Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Forts.)
die Analogie der für die thatsächlichen Veränderungen gege-
benen Vorschriften zu befolgen, und wir können es hier
ganz unbedenklich, da jene Vorschriften ganz als der Aus-
druck allgemeiner, bleibender Grundsätze anzusehen sind, so
daß dabei nicht, wie bei den Testamenten, theilweise blos
zufällige, historische Ansichten eingewirkt haben.

Halten wir uns ganz an diese Analogie, so werden wir
dadurch zu folgenden Regeln über die Einwirkung neuer
Gesetze auf die Intestaterbfolge geführt.

1. Ein neues Gesetz, erlassen vor dem Erbanfall,
muß stets auf den einzelnen Fall in der Intestaterbfolge
einwirken.

2. Als Zeitpunkt des Erbanfalls ist zu betrachten:

a. Wenn kein Testament vorhanden ist, die To-
deszeit.
b. Wenn ein Testament vorhanden ist, der Zeit-
punkt, in welchem es zur Gewißheit wird,
daß eine testamentarische Erbfolge nicht
eintritt.

3. Ein nach dem Erbanfall erlassenes Gesetz hat
keinen Einfluß, selbst wenn es in der Zwischenzeit zwischen
dem Erbanfall und dem Antritt der Erbschaft erscheint.
Dieser letzte Satz wird von den meisten Rechtslehrern an-
erkannt (g), von manchen aber bestritten (h).


(g) Weber S. 96. Chabot
T. 1 p. 379. ("au moment de
l'ouverture de la succession").
(h) Heise und Cropp juri-
stische Abhandlungen, B. 2 S.
123--124, 130--132.

§. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
die Analogie der für die thatſächlichen Veränderungen gege-
benen Vorſchriften zu befolgen, und wir können es hier
ganz unbedenklich, da jene Vorſchriften ganz als der Aus-
druck allgemeiner, bleibender Grundſätze anzuſehen ſind, ſo
daß dabei nicht, wie bei den Teſtamenten, theilweiſe blos
zufällige, hiſtoriſche Anſichten eingewirkt haben.

Halten wir uns ganz an dieſe Analogie, ſo werden wir
dadurch zu folgenden Regeln über die Einwirkung neuer
Geſetze auf die Inteſtaterbfolge geführt.

1. Ein neues Geſetz, erlaſſen vor dem Erbanfall,
muß ſtets auf den einzelnen Fall in der Inteſtaterbfolge
einwirken.

2. Als Zeitpunkt des Erbanfalls iſt zu betrachten:

a. Wenn kein Teſtament vorhanden iſt, die To-
deszeit.
b. Wenn ein Teſtament vorhanden iſt, der Zeit-
punkt, in welchem es zur Gewißheit wird,
daß eine teſtamentariſche Erbfolge nicht
eintritt.

3. Ein nach dem Erbanfall erlaſſenes Geſetz hat
keinen Einfluß, ſelbſt wenn es in der Zwiſchenzeit zwiſchen
dem Erbanfall und dem Antritt der Erbſchaft erſcheint.
Dieſer letzte Satz wird von den meiſten Rechtslehrern an-
erkannt (g), von manchen aber beſtritten (h).


