Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Die Richtigkeit dieser Behauptung wird durch die Ver- gleichung mit folgendem Fall bestätigt. Wenn ein Minder- jähriger für volljährig erklärt wird, sey es durch den Lan- desherrn (nach Römischem Recht), oder durch ein Vormund- schaftsgericht (nach Preußischem Recht), so wird Niemand zweifeln, daß für ihn die Volljährigkeit mit ihren Folgen die Natur eines erworbenen Rechts hat. Gesetzt nun, daß bald nachher, und ehe diese bestimmte Person das gesetzliche Alter erreicht hat, in diesem Lande die Volljährigkeits- erklärung überhaupt abgeschafft würde, so müßte doch diese Person fortwährend als volljährig anzusehen seyn. Was aber in einem solchen Fall der Ausspruch des Landesherrn oder des Gerichts gewährt, darf auch Dem nicht versagt werden, der unter der Herrschaft des alten Gesetzes das von diesem vorgeschriebene Alter erreicht hat.
Die hier aufgestellte Ansicht hat in der Preußischen Gesetzgebung vielfache Anerkennung gefunden.
Das Einführungspatent des A. L. R. in die Provinzen jenseits der Elbe vom 9. Septbr. 1814 enthält im § 14 folgende Worte (b): Die Volljährigkeit tritt in Ansehung aller derjenigen Personen, welche solche vor dem 1. Januar 1815(c)nach den bisherigen Gesetzen noch nicht erreicht haben, erst mit dem vollendeten vier und zwanzigsten Jahre ein.
(b) Gesetzsammlung 1814 S. 93.
(c) Der 1. Jan. 1815 war der Tag, an welchem das Landrecht Gesetzeskraft erhalten sollte.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Die Richtigkeit dieſer Behauptung wird durch die Ver- gleichung mit folgendem Fall beſtätigt. Wenn ein Minder- jähriger für volljährig erklärt wird, ſey es durch den Lan- desherrn (nach Römiſchem Recht), oder durch ein Vormund- ſchaftsgericht (nach Preußiſchem Recht), ſo wird Niemand zweifeln, daß für ihn die Volljährigkeit mit ihren Folgen die Natur eines erworbenen Rechts hat. Geſetzt nun, daß bald nachher, und ehe dieſe beſtimmte Perſon das geſetzliche Alter erreicht hat, in dieſem Lande die Volljährigkeits- erklärung überhaupt abgeſchafft würde, ſo müßte doch dieſe Perſon fortwährend als volljährig anzuſehen ſeyn. Was aber in einem ſolchen Fall der Ausſpruch des Landesherrn oder des Gerichts gewährt, darf auch Dem nicht verſagt werden, der unter der Herrſchaft des alten Geſetzes das von dieſem vorgeſchriebene Alter erreicht hat.
Die hier aufgeſtellte Anſicht hat in der Preußiſchen Geſetzgebung vielfache Anerkennung gefunden.
Das Einführungspatent des A. L. R. in die Provinzen jenſeits der Elbe vom 9. Septbr. 1814 enthält im § 14 folgende Worte (b): Die Volljährigkeit tritt in Anſehung aller derjenigen Perſonen, welche ſolche vor dem 1. Januar 1815(c)nach den bisherigen Geſetzen noch nicht erreicht haben, erſt mit dem vollendeten vier und zwanzigſten Jahre ein.
(b) Geſetzſammlung 1814 S. 93.
(c) Der 1. Jan. 1815 war der Tag, an welchem das Landrecht Geſetzeskraft erhalten ſollte.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Die Richtigkeit dieſer Behauptung wird durch die Ver-
gleichung mit folgendem Fall beſtätigt. Wenn ein Minder-
jähriger für volljährig erklärt wird, ſey es durch den Lan-
desherrn (nach Römiſchem Recht), oder durch ein Vormund-
ſchaftsgericht (nach Preußiſchem Recht), ſo wird Niemand
zweifeln, daß für ihn die Volljährigkeit mit ihren Folgen
die Natur eines erworbenen Rechts hat. Geſetzt nun, daß
bald nachher, und ehe dieſe beſtimmte Perſon das geſetzliche
Alter erreicht hat, in dieſem Lande die Volljährigkeits-
erklärung überhaupt abgeſchafft würde, ſo müßte doch dieſe
Perſon fortwährend als volljährig anzuſehen ſeyn. Was
aber in einem ſolchen Fall der Ausſpruch des Landesherrn
oder des Gerichts gewährt, darf auch Dem nicht verſagt
werden, der unter der Herrſchaft des alten Geſetzes das
von dieſem vorgeſchriebene Alter erreicht hat.
Die hier aufgeſtellte Anſicht hat in der Preußiſchen
Geſetzgebung vielfache Anerkennung gefunden.
Das Einführungspatent des A. L. R. in die Provinzen
jenſeits der Elbe vom 9. Septbr. 1814 enthält im § 14
folgende Worte (b):
Die Volljährigkeit tritt in Anſehung aller derjenigen
Perſonen, welche ſolche vor dem 1. Januar
1815 (c) nach den bisherigen Geſetzen noch
nicht erreicht haben, erſt mit dem vollendeten
vier und zwanzigſten Jahre ein.
(b) Geſetzſammlung 1814 S. 93.
(c) Der 1. Jan. 1815
war der Tag, an welchem das Landrecht Geſetzeskraft erhalten ſollte.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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