Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen, Und gelangt zum wesenhaften Wesen. Durch Vernichtung Solchem ward gegeben Das vernichtungslose Leben.
Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des
Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die
Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:
Es war der Freund am Uranfang der Zeiten In sich versenkt und seine
Herrlichkeiten. Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden, Um seine Reize hatte er den
Gürtel festgebunden. Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht, Doch theilte er des
Schauens selige Lust nicht. Da auf dem Nichtsein ohn' Genossen er sich wiegte, So labt' er
sich allein an seiner Schönheit Lichte. Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine, Da war
kein Streit noch zwischen Mein und Deine, Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch
zerspalten, Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund' erhalten. Der Himmel, der sich
unermesslich strecket, Lag damals noch in Einer Falt' vordecket. Von Sternen war noch
keine Perlenschnur gezogen, Es glänzte noch kein gold'nes Aug' am Himmelsbogen. Der
Vatersamen lag, von Kraft erfüllet, Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet, In dieser
Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen, Das holde Kind, daraus das Weltall
eritsprossen. Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen Die Züge aller Herrlichkeiten
lesen. Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen, Sein Bildniss schau'n aus Andern
widerstrahlen. Also viel tausend einzelne Gestalten Aus dieser Kräfte reichem Urquell
walten.
III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: "Du
erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden
und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich
die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist
das wahre Lob." 1)
1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.
Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen, Und gelangt zum wesenhaften Wesen. Durch Vernichtung Solchem ward gegeben Das vernichtungslose Leben.
Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des
Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die
Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:
Es war der Freund am Uranfang der Zeiten In sich versenkt und seine
Herrlichkeiten. Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden, Um seine Reize hatte er den
Gürtel festgebunden. Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht, Doch theilte er des
Schauens selige Lust nicht. Da auf dem Nichtsein ohn’ Genossen er sich wiegte, So labt’ er
sich allein an seiner Schönheit Lichte. Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine, Da war
kein Streit noch zwischen Mein und Deine, Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch
zerspalten, Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund’ erhalten. Der Himmel, der sich
unermesslich strecket, Lag damals noch in Einer Falt’ vordecket. Von Sternen war noch
keine Perlenschnur gezogen, Es glänzte noch kein gold’nes Aug’ am Himmelsbogen. Der
Vatersamen lag, von Kraft erfüllet, Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet, In dieser
Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen, Das holde Kind, daraus das Weltall
eritsprossen. Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen Die Züge aller Herrlichkeiten
lesen. Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen, Sein Bildniss schau’n aus Andern
widerstrahlen. Also viel tausend einzelne Gestalten Aus dieser Kräfte reichem Urquell
walten.
III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: „Du
erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden
und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich
die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist
das wahre Lob.“ 1)
1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.
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die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist
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[577/0593]
Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen,
Und gelangt zum wesenhaften Wesen.
Durch Vernichtung Solchem ward gegeben
Das vernichtungslose Leben. Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:
Es war der Freund am Uranfang der Zeiten
In sich versenkt und seine Herrlichkeiten.
Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden,
Um seine Reize hatte er den Gürtel festgebunden.
Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht,
Doch theilte er des Schauens selige Lust nicht.
Da auf dem Nichtsein ohn’ Genossen er sich wiegte,
So labt’ er sich allein an seiner Schönheit Lichte.
Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine,
Da war kein Streit noch zwischen Mein und Deine,
Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch zerspalten,
Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund’ erhalten.
Der Himmel, der sich unermesslich strecket,
Lag damals noch in Einer Falt’ vordecket.
Von Sternen war noch keine Perlenschnur gezogen,
Es glänzte noch kein gold’nes Aug’ am Himmelsbogen.
Der Vatersamen lag, von Kraft erfüllet,
Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet,
In dieser Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen,
Das holde Kind, daraus das Weltall eritsprossen.
Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen
Die Züge aller Herrlichkeiten lesen.
Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen,
Sein Bildniss schau’n aus Andern widerstrahlen.
Also viel tausend einzelne Gestalten
Aus dieser Kräfte reichem Urquell walten. III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: „Du erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist das wahre Lob.“ 1)
1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/593>, abgerufen am 22.11.2024.
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