(g) Weber S. 96. Chabot
T. 1 p. 379. („au moment de
l’ouverture de la succession“).
(h) Heiſe und Cropp juri-
ſtiſche Abhandlungen, B. 2 S.
123—124, 130—132.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0511" n="489"/><fw place="top" type="header">§. 395. <hi rendition="#aq">A.</hi> Erwerb der Rechte. Anwendungen. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Erbrecht. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
die Analogie der für die that&#x017F;ächlichen Veränderungen gege-<lb/>
benen Vor&#x017F;chriften zu befolgen, und wir können es hier<lb/>
ganz unbedenklich, da jene Vor&#x017F;chriften ganz als der Aus-<lb/>
druck allgemeiner, bleibender Grund&#x017F;ätze anzu&#x017F;ehen &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
daß dabei nicht, wie bei den Te&#x017F;tamenten, theilwei&#x017F;e blos<lb/>
zufällige, hi&#x017F;tori&#x017F;che An&#x017F;ichten eingewirkt haben.</p><lb/>
            <p>Halten wir uns ganz an die&#x017F;e Analogie, &#x017F;o werden wir<lb/>
dadurch zu folgenden Regeln über die Einwirkung neuer<lb/>
Ge&#x017F;etze auf die Inte&#x017F;taterbfolge geführt.</p><lb/>
            <p>1. Ein neues Ge&#x017F;etz, erla&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">vor dem Erbanfall</hi>,<lb/>
muß &#x017F;tets auf den einzelnen Fall in der Inte&#x017F;taterbfolge<lb/>
einwirken.</p><lb/>
            <p>2. Als Zeitpunkt des Erbanfalls i&#x017F;t zu betrachten:</p><lb/>
            <list>
              <item><hi rendition="#aq">a.</hi> Wenn kein Te&#x017F;tament vorhanden i&#x017F;t, die To-<lb/>
deszeit.</item><lb/>
              <item><hi rendition="#aq">b.</hi> Wenn ein Te&#x017F;tament vorhanden i&#x017F;t, der Zeit-<lb/>
punkt, in welchem es zur Gewißheit wird,<lb/>
daß eine te&#x017F;tamentari&#x017F;che Erbfolge nicht<lb/>
eintritt.</item>
            </list><lb/>
            <p>3. Ein <hi rendition="#g">nach dem Erbanfall</hi> erla&#x017F;&#x017F;enes Ge&#x017F;etz hat<lb/>
keinen Einfluß, &#x017F;elb&#x017F;t wenn es in der Zwi&#x017F;chenzeit zwi&#x017F;chen<lb/>
dem Erbanfall und dem Antritt der Erb&#x017F;chaft er&#x017F;cheint.<lb/>
Die&#x017F;er letzte Satz wird von den mei&#x017F;ten Rechtslehrern an-<lb/>
erkannt <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#g">Weber</hi> S. 96. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Chabot</hi><lb/>
T. 1 p. 379. (&#x201E;au moment de<lb/>
l&#x2019;ouverture de la succession&#x201C;).</hi></note>, von manchen aber be&#x017F;tritten <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#g">Hei&#x017F;e</hi> und <hi rendition="#g">Cropp</hi> juri-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;che Abhandlungen, B. 2 S.<lb/>
123&#x2014;124, 130&#x2014;132.</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[489/0511] §. 395. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht. (Fortſ.) die Analogie der für die thatſächlichen Veränderungen gege- benen Vorſchriften zu befolgen, und wir können es hier ganz unbedenklich, da jene Vorſchriften ganz als der Aus- druck allgemeiner, bleibender Grundſätze anzuſehen ſind, ſo daß dabei nicht, wie bei den Teſtamenten, theilweiſe blos zufällige, hiſtoriſche Anſichten eingewirkt haben. Halten wir uns ganz an dieſe Analogie, ſo werden wir dadurch zu folgenden Regeln über die Einwirkung neuer Geſetze auf die Inteſtaterbfolge geführt. 1. Ein neues Geſetz, erlaſſen vor dem Erbanfall, muß ſtets auf den einzelnen Fall in der Inteſtaterbfolge einwirken. 2. Als Zeitpunkt des Erbanfalls iſt zu betrachten: a. Wenn kein Teſtament vorhanden iſt, die To- deszeit. b. Wenn ein Teſtament vorhanden iſt, der Zeit- punkt, in welchem es zur Gewißheit wird, daß eine teſtamentariſche Erbfolge nicht eintritt. 3. Ein nach dem Erbanfall erlaſſenes Geſetz hat keinen Einfluß, ſelbſt wenn es in der Zwiſchenzeit zwiſchen dem Erbanfall und dem Antritt der Erbſchaft erſcheint. Dieſer letzte Satz wird von den meiſten Rechtslehrern an- erkannt (g), von manchen aber beſtritten (h). (g) Weber S. 96. Chabot T. 1 p. 379. („au moment de l’ouverture de la succession“). (h) Heiſe und Cropp juri- ſtiſche Abhandlungen, B. 2 S. 123—124, 130—132.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/511
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/511>, abgerufen am 17.05.2024.