Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Constantinopel durch ein Erdbeben verwüstet wurde, hat der Kaiser barfuss, [fremdsprachliches Material], mit dem ganzen Senate und der Geistlichkeit die Litaneien gebetet. Gewiss stammt es auch von dieser morgenländischen Sitte des Barfussgehens bei der Verehrung und Anbetung Gottes, dass noch jetzt bei den Katholiken die Pilger und Wallfahrer, die Büsser, barfuss zu gehen pflegen, sowie dass die katholischen.Priester bei gewissen Ceremonien die Schuhe abziehen müssen. Die muhammedanischen Pilger nach Mekka pflegen gleichfalls barfuss zu gehen1) und ebenso die muhammedanischen Büsser. Kaiser Heinrich IV. musste zur Schmach für das deutsche Kaiserthum und die ganze deutsche Nation im Jahr 1077 barfuss, im wollenen Bussgewand, drei Tage bei strenger Januarkälte nüchtern vom Morgen bis gegen Abend innerhalb der zweiten Ringmauer der Burg Canossa stehen, bis der Papst sich bequemte, den Bann zu lösen, den er über ihn gesprochen. - Nach Brugsch ziehen die Kopten zu Kairo beim Eintritte in die Kirche gleichfalls die Schuhe ab und betreten blos den Boden der ersten Theile.2) In Irland pflegen die Weiber am Charfreitage zum Gedächtniss der Leiden Christi mit aufgelösten Haaren, blossen Füssen und in den schlechtesten Kleidern betend und psalmodirend oft stundenweit von Kirche zu Kirche zu ziehen.3) Am Johannistage findet in Stoole bei Downpatrick im nördlichen Irland noch heute nachfolgender eigenthümlicher Gebrauch statt: In der Ebene, welche den dem heiligen Patrick geweihten Berg umgibt, befinden sich drei Quellen, denen ausserordentliche Kräfte zugeschrieben werden, und mehrere Steinhaufen, die hie und da zerstreut umherliegen. Mit dem Schlag der Mitternacht nun laufen Hunderte von Leuten so schnell als möglich um einige dieser Haufen herum, an andern Schaaren von Andächtigen mit blossen Füssen und Beinen. Männer ohne Rock, und anstatt des Hutes mit einem Schnupftuch um den Kopf, gehen sieben Mal um jeden Stein-

1) Tholuck, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 151 und S. 186.
2) Ausland für 1855, S. 248.
3) Ausland für 1860, S. 314 a.

Constantinopel durch ein Erdbeben verwüstet wurde, hat der Kaiser barfuss, [fremdsprachliches Material], mit dem ganzen Senate und der Geistlichkeit die Litaneien gebetet. Gewiss stammt es auch von dieser morgenländischen Sitte des Barfussgehens bei der Verehrung und Anbetung Gottes, dass noch jetzt bei den Katholiken die Pilger und Wallfahrer, die Büsser, barfuss zu gehen pflegen, sowie dass die katholischen.Priester bei gewissen Ceremonien die Schuhe abziehen müssen. Die muhammedanischen Pilger nach Mekka pflegen gleichfalls barfuss zu gehen1) und ebenso die muhammedanischen Büsser. Kaiser Heinrich IV. musste zur Schmach für das deutsche Kaiserthum und die ganze deutsche Nation im Jahr 1077 barfuss, im wollenen Bussgewand, drei Tage bei strenger Januarkälte nüchtern vom Morgen bis gegen Abend innerhalb der zweiten Ringmauer der Burg Canossa stehen, bis der Papst sich bequemte, den Bann zu lösen, den er über ihn gesprochen. – Nach Brugsch ziehen die Kopten zu Kairo beim Eintritte in die Kirche gleichfalls die Schuhe ab und betreten blos den Boden der ersten Theile.2) In Irland pflegen die Weiber am Charfreitage zum Gedächtniss der Leiden Christi mit aufgelösten Haaren, blossen Füssen und in den schlechtesten Kleidern betend und psalmodirend oft stundenweit von Kirche zu Kirche zu ziehen.3) Am Johannistage findet in Stoole bei Downpatrick im nördlichen Irland noch heute nachfolgender eigenthümlicher Gebrauch statt: In der Ebene, welche den dem heiligen Patrick geweihten Berg umgibt, befinden sich drei Quellen, denen ausserordentliche Kräfte zugeschrieben werden, und mehrere Steinhaufen, die hie und da zerstreut umherliegen. Mit dem Schlag der Mitternacht nun laufen Hunderte von Leuten so schnell als möglich um einige dieser Haufen herum, an andern Schaaren von Andächtigen mit blossen Füssen und Beinen. Männer ohne Rock, und anstatt des Hutes mit einem Schnupftuch um den Kopf, gehen sieben Mal um jeden Stein-

