2. Sinn für Diesseits ist die Leiter dieser Welt, Sinn für Jenseits ist die Trepp' zum
Himmelszelt,
3. Dünkt die Welt dir wunderbar und gross zu sein? Wiss', vor Gott ist sie ein
Sonnenstäublein. Seelenkerker, eng und schwarz, ist diese Welt, Wie zur Heimath flieh' zur
Flur hin jener Welt!
4. Kein Gebet ohn' Herzenssammlung hat Gewicht.
5. Doch wo ist ein Schöner, der nicht unschön wird? Wo die HüIse, der das Mark nicht
trocken wird? Ein Gesang nur ewig gleich schön tönend ist, Dies der Auferstehungssang im
Frommen ist.
II. Mewlana Dschami, ein ausgezeichneter Dichter Persiens des 16. Jahrhunderts, sagt:
Der ist ein Freund, der, wenn vom Freund er Zorn erfährt, noch liebender wird, Von
jedem Stein, den der Freund ihm wirft, der Freundschaft Bau gegründeter wird.
Derselbe Dschami erzählt: Scheich Abul Hassan Chirkani sprach einst zu seinen Freunden: Was ist
auf der Welt das Beste? Seine Freunde antworteten: Sag' du es uns! Darauf sprach er: Jenes Herz,
dessen ganze Sorge in Seinem Wesen ruht.
Also ist mein Herz beschaffen, dass bei jedem Wunsche mein, Neben ihm geschrieben steht
der heil'ge Wille Dein.
An einem andern Orte berichtet er: Zu Baschar Hafi sprach ein Andächtiger: Wenn ich das Brod in
die Hand nehme, weiss ich nicht, welche Zukost ich geniessen soll. Er antwortete: Danke für deine
Gesundheit und halte das für deine Zukost.
Nach demselben sprach Ali Rami: Der Glaube ist Reissen und Binden, 'reiss' los dich von der
Welt, binde dein Herz an Gott.
Weiter sagt Dschami: Husseiri sprach: Der Sufi ist Der, welcher nicht mehr ist nach seiner
Vernichtung und nach seinem Dasein nicht mehr vernichtet wird. Er wollte sagen: Wer einmal aus
seinem vergänglichen Leben in das wahre getreten, wird nicht mehr als Vergänglicher gefunden, aus
dem wahren Leben scheidet er nimmer.
2. Sinn für Diesseits ist die Leiter dieser Welt, Sinn für Jenseits ist die Trepp’ zum
Himmelszelt,
3. Dünkt die Welt dir wunderbar und gross zu sein? Wiss’, vor Gott ist sie ein
Sonnenstäublein. Seelenkerker, eng und schwarz, ist diese Welt, Wie zur Heimath flieh’ zur
Flur hin jener Welt!
4. Kein Gebet ohn’ Herzenssammlung hat Gewicht.
5. Doch wo ist ein Schöner, der nicht unschön wird? Wo die HüIse, der das Mark nicht
trocken wird? Ein Gesang nur ewig gleich schön tönend ist, Dies der Auferstehungssang im
Frommen ist.
II. Mewlana Dschami, ein ausgezeichneter Dichter Persiens des 16. Jahrhunderts, sagt:
Der ist ein Freund, der, wenn vom Freund er Zorn erfährt, noch liebender wird, Von
jedem Stein, den der Freund ihm wirft, der Freundschaft Bau gegründeter wird.
Derselbe Dschami erzählt: Scheich Abul Hassan Chirkani sprach einst zu seinen Freunden: Was ist
auf der Welt das Beste? Seine Freunde antworteten: Sag’ du es uns! Darauf sprach er: Jenes Herz,
dessen ganze Sorge in Seinem Wesen ruht.
Also ist mein Herz beschaffen, dass bei jedem Wunsche mein, Neben ihm geschrieben steht
der heil’ge Wille Dein.
