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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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ursprünglich das Wissen, und also auch die Baukunst mit allen ihren Hülfswissenschaften und Hülfskünsten, nur ein priesterliches, weil die Priester die einzig Wissenden - die Theologen, Gesetzgeber und Richter, Astronomen und Astrologen, Aerzte, Philosophen und namentlich auch die Schreiber, Maler, Baumeister und Bildhauer u. s. w. des Volkes waren. Wenn die Alten z. B. die Rechtsgelehrten justitiae sacerdotes, Priester der Gerechtigkeit nennen, wie Ulpian §. 1. Inst. de just. et jur., ist dieser Ausdruck nicht blos bildlich, sondern für die Aegypter, Phönicier, Juden, alten Römer u. s. w. ganz wörtlich zu verstehen.1) Auch die Gesetzgebung war daher eine durchaus priesterliche und zwar nicht blos bei den Aegyptern und Phöniciern, sondern auch bei dem Zendvolke diejenige des Zarathustra (besonders im Vendidad), bei den Juden die mosaische, bei den Indern die Gesetze des Menu u. s. w. Die Priesterwissenschaft wurde als Geheimniss, Mysterium streng bewahrt und nur den Eingeweihten stufenweise mitgetheilt; insofern sind die alten, wenigstens die ägyptischen Mysterien auch Lehr- und Bildungsanstalten, wissenschaftliche Geheimbünde, wie namentlich der Bund oder die Schule des Pythagoras, mit welchem erst die eigentliche Wissenschaft in Griechenland anhebt, noch ein solcher wissenschaftlicher Geheimbund, eine förmliche, aber streng geschlossene Erziehungsanstalt, eine Art Hochschule war. Die verschiedenen Grade der alten ägyptischen und pythagoräischen Mysterien, der alten Priesterschulen, dürfen in dieser Richtung den verschiedenen Classen unserer Schulen oder Gymnasien und besonders den akademischen Würden in den verschiedenen Wissenschaften verglichen werden, wie die grossen Priesteranstalten und Priestercollegien zu Theben, Memphis und Heliopolis als die ägyptischen Hochschulen angesehen werden können und müssen. Darauf, dass die ägyptischen Mysterien in solcher Art Bildungsanstalten, Hochschulen und gelehrte Akademien waren, beruht es, dass viele Griechen, welche sich eine besondere wissenschaftliche Bildung verschaffen wollten, nach Aegypten oder auch nach Asien zogen und in die dortigen My-

1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 169.

ursprünglich das Wissen, und also auch die Baukunst mit allen ihren Hülfswissenschaften und Hülfskünsten, nur ein priesterliches, weil die Priester die einzig Wissenden – die Theologen, Gesetzgeber und Richter, Astronomen und Astrologen, Aerzte, Philosophen und namentlich auch die Schreiber, Maler, Baumeister und Bildhauer u. s. w. des Volkes waren. Wenn die Alten z. B. die Rechtsgelehrten justitiae sacerdotes, Priester der Gerechtigkeit nennen, wie Ulpian §. 1. Inst. de just. et jur., ist dieser Ausdruck nicht blos bildlich, sondern für die Aegypter, Phönicier, Juden, alten Römer u. s. w. ganz wörtlich zu verstehen.1) Auch die Gesetzgebung war daher eine durchaus priesterliche und zwar nicht blos bei den Aegyptern und Phöniciern, sondern auch bei dem Zendvolke diejenige des Zarathustra (besonders im Vendidad), bei den Juden die mosaische, bei den Indern die Gesetze des Menu u. s. w. Die Priesterwissenschaft wurde als Geheimniss, Mysterium streng bewahrt und nur den Eingeweihten stufenweise mitgetheilt; insofern sind die alten, wenigstens die ägyptischen Mysterien auch Lehr- und Bildungsanstalten, wissenschaftliche Geheimbünde, wie namentlich der Bund oder die Schule des Pythagoras, mit welchem erst die eigentliche Wissenschaft in Griechenland anhebt, noch ein solcher wissenschaftlicher Geheimbund, eine förmliche, aber streng geschlossene Erziehungsanstalt, eine Art Hochschule war. Die verschiedenen Grade der alten ägyptischen und pythagoräischen Mysterien, der alten Priesterschulen, dürfen in dieser Richtung den verschiedenen Classen unserer Schulen oder Gymnasien und besonders den akademischen Würden in den verschiedenen Wissenschaften verglichen werden, wie die grossen Priesteranstalten und Priestercollegien zu Theben, Memphis und Heliopolis als die ägyptischen Hochschulen angesehen werden können und müssen. Darauf, dass die ägyptischen Mysterien in solcher Art Bildungsanstalten, Hochschulen und gelehrte Akademien waren, beruht es, dass viele Griechen, welche sich eine besondere wissenschaftliche Bildung verschaffen wollten, nach Aegypten oder auch nach Asien zogen und in die dortigen My-

