Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 348. Widerstreit. Territorialrechte in verschied. Staaten.
Staat kann die Geltung seines Gesetzes außer seinen
Gränzen fordern (a).

Ich will nicht nur die Wahrheit dieser Sätze einräumen,
sondern selbst ihre Ausdehnung bis zu den äußersten denk-
baren Gränzen anerkennen, glaube aber, daß sie für die
Lösung unsrer Aufgabe wenig Hülfe gewähren.

Die weiteste Ausdehnung der unabhängigen Staats-
gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen
Rechtlosigkeit der Fremden führen. Eine solche Auffassung
ist dem Römischen Völkerrecht nicht fremd (b), und auch
da, wo sie von den Römern gegen das Ausland nicht
geltend gemacht wird, ist wenigstens ein großer Unterschied
in der Rechtsfähigkeit zwischen Römern und Fremden stets
festgehalten worden (§ 346). -- Das heutige Recht dagegen
hat allmälig zur Anerkennung vollständiger Rechtsgleichheit
zwischen Einheimischen und Fremden hingeführt (c).

Mit dieser Rechtsgleichheit der Personen ist jedoch
über die Frage wegen der Collision zwischen dem einhei-
mischen und fremden Rechte noch gar nicht entschieden.
Vor Allem müssen wir anerkennen, daß, wenn einheimische

(a) Huber § 2, Story
§ 18--21.
(b) Das R. R. wendet diese
Rechtlosigkeit, und zwar mit gegen-
seitigen Folgen, nicht nur auf
hostes an, deren Begriff einen
erklärten Krieg voraussetzt, sondern
selbst auf alle Bürger solcher
Staaten, mit welchen Rom weder
foedus noch amicitia gegründet
hat. L. 5 § 2 de capt. (49. 15)
(c) Wächter I. S. 253 II.
S. 33--34. 181. Puchta Pan-
dekten § 45. 112. Eichhorn
deutsches Recht § 75.

§. 348. Widerſtreit. Territorialrechte in verſchied. Staaten.
Staat kann die Geltung ſeines Geſetzes außer ſeinen
Gränzen fordern (a).

Ich will nicht nur die Wahrheit dieſer Sätze einräumen,
ſondern ſelbſt ihre Ausdehnung bis zu den äußerſten denk-
baren Gränzen anerkennen, glaube aber, daß ſie für die
Löſung unſrer Aufgabe wenig Hülfe gewähren.

Die weiteſte Ausdehnung der unabhängigen Staats-
gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen
Rechtloſigkeit der Fremden führen. Eine ſolche Auffaſſung
iſt dem Römiſchen Völkerrecht nicht fremd (b), und auch
da, wo ſie von den Römern gegen das Ausland nicht
geltend gemacht wird, iſt wenigſtens ein großer Unterſchied
in der Rechtsfähigkeit zwiſchen Römern und Fremden ſtets
feſtgehalten worden (§ 346). — Das heutige Recht dagegen
hat allmälig zur Anerkennung vollſtändiger Rechtsgleichheit
zwiſchen Einheimiſchen und Fremden hingeführt (c).

Mit dieſer Rechtsgleichheit der Perſonen iſt jedoch
über die Frage wegen der Colliſion zwiſchen dem einhei-
miſchen und fremden Rechte noch gar nicht entſchieden.
Vor Allem müſſen wir anerkennen, daß, wenn einheimiſche