1) Tholuck, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 151 und S. 186.
2) Ausland für 1855, S. 248.
3) Ausland für 1860, S. 314 a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0466" n="450"/>
Constantinopel durch ein Erdbeben verwüstet wurde, hat der
 Kaiser barfuss, <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>, mit dem ganzen Senate und der
 Geistlichkeit die Litaneien gebetet. Gewiss stammt es auch von dieser morgenländischen Sitte des
 Barfussgehens bei der Verehrung und Anbetung Gottes, dass noch jetzt bei den Katholiken die Pilger
 und Wallfahrer, die Büsser, barfuss zu gehen pflegen, sowie dass die katholischen.Priester bei
 gewissen Ceremonien die Schuhe abziehen müssen. Die muhammedanischen Pilger nach Mekka pflegen
 gleichfalls barfuss zu gehen<note place="foot" n="1)">Tholuck, Blüthensammlung aus der
 morgenländischen Mystik, S. 151 und S. 186.</note> und ebenso die muhammedanischen Büsser. Kaiser
 Heinrich IV. musste zur Schmach für das deutsche Kaiserthum und die ganze deutsche Nation im Jahr
 1077 barfuss, im wollenen Bussgewand, drei Tage bei strenger Januarkälte nüchtern vom Morgen bis
 gegen Abend innerhalb der zweiten Ringmauer der Burg Canossa stehen, bis der Papst sich bequemte,
 den Bann zu lösen, den er über ihn gesprochen. &#x2013; Nach Brugsch ziehen die Kopten zu Kairo beim
 Eintritte in die Kirche gleichfalls die Schuhe ab und betreten blos den Boden der ersten
 Theile.<note place="foot" n="2)">Ausland für 1855, S. 248.</note> In Irland pflegen die Weiber am
 Charfreitage zum Gedächtniss der Leiden Christi mit aufgelösten Haaren, blossen Füssen und in den
 schlechtesten Kleidern betend und psalmodirend oft stundenweit von Kirche zu Kirche zu ziehen.<note place="foot" n="3)">Ausland für 1860, S. 314 a. </note> Am Johannistage findet in Stoole bei
 Downpatrick im nördlichen Irland noch heute nachfolgender eigenthümlicher Gebrauch statt: In der
 Ebene, welche den dem heiligen Patrick geweihten Berg umgibt, befinden sich drei Quellen, denen
 ausserordentliche Kräfte zugeschrieben werden, und mehrere Steinhaufen, die hie und da zerstreut
 umherliegen. Mit dem Schlag der Mitternacht nun laufen Hunderte von Leuten so schnell als möglich um
 einige dieser Haufen herum, an andern Schaaren von Andächtigen mit blossen Füssen und Beinen. Männer
 ohne Rock, und anstatt des Hutes mit einem Schnupftuch um den Kopf, gehen sieben Mal um jeden Stein-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0466] Constantinopel durch ein Erdbeben verwüstet wurde, hat der Kaiser barfuss, _ , mit dem ganzen Senate und der Geistlichkeit die Litaneien gebetet. Gewiss stammt es auch von dieser morgenländischen Sitte des Barfussgehens bei der Verehrung und Anbetung Gottes, dass noch jetzt bei den Katholiken die Pilger und Wallfahrer, die Büsser, barfuss zu gehen pflegen, sowie dass die katholischen.Priester bei gewissen Ceremonien die Schuhe abziehen müssen. Die muhammedanischen Pilger nach Mekka pflegen gleichfalls barfuss zu gehen 1) und ebenso die muhammedanischen Büsser. Kaiser Heinrich IV. musste zur Schmach für das deutsche Kaiserthum und die ganze deutsche Nation im Jahr 1077 barfuss, im wollenen Bussgewand, drei Tage bei strenger Januarkälte nüchtern vom Morgen bis gegen Abend innerhalb der zweiten Ringmauer der Burg Canossa stehen, bis der Papst sich bequemte, den Bann zu lösen, den er über ihn gesprochen. – Nach Brugsch ziehen die Kopten zu Kairo beim Eintritte in die Kirche gleichfalls die Schuhe ab und betreten blos den Boden der ersten Theile. 2) In Irland pflegen die Weiber am Charfreitage zum Gedächtniss der Leiden Christi mit aufgelösten Haaren, blossen Füssen und in den schlechtesten Kleidern betend und psalmodirend oft stundenweit von Kirche zu Kirche zu ziehen. 3) Am Johannistage findet in Stoole bei Downpatrick im nördlichen Irland noch heute nachfolgender eigenthümlicher Gebrauch statt: In der Ebene, welche den dem heiligen Patrick geweihten Berg umgibt, befinden sich drei Quellen, denen ausserordentliche Kräfte zugeschrieben werden, und mehrere Steinhaufen, die hie und da zerstreut umherliegen. Mit dem Schlag der Mitternacht nun laufen Hunderte von Leuten so schnell als möglich um einige dieser Haufen herum, an andern Schaaren von Andächtigen mit blossen Füssen und Beinen. Männer ohne Rock, und anstatt des Hutes mit einem Schnupftuch um den Kopf, gehen sieben Mal um jeden Stein- 1) Tholuck, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 151 und S. 186. 2) Ausland für 1855, S. 248. 3) Ausland für 1860, S. 314 a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/466
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/466>, abgerufen am 18.05.2024.