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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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weibliche Seite gedacht und daher zunächst der Urmutter Isis geweiht wurde. Das maurerische Niedertreten des linken Schuhes wäre demnach aus den Isismysterien entlehnt.1) Das Halten des Schwertes in der linken Hand bei den Maurern wäre ebenfalls in derselben Weise zu erklären, wie denn auch die Bacchantinnen den Tyrsus in der linken Hand trugen. Unter allen Umständen hat das Niedertreten gerade des linken Schuhes und das daran sich anschliessende Halten des Schwertes eine symbolische Bedeutung, ist ein absichtlicher und überlegter Gebrauch, weshalb wir die symbolische Bedeutung, die dabei obwaltende Absicht, zu erforschen streben müssen. Ist unsere Vermuthung und Erklärung des Symbols begründet, dann würde auch in diesen kleinen und sonst nicht beachteten Zügen auf eine ebenso überraschende als überzeugende Weise der Zusammenhang der Mysterien des Hiram mit den Mysterien des Alterthums und in Sonderheit mit den Isismysteriien dargelegt sein. Das Symbol ist zugleich zu alterthümlich, zu klassisch, als dass es nicht auf alter Tradition beruhen und erst später aufgenommen und eingefügt sein sollte. Auch wissen wir von den ägyptischen Priestern, dass sie gewöhnlich Sandalen aus Byblus trugen,2) wie es ähnlich noch heute, bei den Katholiken für angemessener und schicklicher gilt, dass die Geistlichen Schuhe und keine Stiefel tragen. Gleicherweise betritt kein Brahmane eine Pagode, ohne vorher die Schuhe ausgezogen zu haben,3) und auch dermalen noch muss Jeder, der eine muhammedanische Moschee betritt, die Schuhe ausziehen; ebenso in vielen christlichen Kirchen in Palästina, worin offenbar die orientalische Sitte und Ansicht sich geltend macht, und selbst bei uns besteht noch derselbe Gebrauch für einzelne Mönchorden, namentlich für die Barfüsser. Als einst unter der Regierung des Theodosius

1) Bachofen, a. a. 0., S. 171.
2) Spiegel, Avesta, II. S. LXVI.; Lasaulx, a. a. O., S. 296, Anm. 79.
3) Selbst der verstorbene Prinz Waldemar von Preussen, als er im Jahr 1845 den Tempel bei den Quellen der Ganga sehen wollte, musste ihn ohne Schuhe betreten. (Petermann, Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Geographie für 1856, S. 354 b.)

weibliche Seite gedacht und daher zunächst der Urmutter Isis geweiht wurde. Das maurerische Niedertreten des linken Schuhes wäre demnach aus den Isismysterien entlehnt.1) Das Halten des Schwertes in der linken Hand bei den Maurern wäre ebenfalls in derselben Weise zu erklären, wie denn auch die Bacchantinnen den Tyrsus in der linken Hand trugen. Unter allen Umständen hat das Niedertreten gerade des linken Schuhes und das daran sich anschliessende Halten des Schwertes eine symbolische Bedeutung, ist ein absichtlicher und überlegter Gebrauch, weshalb wir die symbolische Bedeutung, die dabei obwaltende Absicht, zu erforschen streben müssen. Ist unsere Vermuthung und Erklärung des Symbols begründet, dann würde auch in diesen kleinen und sonst nicht beachteten Zügen auf eine ebenso überraschende als überzeugende Weise der Zusammenhang der Mysterien des Hiram mit den Mysterien des Alterthums und in Sonderheit mit den Isismysteriien dargelegt sein. Das Symbol ist zugleich zu alterthümlich, zu klassisch, als dass es nicht auf alter Tradition beruhen und erst später aufgenommen und eingefügt sein sollte. Auch wissen wir von den ägyptischen Priestern, dass sie gewöhnlich Sandalen aus Byblus trugen,2) wie es ähnlich noch heute, bei den Katholiken für angemessener und schicklicher gilt, dass die Geistlichen Schuhe und keine Stiefel tragen. Gleicherweise betritt kein Brahmane eine Pagode, ohne vorher die Schuhe ausgezogen zu haben,3) und auch dermalen noch muss Jeder, der eine muhammedanische Moschee betritt, die Schuhe ausziehen; ebenso in vielen christlichen Kirchen in Palästina, worin offenbar die orientalische Sitte und Ansicht sich geltend macht, und selbst bei uns besteht noch derselbe Gebrauch für einzelne Mönchorden, namentlich für die Barfüsser. Als einst unter der Regierung des Theodosius