1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 169.
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 den Juden die mosaische, bei den Indern die Gesetze des Menu u. s. w. Die Priesterwissenschaft wurde
 als Geheimniss, Mysterium streng bewahrt und nur den Eingeweihten stufenweise mitgetheilt; insofern
 sind die alten, wenigstens die ägyptischen Mysterien auch Lehr- und Bildungsanstalten,
 wissenschaftliche Geheimbünde, wie namentlich der Bund oder die Schule des Pythagoras, mit welchem
 erst die eigentliche Wissenschaft in Griechenland anhebt, noch ein solcher wissenschaftlicher
 Geheimbund, eine förmliche, aber streng geschlossene Erziehungsanstalt, eine Art Hochschule war. Die
 verschiedenen Grade der alten ägyptischen und pythagoräischen Mysterien, der alten Priesterschulen,
 dürfen in dieser Richtung den verschiedenen Classen unserer Schulen oder Gymnasien und besonders den
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 Priesteranstalten und Priestercollegien zu Theben, Memphis und Heliopolis als die ägyptischen
 Hochschulen angesehen werden können und müssen. Darauf, dass die ägyptischen Mysterien in solcher
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[219/0235] ursprünglich das Wissen, und also auch die Baukunst mit allen ihren Hülfswissenschaften und Hülfskünsten, nur ein priesterliches, weil die Priester die einzig Wissenden – die Theologen, Gesetzgeber und Richter, Astronomen und Astrologen, Aerzte, Philosophen und namentlich auch die Schreiber, Maler, Baumeister und Bildhauer u. s. w. des Volkes waren. Wenn die Alten z. B. die Rechtsgelehrten justitiae sacerdotes, Priester der Gerechtigkeit nennen, wie Ulpian §. 1. Inst. de just. et jur., ist dieser Ausdruck nicht blos bildlich, sondern für die Aegypter, Phönicier, Juden, alten Römer u. s. w. ganz wörtlich zu verstehen. 1) Auch die Gesetzgebung war daher eine durchaus priesterliche und zwar nicht blos bei den Aegyptern und Phöniciern, sondern auch bei dem Zendvolke diejenige des Zarathustra (besonders im Vendidad), bei den Juden die mosaische, bei den Indern die Gesetze des Menu u. s. w. Die Priesterwissenschaft wurde als Geheimniss, Mysterium streng bewahrt und nur den Eingeweihten stufenweise mitgetheilt; insofern sind die alten, wenigstens die ägyptischen Mysterien auch Lehr- und Bildungsanstalten, wissenschaftliche Geheimbünde, wie namentlich der Bund oder die Schule des Pythagoras, mit welchem erst die eigentliche Wissenschaft in Griechenland anhebt, noch ein solcher wissenschaftlicher Geheimbund, eine förmliche, aber streng geschlossene Erziehungsanstalt, eine Art Hochschule war. Die verschiedenen Grade der alten ägyptischen und pythagoräischen Mysterien, der alten Priesterschulen, dürfen in dieser Richtung den verschiedenen Classen unserer Schulen oder Gymnasien und besonders den akademischen Würden in den verschiedenen Wissenschaften verglichen werden, wie die grossen Priesteranstalten und Priestercollegien zu Theben, Memphis und Heliopolis als die ägyptischen Hochschulen angesehen werden können und müssen. Darauf, dass die ägyptischen Mysterien in solcher Art Bildungsanstalten, Hochschulen und gelehrte Akademien waren, beruht es, dass viele Griechen, welche sich eine besondere wissenschaftliche Bildung verschaffen wollten, nach Aegypten oder auch nach Asien zogen und in die dortigen My- 1) Bachofen, Gräbersymbolik, S. 169.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/235>, abgerufen am 06.05.2024.