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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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hat sich wohl erhalten, aber die Maurer sind keine praktischen Idealisten mehr, sondern nicht selten ideenlose Praktiker; es herrscht das Wort und fehlt die That. - Die Benennung Zunft ist schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich und zunft, gazumft u. s. w., bizunft, gizunft bedeutet Vertrag, Uebereinkunft, Bündniss, Einverständniss. In England wird die Zunft, die Handwerksinnung noch heute allgemein mystery genannt, was höchst beachtenswerth ist.1) Die deutsche Innung ist verderbt aus Einung. DieZünfte und Innungen, die Handwerke waren ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia, confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das Religiöse mehr in den Hintergrund trat. Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem Auftreten der Zünfte verbunden, so die ganze Baukunst mit allen ihren Hülfskünsten, z. B. der Malerei und Giesserei, mit der Zunft der Steinmetzen und Maurer.

Im Alterthum und ganz vorzüglich in Aegypten war

1) Vergl. irgend ein englisches Wörterbuch und Lenning, Encyklopädie, II. S. 552.

hat sich wohl erhalten, aber die Maurer sind keine praktischen Idealisten mehr, sondern nicht selten ideenlose Praktiker; es herrscht das Wort und fehlt die That. – Die Benennung Zunft ist schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich und zunft, gazumft u. s. w., bizunft, gizunft bedeutet Vertrag, Uebereinkunft, Bündniss, Einverständniss. In England wird die Zunft, die Handwerksinnung noch heute allgemein mystery genannt, was höchst beachtenswerth ist.1) Die deutsche Innung ist verderbt aus Einung. DieZünfte und Innungen, die Handwerke waren ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia, confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das Religiöse mehr in den Hintergrund trat. Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem Auftreten der Zünfte verbunden, so die ganze Baukunst mit allen ihren Hülfskünsten, z. B. der Malerei und Giesserei, mit der Zunft der Steinmetzen und Maurer.

Im Alterthum und ganz vorzüglich in Aegypten war

1) Vergl. irgend ein englisches Wörterbuch und Lenning, Encyklopädie, II. S. 552.
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 ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt
 und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia,
 confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges
 Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die
 eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das
 Religiöse mehr in den Hintergrund trat. Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und
 Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele
 einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und
 der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum
 die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der
 Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige
 Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche
 wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem
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[218/0234] hat sich wohl erhalten, aber die Maurer sind keine praktischen Idealisten mehr, sondern nicht selten ideenlose Praktiker; es herrscht das Wort und fehlt die That. – Die Benennung Zunft ist schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich und zunft, gazumft u. s. w., bizunft, gizunft bedeutet Vertrag, Uebereinkunft, Bündniss, Einverständniss. In England wird die Zunft, die Handwerksinnung noch heute allgemein mystery genannt, was höchst beachtenswerth ist. 1) Die deutsche Innung ist verderbt aus Einung. DieZünfte und Innungen, die Handwerke waren ursprünglich ganz an die Priesterschaft, bei den Christen an die Kirche und die Klöster angelehnt und trugen deshalb das kirchliche Gewand einer Bruderschaft (confraternitas, confraternia, confratria); erst nach und nach löseten sie sich von der Kirche los und gewannen ein selbstständiges Leben, wurden aus kirchlichen oder religiösen Vereinen bürgerliche oder auch politische, die eigentlichen Handwerkszünfte, in denen das Handwerk mit seinen Interessen vorherrschte und das Religiöse mehr in den Hintergrund trat. Das ganze Mittelalter darf als der Zersetzungs- und Auflösungsprocess des frühern allumfassenden priesterlichen Wissens, Wirkens und Lebens in viele einzelne selbstständige Wissens- und Wirkenskreise, besonders in die der Zünfte und Handwerke und der Universitäten, betrachtet werden, wobei den Priestern zuletzt nur noch der Gottesdienst und kaum die Theologie verblieben. Die Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der Zünfte und der Universitäten ist wesentlich dieselbe, beide bilden nur ein grosses Ganze, obwohl das selbstständige Handwerks- (und Kunst-) Leben vielleicht etwas früher erwacht sein mag als das eigentliche wissenschaftliche oder Universitätsleben. Viele Wissenschaft und Kunst war unmittelbar mit dem Auftreten der Zünfte verbunden, so die ganze Baukunst mit allen ihren Hülfskünsten, z. B. der Malerei und Giesserei, mit der Zunft der Steinmetzen und Maurer. Im Alterthum und ganz vorzüglich in Aegypten war 1) Vergl. irgend ein englisches Wörterbuch und Lenning, Encyklopädie, II. S. 552.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/234>, abgerufen am 06.05.2024.