Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
des Beklagten unter diesen Gerichtsstand anzunehmen, wenn nicht eine entgegengesetzte ausdrückliche Erklärung ihn ausschließt.
Die hier vorgetragene Lehre ist oben zusammengestellt worden mit einer anderen, theilweise ähnlichen, deren Prüfung und Widerlegung nun noch nachgeholt werden muß (S. 210). Diese andere Lehre lautet, auf eine consequente Spitze getrieben, also. Für jede Obligation läßt sich stets ein bestimmter Ort angeben, an welchem sie erfüllt werden muß. Dieser kann durch den Willen der Parteien festge- stellt seyn; wo diese Feststellung fehlt, da sorgt das Gesetz für einen bestimmten Erfüllungsort. In beiden Fällen ist der Gerichtsstand der Obligation an diesem Erfüllungsort begründet.
Diese ganze Lehre steht und fällt mit der Behauptung, daß es für jede Obligation einen gesetzlichen Erfüllungs- ort gebe; prüfen wir also vor Allem die Richtigkeit dieser Behauptung. Es ließe sich etwa denken, daß gesetzlich be- stimmt wäre, jede Obligation müsse da erfüllt werden, wo sie entstanden wäre; dann wäre das forum contractus im buchstäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des geschlossenen Vertrags als Erfüllungsort vorgeschrieben wäre (u), und an innerem Zusammenhang würde es dann
(u) So nahm es früher Linde (Archiv S. 61--63 S. 75), er
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
des Beklagten unter dieſen Gerichtsſtand anzunehmen, wenn nicht eine entgegengeſetzte ausdrückliche Erklärung ihn ausſchließt.
Die hier vorgetragene Lehre iſt oben zuſammengeſtellt worden mit einer anderen, theilweiſe ähnlichen, deren Prüfung und Widerlegung nun noch nachgeholt werden muß (S. 210). Dieſe andere Lehre lautet, auf eine conſequente Spitze getrieben, alſo. Für jede Obligation läßt ſich ſtets ein beſtimmter Ort angeben, an welchem ſie erfüllt werden muß. Dieſer kann durch den Willen der Parteien feſtge- ſtellt ſeyn; wo dieſe Feſtſtellung fehlt, da ſorgt das Geſetz für einen beſtimmten Erfüllungsort. In beiden Fällen iſt der Gerichtsſtand der Obligation an dieſem Erfüllungsort begründet.
Dieſe ganze Lehre ſteht und fällt mit der Behauptung, daß es für jede Obligation einen geſetzlichen Erfüllungs- ort gebe; prüfen wir alſo vor Allem die Richtigkeit dieſer Behauptung. Es ließe ſich etwa denken, daß geſetzlich be- ſtimmt wäre, jede Obligation müſſe da erfüllt werden, wo ſie entſtanden wäre; dann wäre das forum contractus im buchſtäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des geſchloſſenen Vertrags als Erfüllungsort vorgeſchrieben wäre (u), und an innerem Zuſammenhang würde es dann
(u) So nahm es früher Linde (Archiv S. 61—63 S. 75), er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0250"n="228"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
des Beklagten unter dieſen Gerichtsſtand anzunehmen,<lb/>
wenn nicht eine entgegengeſetzte ausdrückliche Erklärung<lb/>
ihn ausſchließt.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die hier vorgetragene Lehre iſt oben zuſammengeſtellt<lb/>
worden mit einer anderen, theilweiſe ähnlichen, deren Prüfung<lb/>
und Widerlegung nun noch nachgeholt werden muß<lb/>
(S. 210). Dieſe andere Lehre lautet, auf eine conſequente<lb/>
Spitze getrieben, alſo. Für jede Obligation läßt ſich ſtets<lb/>
ein beſtimmter Ort angeben, an welchem ſie erfüllt werden<lb/>
muß. Dieſer kann durch den Willen der Parteien feſtge-<lb/>ſtellt ſeyn; wo dieſe Feſtſtellung fehlt, da ſorgt das Geſetz<lb/>
für einen beſtimmten Erfüllungsort. In beiden Fällen iſt<lb/>
der Gerichtsſtand der Obligation an dieſem Erfüllungsort<lb/>
begründet.</p><lb/><p>Dieſe ganze Lehre ſteht und fällt mit der Behauptung,<lb/>
daß es für jede Obligation einen geſetzlichen Erfüllungs-<lb/>
ort gebe; prüfen wir alſo vor Allem die Richtigkeit dieſer<lb/>
Behauptung. Es ließe ſich etwa denken, daß geſetzlich be-<lb/>ſtimmt wäre, jede Obligation müſſe da erfüllt werden, wo<lb/>ſie entſtanden wäre; dann wäre das <hirendition="#aq">forum contractus</hi> im<lb/>
buchſtäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des<lb/>
geſchloſſenen Vertrags als Erfüllungsort vorgeſchrieben<lb/>
wäre <notexml:id="seg2pn_20_1"next="#seg2pn_20_2"place="foot"n="(u)">So nahm es früher <hirendition="#g">Linde</hi> (Archiv S. 61—63 S. 75), er</note>, und an innerem Zuſammenhang würde es dann<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[228/0250]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
des Beklagten unter dieſen Gerichtsſtand anzunehmen,
wenn nicht eine entgegengeſetzte ausdrückliche Erklärung
ihn ausſchließt.
Die hier vorgetragene Lehre iſt oben zuſammengeſtellt
worden mit einer anderen, theilweiſe ähnlichen, deren Prüfung
und Widerlegung nun noch nachgeholt werden muß
(S. 210). Dieſe andere Lehre lautet, auf eine conſequente
Spitze getrieben, alſo. Für jede Obligation läßt ſich ſtets
ein beſtimmter Ort angeben, an welchem ſie erfüllt werden
muß. Dieſer kann durch den Willen der Parteien feſtge-
ſtellt ſeyn; wo dieſe Feſtſtellung fehlt, da ſorgt das Geſetz
für einen beſtimmten Erfüllungsort. In beiden Fällen iſt
der Gerichtsſtand der Obligation an dieſem Erfüllungsort
begründet.
Dieſe ganze Lehre ſteht und fällt mit der Behauptung,
daß es für jede Obligation einen geſetzlichen Erfüllungs-
ort gebe; prüfen wir alſo vor Allem die Richtigkeit dieſer
Behauptung. Es ließe ſich etwa denken, daß geſetzlich be-
ſtimmt wäre, jede Obligation müſſe da erfüllt werden, wo
ſie entſtanden wäre; dann wäre das forum contractus im
buchſtäblichen Sinne dadurch begründet, daß der Ort des
geſchloſſenen Vertrags als Erfüllungsort vorgeſchrieben
wäre (u), und an innerem Zuſammenhang würde es dann
(u) So nahm es früher Linde (Archiv S. 61—63 S. 75), er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/250>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.