An einem andern Orte berichtet er: Zu Baschar Hafi sprach ein Andächtiger: Wenn ich das Brod in
die Hand nehme, weiss ich nicht, welche Zukost ich geniessen soll. Er antwortete: Danke für deine
Gesundheit und halte das für deine Zukost.
Nach demselben sprach Ali Rami: Der Glaube ist Reissen und Binden, ’reiss’ los dich von der
Welt, binde dein Herz an Gott.
Weiter sagt Dschami: Husseiri sprach: Der Sufi ist Der, welcher nicht mehr ist nach seiner
Vernichtung und nach seinem Dasein nicht mehr vernichtet wird. Er wollte sagen: Wer einmal aus
seinem vergänglichen Leben in das wahre getreten, wird nicht mehr als Vergänglicher gefunden, aus
dem wahren Leben scheidet er nimmer.
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die Hand nehme, weiss ich nicht, welche Zukost ich geniessen soll. Er antwortete: Danke für deine
Gesundheit und halte das für deine Zukost.</p><p> Nach demselben sprach Ali Rami: Der Glaube ist Reissen und Binden, ’reiss’ los dich von der
Welt, binde dein Herz an Gott.</p><p> Weiter sagt Dschami: Husseiri sprach: Der Sufi ist Der, welcher nicht mehr ist nach seiner
Vernichtung und nach seinem Dasein nicht mehr vernichtet wird. Er wollte sagen: Wer einmal aus
seinem vergänglichen Leben in das wahre getreten, wird nicht mehr als Vergänglicher gefunden, aus
dem wahren Leben scheidet er nimmer.</p></div></body></text></TEI>
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2. Sinn für Diesseits ist die Leiter dieser Welt,
Sinn für Jenseits ist die Trepp’ zum Himmelszelt,
3. Dünkt die Welt dir wunderbar und gross zu sein?
Wiss’, vor Gott ist sie ein Sonnenstäublein.
Seelenkerker, eng und schwarz, ist diese Welt,
Wie zur Heimath flieh’ zur Flur hin jener Welt!
4. Kein Gebet ohn’ Herzenssammlung hat Gewicht.
5. Doch wo ist ein Schöner, der nicht unschön wird?
Wo die HüIse, der das Mark nicht trocken wird?
Ein Gesang nur ewig gleich schön tönend ist,
Dies der Auferstehungssang im Frommen ist.
II. Mewlana Dschami, ein ausgezeichneter Dichter Persiens des 16. Jahrhunderts, sagt:
Der ist ein Freund, der, wenn vom Freund er Zorn erfährt, noch liebender wird,
Von jedem Stein, den der Freund ihm wirft, der Freundschaft Bau gegründeter wird. Derselbe Dschami erzählt: Scheich Abul Hassan Chirkani sprach einst zu seinen Freunden: Was ist auf der Welt das Beste? Seine Freunde antworteten: Sag’ du es uns! Darauf sprach er: Jenes Herz, dessen ganze Sorge in Seinem Wesen ruht.
Also ist mein Herz beschaffen, dass bei jedem Wunsche mein,
Neben ihm geschrieben steht der heil’ge Wille Dein. An einem andern Orte berichtet er: Zu Baschar Hafi sprach ein Andächtiger: Wenn ich das Brod in die Hand nehme, weiss ich nicht, welche Zukost ich geniessen soll. Er antwortete: Danke für deine Gesundheit und halte das für deine Zukost.
Nach demselben sprach Ali Rami: Der Glaube ist Reissen und Binden, ’reiss’ los dich von der Welt, binde dein Herz an Gott.
Weiter sagt Dschami: Husseiri sprach: Der Sufi ist Der, welcher nicht mehr ist nach seiner Vernichtung und nach seinem Dasein nicht mehr vernichtet wird. Er wollte sagen: Wer einmal aus seinem vergänglichen Leben in das wahre getreten, wird nicht mehr als Vergänglicher gefunden, aus dem wahren Leben scheidet er nimmer.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/592>, abgerufen am 16.07.2024.
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