alterthum der Maurerei beurkunden. In dem ältesten englischen Lehrlingsfragstücke wird unmittelbar nach seiner Beeidigung der Neuaufgenommene durch den Meister vom Stuhl aufgefordert., 1) Rochholz, Schweizersagen aus dem Aargau, II. S. 44.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/616
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/616>, abgerufen am 18.05.2024.