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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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zugleich an, dass Pythagoras die Verfassung von Kroton aristokratisch gestaltet, also zu Kroton nicht blos wissenschaftlich gelehrt, sondern auch politisch gewirkt und gestrebt habe. Schömann, griech. Alterthümer, I. S. 168, will zwar nicht entscheiden, inwiefern Pythagoras selbst politische Plane gehabt und verfolgt haben möge; aber von seinen Anhängern sei es gewiss, dass sie solche hatten, und dass sie ihre Verbindungen in den verschiedenen Städten zu politischen Klubs gemacht haben, denen es in der That auch gelang, eine Zeit lang überwiegenden Einfluss auf die Regierung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu gewinnen. Schömann bemerkt zur Erklärung dieser Thatsache, in Uebereinstimmung mit Hermann: "Da seine Schüler alle dem Stande der Vornehmen und Bevorrechteten angehörten, lag es nahe, dass sie ihrer Verbindung auch im Staate eine solche Geltung zu geben versuchten, wie sie ihnen ihrer Meinung nach gebührte. Sie betrachteten sich als die Besten und Würdigsten unter ihren Mitbürgern, und deswegen zur Herrschaft berufen, welche darin in Wahrheit und nicht blos dem Namen nach eine Aristokratie sein würde." - Wir legen ausserordentliches Gewicht darauf, dass man die Gütergemeinschaft und die politischen Plane, oder wenigstens den politischen Einfluss bei dem pythagoreischen Bunde als erwiesen zugestehe und voraussetze, weil man nur alsdann seine wahre Bedeutung und seine späteren Schicksale, seine Geschichte versteht und begreift. Der Pythagoräer sollte mit seinem ganzen inneren und äussern Sein, - mit seinem Herzen, Geiste und Vermögen auf die ganze Dauer seines Lebens dem Bunde des Pythagoras angehören, und was vermochte man auch nur mit einigen Hunderten solcher allein gebildeten und die Bildung als ein heiliges Geheimniss bewahrenden Eingeweihten und Ergebenen zu vollbringen? Deshalb und nur deshalb wurden auch von Pythagoras die in den eigentlichen Kreis der Verbündeten aufzunehmenden jungen Leute der Aristokratie mit so grosser Sorgfalt geprüft und ausgewählt1) und Jeder zurückgewiesen, welcher für den Geheimbund, für die höhern Plane nicht zu

1) Röth, a. a. O., II. S. 480 ff.

zugleich an, dass Pythagoras die Verfassung von Kroton aristokratisch gestaltet, also zu Kroton nicht blos wissenschaftlich gelehrt, sondern auch politisch gewirkt und gestrebt habe. Schömann, griech. Alterthümer, I. S. 168, will zwar nicht entscheiden, inwiefern Pythagoras selbst politische Plane gehabt und verfolgt haben möge; aber von seinen Anhängern sei es gewiss, dass sie solche hatten, und dass sie ihre Verbindungen in den verschiedenen Städten zu politischen Klubs gemacht haben, denen es in der That auch gelang, eine Zeit lang überwiegenden Einfluss auf die Regierung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu gewinnen. Schömann bemerkt zur Erklärung dieser Thatsache, in Uebereinstimmung mit Hermann: „Da seine Schüler alle dem Stande der Vornehmen und Bevorrechteten angehörten, lag es nahe, dass sie ihrer Verbindung auch im Staate eine solche Geltung zu geben versuchten, wie sie ihnen ihrer Meinung nach gebührte. Sie betrachteten sich als die Besten und Würdigsten unter ihren Mitbürgern, und deswegen zur Herrschaft berufen, welche darin in Wahrheit und nicht blos dem Namen nach eine Aristokratie sein würde.“ – Wir legen ausserordentliches Gewicht darauf, dass man die Gütergemeinschaft und die politischen Plane, oder wenigstens den politischen Einfluss bei dem pythagoreischen Bunde als erwiesen zugestehe und voraussetze, weil man nur alsdann seine wahre Bedeutung und seine späteren Schicksale, seine Geschichte versteht und begreift. Der Pythagoräer sollte mit seinem ganzen inneren und äussern Sein, – mit seinem Herzen, Geiste und Vermögen auf die ganze Dauer seines Lebens dem Bunde des Pythagoras angehören, und was vermochte man auch nur mit einigen Hunderten solcher allein gebildeten und die Bildung als ein heiliges Geheimniss bewahrenden Eingeweihten und Ergebenen zu vollbringen? Deshalb und nur deshalb wurden auch von Pythagoras die in den eigentlichen Kreis der Verbündeten aufzunehmenden jungen Leute der Aristokratie mit so grosser Sorgfalt geprüft und ausgewählt1) und Jeder zurückgewiesen, welcher für den Geheimbund, für die höhern Plane nicht zu

