Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen,
Und gelangt zum wesenhaften Wesen.
Durch Vernichtung Solchem ward gegeben
Das vernichtungslose Leben.

Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:

Es war der Freund am Uranfang der Zeiten
In sich versenkt und seine Herrlichkeiten.
Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden,
Um seine Reize hatte er den Gürtel festgebunden.
Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht,
Doch theilte er des Schauens selige Lust nicht.
Da auf dem Nichtsein ohn' Genossen er sich wiegte,
So labt' er sich allein an seiner Schönheit Lichte.
Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine,
Da war kein Streit noch zwischen Mein und Deine,
Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch zerspalten,
Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund' erhalten.
Der Himmel, der sich unermesslich strecket,
Lag damals noch in Einer Falt' vordecket.
Von Sternen war noch keine Perlenschnur gezogen,
Es glänzte noch kein gold'nes Aug' am Himmelsbogen.
Der Vatersamen lag, von Kraft erfüllet,
Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet,
In dieser Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen,
Das holde Kind, daraus das Weltall eritsprossen.
Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen
Die Züge aller Herrlichkeiten lesen.
Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen,
Sein Bildniss schau'n aus Andern widerstrahlen.
Also viel tausend einzelne Gestalten
Aus dieser Kräfte reichem Urquell walten.

III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: "Du erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist das wahre Lob." 1)

1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.

Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen,
Und gelangt zum wesenhaften Wesen.
Durch Vernichtung Solchem ward gegeben
Das vernichtungslose Leben.

Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:

Es war der Freund am Uranfang der Zeiten
In sich versenkt und seine Herrlichkeiten.
Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden,
Um seine Reize hatte er den Gürtel festgebunden.
Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht,
Doch theilte er des Schauens selige Lust nicht.
Da auf dem Nichtsein ohn’ Genossen er sich wiegte,
So labt’ er sich allein an seiner Schönheit Lichte.
Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine,
Da war kein Streit noch zwischen Mein und Deine,
Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch zerspalten,
Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund’ erhalten.
Der Himmel, der sich unermesslich strecket,
Lag damals noch in Einer Falt’ vordecket.
Von Sternen war noch keine Perlenschnur gezogen,
Es glänzte noch kein gold’nes Aug’ am Himmelsbogen.
Der Vatersamen lag, von Kraft erfüllet,
Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet,
In dieser Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen,
Das holde Kind, daraus das Weltall eritsprossen.
Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen
Die Züge aller Herrlichkeiten lesen.
Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen,
Sein Bildniss schau’n aus Andern widerstrahlen.
Also viel tausend einzelne Gestalten
Aus dieser Kräfte reichem Urquell walten.

III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: „Du erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist das wahre Lob.“ 1)

1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0593" n="577"/><lb/>
        <cit rendition="#et">
          <quote> Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen,<lb/>
Und gelangt zum wesenhaften Wesen.<lb/>
Durch Vernichtung Solchem ward gegeben<lb/>
Das vernichtungslose Leben.</quote>
        </cit>
        <p> Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des
 Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die
 Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt:</p>
        <cit rendition="#et">
          <quote> Es war der Freund am Uranfang der Zeiten<lb/>
In sich versenkt und seine
 Herrlichkeiten.<lb/>
Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden,<lb/>
Um seine Reize hatte er den
 Gürtel festgebunden.<lb/>
Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht,<lb/>
Doch theilte er des
 Schauens selige Lust nicht.<lb/>
Da auf dem Nichtsein ohn&#x2019; Genossen er sich wiegte,<lb/>
So labt&#x2019; er
 sich allein an seiner Schönheit Lichte.<lb/>
Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine,<lb/>
Da war
 kein Streit noch zwischen Mein und Deine,<lb/>
Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch
 zerspalten,<lb/>
Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund&#x2019; erhalten.<lb/>
Der Himmel, der sich
 unermesslich strecket,<lb/>
Lag damals noch in Einer Falt&#x2019; vordecket.<lb/>
Von Sternen war noch
 keine Perlenschnur gezogen,<lb/>
Es glänzte noch kein gold&#x2019;nes Aug&#x2019; am Himmelsbogen.<lb/>
Der
 Vatersamen lag, von Kraft erfüllet,<lb/>
Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet,<lb/>
In dieser
 Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen,<lb/>
Das holde Kind, daraus das Weltall
 eritsprossen.<lb/>
Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen<lb/>
Die Züge aller Herrlichkeiten
 lesen.<lb/>
Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen,<lb/>
Sein Bildniss schau&#x2019;n aus Andern
 widerstrahlen.<lb/>
Also viel tausend einzelne Gestalten<lb/>
Aus dieser Kräfte reichem Urquell
 walten.</quote>
        </cit>
        <p> III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: &#x201E;Du
 erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden
 und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich
 die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist
 das wahre Lob.&#x201C; <note place="foot" n="1)">Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.</note></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[577/0593] Glücklich, wer ein metaphorisch Bild gewesen, Und gelangt zum wesenhaften Wesen. Durch Vernichtung Solchem ward gegeben Das vernichtungslose Leben. Dschami hat auch das schöne Bild von der Weltschöpfung, dass Gott, um sich im leeren Spiegel des Alls nicht ewig selbst zu erschauen, sondern sein Bildniss aus Andern wiederstrahlen zu sehen, die Schöpfung als ein neben ihm Seiendes geschaffen habe. Dschami singt: Es war der Freund am Uranfang der Zeiten In sich versenkt und seine Herrlichkeiten. Es hatte Niemand zu ihm hin den Weg gefunden, Um seine Reize hatte er den Gürtel festgebunden. Den Spiegel hielt er vor das eigene Gesicht, Doch theilte er des Schauens selige Lust nicht. Da auf dem Nichtsein ohn’ Genossen er sich wiegte, So labt’ er sich allein an seiner Schönheit Lichte. Es war nicht Zweiheit, Alles war der Eine, Da war kein Streit noch zwischen Mein und Deine, Die Schöpfungsfeder war von keinem Messer noch zerspalten, Die Tafel hatte von der Feder noch keine Wund’ erhalten. Der Himmel, der sich unermesslich strecket, Lag damals noch in Einer Falt’ vordecket. Von Sternen war noch keine Perlenschnur gezogen, Es glänzte noch kein gold’nes Aug’ am Himmelsbogen. Der Vatersamen lag, von Kraft erfüllet, Verborgen in dem Mutterschooss verhüllet, In dieser Wiege schlummernd lag, den Mund verschlossen, Das holde Kind, daraus das Weltall eritsprossen. Zwar konnte Er in Seinem eigenen Wesen Die Züge aller Herrlichkeiten lesen. Doch wollte er mit seiner Farbe Andre malen, Sein Bildniss schau’n aus Andern widerstrahlen. Also viel tausend einzelne Gestalten Aus dieser Kräfte reichem Urquell walten. III. Feridoddin Attar, ein älterer szufitischer Mystiker, lässt den Manssur Helladsch sagen: „Du erhabener Herr, ich weiss, dass du bist rein, und ich sage, du bist rein von allem Lobe der Lobenden und allem Preise der Preisenden und allen Gedanken der Denkenden. Mein Gott! du weissest, dass ich die Pflichten des Dich Lobens nicht zu erfüllen vermag. Lobe du an meiner Statt dich selbst, das ist das wahre Lob.“ 1) 1) Tholuk, Blüthensammlung, S. 317.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/593
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/593>, abgerufen am 18.05.2024.