Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Mexiko an dem dortigen Hofe des atztekischen Königs Montezuma es unbedingte Vorschrift war, dass Niemand in den königlichen Palast eintreten durfte, ohne am Eingange seine Fussbekleidung abgelegt zu haben.1) Bei den alten Peruanern in Südamerika durften sogar die Inka, d. h. der König und sein Geschlecht, den Tempel des obersten Licht- und Sonnengottes Pachacamac nur mit entblössten Füssen betreten.2) Während der Prüfungszeit, welche der Jünglingsweihe des Inka vorausging, musste derselbe auf blosser Erde schlafen, streng fasten, barfuss gehen und Alles verrichten, was für einen Kriegsmann nöthig war.3) Erst wenn die Jünglinge alle Proben überstanden hatten, erhielten sie den Namen "ächte Inka" oder "Söhne der Sonne" und ihre Mutter und Schwestern eilten herbei, um ihnen geflochtene Schuhe anzulegen. Auch verdient nachdrücklich für den Kundigen hervorgehoben zu werden, dass nach vollendeter Prüfung bei der Einkleidung zum Ritter und insbesondere beim Anlegen der königlichen Schuhe der Bestandene von dem dem Könige im Range am nächsten stehenden Inka einen Kuss auf die rechte Schulter mit den Worten erhielt: "Der Sohn der Sonne, der sich so wohl bewährt, verdient angebetet zu werden," - denn ihr Ausdruck für küssen bedeutet zugleich anbeten. Ebenso muss berührt werden, da es an die Mithrasmysterien, die Elensinien u. s. w. mit ihren ähnlichen Gebräuchen erinnert, dass man zuletzt den neuen Rittern Kränze von Immergrün und noch zwei andern sehr schönen Blumenarten (die nur die Inka vom Geblüte, kein anderer im Volke tragen durfte) aufsetzte und sprach: "Gleichwie die Sonne, euer gemeinsamer Vater, diese Blumen auf dem Felde zum Entzücken der Menschen wachsen und aufblühen lässt, so muss auch ein ächter Inka wachsen und gedeihen lassen die Tugenden in seiner Seele zum Segen des Volks, auf dass sein Ruhm, diesem Kranze gleich, beständig grün bleibe." Wie einen Kranz von dreierlei Blumenarten empfingen sie eine Schärpe oder eine um den Leib zu tragende Schnur

1) Apostelgeschichte des Geistes, Il. S. 13.
2) A. a. O., S. 30.
3) Weimarisches Jahrbuch, Vl. S. 265 ff.

Mexiko an dem dortigen Hofe des atztekischen Königs Montezuma es unbedingte Vorschrift war, dass Niemand in den königlichen Palast eintreten durfte, ohne am Eingange seine Fussbekleidung abgelegt zu haben.1) Bei den alten Peruanern in Südamerika durften sogar die Inka, d. h. der König und sein Geschlecht, den Tempel des obersten Licht- und Sonnengottes Pachacamac nur mit entblössten Füssen betreten.2) Während der Prüfungszeit, welche der Jünglingsweihe des Inka vorausging, musste derselbe auf blosser Erde schlafen, streng fasten, barfuss gehen und Alles verrichten, was für einen Kriegsmann nöthig war.3) Erst wenn die Jünglinge alle Proben überstanden hatten, erhielten sie den Namen „ächte Inka“ oder „Söhne der Sonne“ und ihre Mutter und Schwestern eilten herbei, um ihnen geflochtene Schuhe anzulegen. Auch verdient nachdrücklich für den Kundigen hervorgehoben zu werden, dass nach vollendeter Prüfung bei der Einkleidung zum Ritter und insbesondere beim Anlegen der königlichen Schuhe der Bestandene von dem dem Könige im Range am nächsten stehenden Inka einen Kuss auf die rechte Schulter mit den Worten erhielt: „Der Sohn der Sonne, der sich so wohl bewährt, verdient angebetet zu werden,“ – denn ihr Ausdruck für küssen bedeutet zugleich anbeten. Ebenso muss berührt werden, da es an die Mithrasmysterien, die Elensinien u. s. w. mit ihren ähnlichen Gebräuchen erinnert, dass man zuletzt den neuen Rittern Kränze von Immergrün und noch zwei andern sehr schönen Blumenarten (die nur die Inka vom Geblüte, kein anderer im Volke tragen durfte) aufsetzte und sprach: „Gleichwie die Sonne, euer gemeinsamer Vater, diese Blumen auf dem Felde zum Entzücken der Menschen wachsen und aufblühen lässt, so muss auch ein ächter Inka wachsen und gedeihen lassen die Tugenden in seiner Seele zum Segen des Volks, auf dass sein Ruhm, diesem Kranze gleich, beständig grün bleibe.“ Wie einen Kranz von dreierlei Blumenarten empfingen sie eine Schärpe oder eine um den Leib zu tragende Schnur