(a) Huber § 2, Story
§ 18—21.
(b) Das R. R. wendet dieſe
Rechtloſigkeit, und zwar mit gegen-
ſeitigen Folgen, nicht nur auf
hostes an, deren Begriff einen
erklärten Krieg vorausſetzt, ſondern
ſelbſt auf alle Bürger ſolcher
Staaten, mit welchen Rom weder
foedus noch amicitia gegründet
hat. L. 5 § 2 de capt. (49. 15)
(c) Wächter I. S. 253 II.
S. 33—34. 181. Puchta Pan-
dekten § 45. 112. Eichhorn
deutſches Recht § 75.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0047" n="25"/><fw place="top" type="header">§. 348. Wider&#x017F;treit. Territorialrechte in ver&#x017F;chied. Staaten.</fw><lb/>
Staat kann die Geltung &#x017F;eines Ge&#x017F;etzes außer &#x017F;einen<lb/>
Gränzen fordern <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Huber</hi> § 2, <hi rendition="#k">Story</hi></hi><lb/>
§ 18&#x2014;21.</note>.</p><lb/>
            <p>Ich will nicht nur die Wahrheit die&#x017F;er Sätze einräumen,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t ihre Ausdehnung bis zu den äußer&#x017F;ten denk-<lb/>
baren Gränzen anerkennen, glaube aber, daß &#x017F;ie für die<lb/>&#x017F;ung un&#x017F;rer Aufgabe wenig Hülfe gewähren.</p><lb/>
            <p>Die weite&#x017F;te Ausdehnung der unabhängigen Staats-<lb/>
gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen<lb/>
Rechtlo&#x017F;igkeit der Fremden führen. Eine &#x017F;olche Auffa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
i&#x017F;t dem Römi&#x017F;chen Völkerrecht nicht fremd <note place="foot" n="(b)">Das R. R. wendet die&#x017F;e<lb/>
Rechtlo&#x017F;igkeit, und zwar mit gegen-<lb/>
&#x017F;eitigen Folgen, nicht nur auf<lb/><hi rendition="#aq">hostes</hi> an, deren Begriff einen<lb/>
erklärten Krieg voraus&#x017F;etzt, &#x017F;ondern<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t auf alle Bürger &#x017F;olcher<lb/>
Staaten, mit welchen Rom weder<lb/><hi rendition="#aq">foedus</hi> noch <hi rendition="#aq">amicitia</hi> gegründet<lb/>
hat. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 2 <hi rendition="#i">de capt.</hi></hi> (49. 15)</note>, und auch<lb/>
da, wo &#x017F;ie von den Römern gegen das Ausland nicht<lb/>
geltend gemacht wird, i&#x017F;t wenig&#x017F;tens ein großer Unter&#x017F;chied<lb/>
in der Rechtsfähigkeit zwi&#x017F;chen Römern und Fremden &#x017F;tets<lb/>
fe&#x017F;tgehalten worden (§ 346). &#x2014; Das heutige Recht dagegen<lb/>
hat allmälig zur Anerkennung voll&#x017F;tändiger Rechtsgleichheit<lb/>
zwi&#x017F;chen Einheimi&#x017F;chen und Fremden hingeführt <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#g">Wächter</hi><hi rendition="#aq">I.</hi> S. 253 <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/>
S. 33&#x2014;34. 181. <hi rendition="#g">Puchta</hi> Pan-<lb/>
dekten § 45. 112. <hi rendition="#g">Eichhorn</hi><lb/>
deut&#x017F;ches Recht § 75.</note>.</p><lb/>
            <p>Mit die&#x017F;er Rechtsgleichheit der <hi rendition="#g">Per&#x017F;onen</hi> i&#x017F;t jedoch<lb/>
über die Frage wegen der Colli&#x017F;ion zwi&#x017F;chen dem einhei-<lb/>
mi&#x017F;chen und fremden <hi rendition="#g">Rechte</hi> noch gar nicht ent&#x017F;chieden.<lb/>
Vor Allem mü&#x017F;&#x017F;en wir anerkennen, daß, wenn einheimi&#x017F;che<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0047] §. 348. Widerſtreit. Territorialrechte in verſchied. Staaten. Staat kann die Geltung ſeines Geſetzes außer ſeinen Gränzen fordern (a). Ich will nicht nur die Wahrheit dieſer Sätze einräumen, ſondern ſelbſt ihre Ausdehnung bis zu den äußerſten denk- baren Gränzen anerkennen, glaube aber, daß ſie für die Löſung unſrer Aufgabe wenig Hülfe gewähren. Die weiteſte Ausdehnung der unabhängigen Staats- gewalt in Beziehung auf Fremde könnte bis zur völligen Rechtloſigkeit der Fremden führen. Eine ſolche Auffaſſung iſt dem Römiſchen Völkerrecht nicht fremd (b), und auch da, wo ſie von den Römern gegen das Ausland nicht geltend gemacht wird, iſt wenigſtens ein großer Unterſchied in der Rechtsfähigkeit zwiſchen Römern und Fremden ſtets feſtgehalten worden (§ 346). — Das heutige Recht dagegen hat allmälig zur Anerkennung vollſtändiger Rechtsgleichheit zwiſchen Einheimiſchen und Fremden hingeführt (c). Mit dieſer Rechtsgleichheit der Perſonen iſt jedoch über die Frage wegen der Colliſion zwiſchen dem einhei- miſchen und fremden Rechte noch gar nicht entſchieden. Vor Allem müſſen wir anerkennen, daß, wenn einheimiſche (a) Huber § 2, Story § 18—21. (b) Das R. R. wendet dieſe Rechtloſigkeit, und zwar mit gegen- ſeitigen Folgen, nicht nur auf hostes an, deren Begriff einen erklärten Krieg vorausſetzt, ſondern ſelbſt auf alle Bürger ſolcher Staaten, mit welchen Rom weder foedus noch amicitia gegründet hat. L. 5 § 2 de capt. (49. 15) (c) Wächter I. S. 253 II. S. 33—34. 181. Puchta Pan- dekten § 45. 112. Eichhorn deutſches Recht § 75.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/47
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/47>, abgerufen am 24.04.2024.