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 griech. Alterthümer, I. S. 168, will zwar nicht entscheiden, inwiefern Pythagoras selbst politische
 Plane gehabt und verfolgt haben möge; aber von seinen Anhängern sei es gewiss, dass sie solche
 hatten, und dass sie ihre Verbindungen in den verschiedenen Städten zu politischen Klubs gemacht
 haben, denen es in der That auch gelang, eine Zeit lang überwiegenden Einfluss auf die Regierung und
 Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu gewinnen. Schömann bemerkt zur Erklärung dieser
 Thatsache, in Uebereinstimmung mit Hermann: &#x201E;Da seine Schüler alle dem Stande der Vornehmen und
 Bevorrechteten angehörten, lag es nahe, dass sie ihrer Verbindung auch im Staate eine solche Geltung
 zu geben versuchten, wie sie ihnen ihrer Meinung nach gebührte. Sie betrachteten sich als die Besten
 und Würdigsten unter ihren Mitbürgern, und deswegen zur Herrschaft berufen, welche darin in Wahrheit
 und nicht blos dem Namen nach eine Aristokratie sein würde.&#x201C; &#x2013; Wir legen ausserordentliches Gewicht
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[538/0554] zugleich an, dass Pythagoras die Verfassung von Kroton aristokratisch gestaltet, also zu Kroton nicht blos wissenschaftlich gelehrt, sondern auch politisch gewirkt und gestrebt habe. Schömann, griech. Alterthümer, I. S. 168, will zwar nicht entscheiden, inwiefern Pythagoras selbst politische Plane gehabt und verfolgt haben möge; aber von seinen Anhängern sei es gewiss, dass sie solche hatten, und dass sie ihre Verbindungen in den verschiedenen Städten zu politischen Klubs gemacht haben, denen es in der That auch gelang, eine Zeit lang überwiegenden Einfluss auf die Regierung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu gewinnen. Schömann bemerkt zur Erklärung dieser Thatsache, in Uebereinstimmung mit Hermann: „Da seine Schüler alle dem Stande der Vornehmen und Bevorrechteten angehörten, lag es nahe, dass sie ihrer Verbindung auch im Staate eine solche Geltung zu geben versuchten, wie sie ihnen ihrer Meinung nach gebührte. Sie betrachteten sich als die Besten und Würdigsten unter ihren Mitbürgern, und deswegen zur Herrschaft berufen, welche darin in Wahrheit und nicht blos dem Namen nach eine Aristokratie sein würde.“ – Wir legen ausserordentliches Gewicht darauf, dass man die Gütergemeinschaft und die politischen Plane, oder wenigstens den politischen Einfluss bei dem pythagoreischen Bunde als erwiesen zugestehe und voraussetze, weil man nur alsdann seine wahre Bedeutung und seine späteren Schicksale, seine Geschichte versteht und begreift. Der Pythagoräer sollte mit seinem ganzen inneren und äussern Sein, – mit seinem Herzen, Geiste und Vermögen auf die ganze Dauer seines Lebens dem Bunde des Pythagoras angehören, und was vermochte man auch nur mit einigen Hunderten solcher allein gebildeten und die Bildung als ein heiliges Geheimniss bewahrenden Eingeweihten und Ergebenen zu vollbringen? Deshalb und nur deshalb wurden auch von Pythagoras die in den eigentlichen Kreis der Verbündeten aufzunehmenden jungen Leute der Aristokratie mit so grosser Sorgfalt geprüft und ausgewählt 1) und Jeder zurückgewiesen, welcher für den Geheimbund, für die höhern Plane nicht zu 1) Röth, a. a. O., II. S. 480 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/554>, abgerufen am 24.05.2024.