1) Bachofen, a. a. 0., S. 171.
2) Spiegel, Avesta, II. S. LXVI.; Lasaulx, a. a. O., S. 296, Anm. 79.
3) Selbst der verstorbene Prinz Waldemar von Preussen, als er im Jahr 1845 den Tempel bei den Quellen der Ganga sehen wollte, musste ihn ohne Schuhe betreten. (Petermann, Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Geographie für 1856, S. 354 b.)
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 der linken Hand trugen. Unter allen Umständen hat das Niedertreten gerade des linken Schuhes und das
 daran sich anschliessende Halten des Schwertes eine symbolische Bedeutung, ist ein absichtlicher und
 überlegter Gebrauch, weshalb wir die symbolische Bedeutung, die dabei obwaltende Absicht, zu
 erforschen streben müssen. Ist unsere Vermuthung und Erklärung des Symbols begründet, dann würde
 auch in diesen kleinen und sonst nicht beachteten Zügen auf eine ebenso überraschende als
 überzeugende Weise der Zusammenhang der Mysterien des Hiram mit den Mysterien des Alterthums und in
 Sonderheit mit den Isismysteriien dargelegt sein. Das Symbol ist zugleich zu alterthümlich, zu
 klassisch, als dass es nicht auf alter Tradition beruhen und erst später aufgenommen und eingefügt
 sein sollte. Auch wissen wir von den ägyptischen Priestern, dass sie gewöhnlich Sandalen aus Byblus
 trugen,<note place="foot" n="2)">Spiegel, Avesta, II. S. LXVI.; Lasaulx, a. a. O., S. 296, Anm.
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 dass die Geistlichen Schuhe und keine Stiefel tragen. Gleicherweise betritt kein Brahmane eine
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 musste ihn ohne Schuhe betreten. (Petermann, Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Geographie für
 1856, S. 354 b.) </note> und auch dermalen noch muss Jeder, der eine muhammedanische Moschee
 betritt, die Schuhe ausziehen; ebenso in vielen christlichen Kirchen in Palästina, worin offenbar
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[449/0465] weibliche Seite gedacht und daher zunächst der Urmutter Isis geweiht wurde. Das maurerische Niedertreten des linken Schuhes wäre demnach aus den Isismysterien entlehnt. 1) Das Halten des Schwertes in der linken Hand bei den Maurern wäre ebenfalls in derselben Weise zu erklären, wie denn auch die Bacchantinnen den Tyrsus in der linken Hand trugen. Unter allen Umständen hat das Niedertreten gerade des linken Schuhes und das daran sich anschliessende Halten des Schwertes eine symbolische Bedeutung, ist ein absichtlicher und überlegter Gebrauch, weshalb wir die symbolische Bedeutung, die dabei obwaltende Absicht, zu erforschen streben müssen. Ist unsere Vermuthung und Erklärung des Symbols begründet, dann würde auch in diesen kleinen und sonst nicht beachteten Zügen auf eine ebenso überraschende als überzeugende Weise der Zusammenhang der Mysterien des Hiram mit den Mysterien des Alterthums und in Sonderheit mit den Isismysteriien dargelegt sein. Das Symbol ist zugleich zu alterthümlich, zu klassisch, als dass es nicht auf alter Tradition beruhen und erst später aufgenommen und eingefügt sein sollte. Auch wissen wir von den ägyptischen Priestern, dass sie gewöhnlich Sandalen aus Byblus trugen, 2) wie es ähnlich noch heute, bei den Katholiken für angemessener und schicklicher gilt, dass die Geistlichen Schuhe und keine Stiefel tragen. Gleicherweise betritt kein Brahmane eine Pagode, ohne vorher die Schuhe ausgezogen zu haben, 3) und auch dermalen noch muss Jeder, der eine muhammedanische Moschee betritt, die Schuhe ausziehen; ebenso in vielen christlichen Kirchen in Palästina, worin offenbar die orientalische Sitte und Ansicht sich geltend macht, und selbst bei uns besteht noch derselbe Gebrauch für einzelne Mönchorden, namentlich für die Barfüsser. Als einst unter der Regierung des Theodosius 1) Bachofen, a. a. 0., S. 171. 2) Spiegel, Avesta, II. S. LXVI.; Lasaulx, a. a. O., S. 296, Anm. 79. 3) Selbst der verstorbene Prinz Waldemar von Preussen, als er im Jahr 1845 den Tempel bei den Quellen der Ganga sehen wollte, musste ihn ohne Schuhe betreten. (Petermann, Mittheilungen aus dem Gesammtgebiete der Geographie für 1856, S. 354 b.)

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/465>, abgerufen am 18.05.2024.