1) Apostelgeschichte des Geistes, Il. S. 13.
2) A. a. O., S. 30.
3) Weimarisches Jahrbuch, Vl. S. 265 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0468" n="452"/>
Mexiko an dem dortigen Hofe des atztekischen Königs Montezuma
 es unbedingte Vorschrift war, dass Niemand in den königlichen Palast eintreten durfte, ohne am
 Eingange seine Fussbekleidung abgelegt zu haben.<note place="foot" n="1)">Apostelgeschichte des
 Geistes, Il. S. 13. </note> Bei den alten Peruanern in Südamerika durften sogar die Inka, d. h. der
 König und sein Geschlecht, den Tempel des obersten Licht- und Sonnengottes Pachacamac nur mit
 entblössten Füssen betreten.<note place="foot" n="2)">A. a. O., S. 30.</note> Während der
 Prüfungszeit, welche der Jünglingsweihe des Inka vorausging, musste derselbe auf blosser Erde
 schlafen, streng fasten, barfuss gehen und Alles verrichten, was für einen Kriegsmann nöthig
 war.<note place="foot" n="3)">Weimarisches Jahrbuch, Vl. S. 265 ff. </note> Erst wenn die Jünglinge
 alle Proben überstanden hatten, erhielten sie den Namen &#x201E;ächte Inka&#x201C; oder &#x201E;Söhne der Sonne&#x201C; und ihre
 Mutter und Schwestern eilten herbei, um ihnen geflochtene Schuhe anzulegen. Auch verdient
 nachdrücklich für den Kundigen hervorgehoben zu werden, dass nach vollendeter Prüfung bei der
 Einkleidung zum Ritter und insbesondere beim Anlegen der königlichen Schuhe der Bestandene von dem
 dem Könige im Range am nächsten stehenden Inka einen Kuss auf die rechte Schulter mit den Worten
 erhielt: &#x201E;Der Sohn der Sonne, der sich so wohl bewährt, verdient angebetet zu werden,&#x201C; &#x2013; denn ihr
 Ausdruck für küssen bedeutet zugleich anbeten. Ebenso muss berührt werden, da es an die
 Mithrasmysterien, die Elensinien u. s. w. mit ihren ähnlichen Gebräuchen erinnert, dass man zuletzt
 den neuen Rittern Kränze von Immergrün und noch zwei andern sehr schönen Blumenarten (die nur die
 Inka vom Geblüte, kein anderer im Volke tragen durfte) aufsetzte und sprach: &#x201E;Gleichwie die Sonne,
 euer gemeinsamer Vater, diese Blumen auf dem Felde zum Entzücken der Menschen wachsen und aufblühen
 lässt, so muss auch ein ächter Inka wachsen und gedeihen lassen die Tugenden in seiner Seele zum
 Segen des Volks, auf dass sein Ruhm, diesem Kranze gleich, beständig grün bleibe.&#x201C; Wie einen Kranz
 von dreierlei Blumenarten empfingen sie eine Schärpe oder eine um den Leib zu tragende Schnur
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0468] Mexiko an dem dortigen Hofe des atztekischen Königs Montezuma es unbedingte Vorschrift war, dass Niemand in den königlichen Palast eintreten durfte, ohne am Eingange seine Fussbekleidung abgelegt zu haben. 1) Bei den alten Peruanern in Südamerika durften sogar die Inka, d. h. der König und sein Geschlecht, den Tempel des obersten Licht- und Sonnengottes Pachacamac nur mit entblössten Füssen betreten. 2) Während der Prüfungszeit, welche der Jünglingsweihe des Inka vorausging, musste derselbe auf blosser Erde schlafen, streng fasten, barfuss gehen und Alles verrichten, was für einen Kriegsmann nöthig war. 3) Erst wenn die Jünglinge alle Proben überstanden hatten, erhielten sie den Namen „ächte Inka“ oder „Söhne der Sonne“ und ihre Mutter und Schwestern eilten herbei, um ihnen geflochtene Schuhe anzulegen. Auch verdient nachdrücklich für den Kundigen hervorgehoben zu werden, dass nach vollendeter Prüfung bei der Einkleidung zum Ritter und insbesondere beim Anlegen der königlichen Schuhe der Bestandene von dem dem Könige im Range am nächsten stehenden Inka einen Kuss auf die rechte Schulter mit den Worten erhielt: „Der Sohn der Sonne, der sich so wohl bewährt, verdient angebetet zu werden,“ – denn ihr Ausdruck für küssen bedeutet zugleich anbeten. Ebenso muss berührt werden, da es an die Mithrasmysterien, die Elensinien u. s. w. mit ihren ähnlichen Gebräuchen erinnert, dass man zuletzt den neuen Rittern Kränze von Immergrün und noch zwei andern sehr schönen Blumenarten (die nur die Inka vom Geblüte, kein anderer im Volke tragen durfte) aufsetzte und sprach: „Gleichwie die Sonne, euer gemeinsamer Vater, diese Blumen auf dem Felde zum Entzücken der Menschen wachsen und aufblühen lässt, so muss auch ein ächter Inka wachsen und gedeihen lassen die Tugenden in seiner Seele zum Segen des Volks, auf dass sein Ruhm, diesem Kranze gleich, beständig grün bleibe.“ Wie einen Kranz von dreierlei Blumenarten empfingen sie eine Schärpe oder eine um den Leib zu tragende Schnur 1) Apostelgeschichte des Geistes, Il. S. 13. 2) A. a. O., S. 30. 3) Weimarisches Jahrbuch, Vl. S. 265 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/468
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/468>, abgerufen am 18.05.2024.