könnte. In der That aber ist Beides identisch, und die Univer- salsuccession ist nur die juristische Form und der Kunstaus- druck für die Auffassung des Erbrechts, die den Sitz dessel- ben allgemein (ohne Unterschied der Bestandtheile des Ver- mögens) in den Wohnsitz verlegt. So aufgefaßt, muß also die aufgestellte Unterscheidung unter folgenden Ausdruck ge- bracht werden: Vom Standpunkte der Länder und der Schriftsteller aus, die das Erbrecht auf das Vermögen als Ganzes beziehen, ist die lex domicilii entscheidend auch für Immobilien, von einem anderen Standpunkt aus ist sie es nicht. In diesem Sinn aber wird die Unterscheidung auch gewiß von keiner Seite bezweifelt werden.
Weit wichtiger ist folgender Grund, der nicht selten zur Rechtfertigung der vermittelnden Meinung (unter B.) gel- tend gemacht wird. Es giebt gewisse Arten von Grund- stücken, sagt man, von welchen Jeder zugiebt, daß bei ihnen die Erbfolge nach der lex rei sitae zu beurtheilen ist; da- hin gehören namentlich Lehen und Fideicommisse. Was nun bei diesen allgemein eingeräumt wird, muß consequenter- weise auch bei allen anderen Grundstücken gelten. -- Be- trachten wir diesen Grund etwas genauer.
Mit den Lehen und Fideicommissen verhält es sich auf ähnliche Weise, wie mit dem Römischen Niesbrauch: sie gehören nicht zum Vermögen, also auch nicht zur Erbschaft. Der Niesbraucher hat ein lebenslängliches Recht des Frucht- genusses; dieses allein ist in seinem Vermögen, mit dem Tode verschwindet es, also ist in der Erbschaft keine Spur mehr
VIII. 20
§. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
könnte. In der That aber iſt Beides identiſch, und die Univer- ſalſucceſſion iſt nur die juriſtiſche Form und der Kunſtaus- druck für die Auffaſſung des Erbrechts, die den Sitz deſſel- ben allgemein (ohne Unterſchied der Beſtandtheile des Ver- mögens) in den Wohnſitz verlegt. So aufgefaßt, muß alſo die aufgeſtellte Unterſcheidung unter folgenden Ausdruck ge- bracht werden: Vom Standpunkte der Länder und der Schriftſteller aus, die das Erbrecht auf das Vermögen als Ganzes beziehen, iſt die lex domicilii entſcheidend auch für Immobilien, von einem anderen Standpunkt aus iſt ſie es nicht. In dieſem Sinn aber wird die Unterſcheidung auch gewiß von keiner Seite bezweifelt werden.
Weit wichtiger iſt folgender Grund, der nicht ſelten zur Rechtfertigung der vermittelnden Meinung (unter B.) gel- tend gemacht wird. Es giebt gewiſſe Arten von Grund- ſtücken, ſagt man, von welchen Jeder zugiebt, daß bei ihnen die Erbfolge nach der lex rei sitae zu beurtheilen iſt; da- hin gehören namentlich Lehen und Fideicommiſſe. Was nun bei dieſen allgemein eingeräumt wird, muß conſequenter- weiſe auch bei allen anderen Grundſtücken gelten. — Be- trachten wir dieſen Grund etwas genauer.
Mit den Lehen und Fideicommiſſen verhält es ſich auf ähnliche Weiſe, wie mit dem Römiſchen Niesbrauch: ſie gehören nicht zum Vermögen, alſo auch nicht zur Erbſchaft. Der Niesbraucher hat ein lebenslängliches Recht des Frucht- genuſſes; dieſes allein iſt in ſeinem Vermögen, mit dem Tode verſchwindet es, alſo iſt in der Erbſchaft keine Spur mehr
VIII. 20
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§. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
könnte. In der That aber iſt Beides identiſch, und die Univer-
ſalſucceſſion iſt nur die juriſtiſche Form und der Kunſtaus-
druck für die Auffaſſung des Erbrechts, die den Sitz deſſel-
ben allgemein (ohne Unterſchied der Beſtandtheile des Ver-
mögens) in den Wohnſitz verlegt. So aufgefaßt, muß alſo
die aufgeſtellte Unterſcheidung unter folgenden Ausdruck ge-
bracht werden: Vom Standpunkte der Länder und der
Schriftſteller aus, die das Erbrecht auf das Vermögen als
Ganzes beziehen, iſt die lex domicilii entſcheidend auch für
Immobilien, von einem anderen Standpunkt aus iſt ſie es
nicht. In dieſem Sinn aber wird die Unterſcheidung auch
gewiß von keiner Seite bezweifelt werden.
Weit wichtiger iſt folgender Grund, der nicht ſelten zur
Rechtfertigung der vermittelnden Meinung (unter B.) gel-
tend gemacht wird. Es giebt gewiſſe Arten von Grund-
ſtücken, ſagt man, von welchen Jeder zugiebt, daß bei ihnen
die Erbfolge nach der lex rei sitae zu beurtheilen iſt; da-
hin gehören namentlich Lehen und Fideicommiſſe. Was nun
bei dieſen allgemein eingeräumt wird, muß conſequenter-
weiſe auch bei allen anderen Grundſtücken gelten. — Be-
trachten wir dieſen Grund etwas genauer.
Mit den Lehen und Fideicommiſſen verhält es ſich auf
ähnliche Weiſe, wie mit dem Römiſchen Niesbrauch: ſie
gehören nicht zum Vermögen, alſo auch nicht zur Erbſchaft.
Der Niesbraucher hat ein lebenslängliches Recht des Frucht-
genuſſes; dieſes allein iſt in ſeinem Vermögen, mit dem Tode
verſchwindet es, alſo iſt in der Erbſchaft keine Spur mehr
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/327>, abgerufen am 16.07.2024.
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