Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation. jener Lehre nicht fehlen. Allein weder diese, noch irgendeine ähnliche Regel über den gesetzlichen Erfüllungsort ist wahr. Vielmehr lautet die wahre Regel so, daß in Er- mangelung eines vertragsmäßigen Erfüllungsorts der Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird (ubi petitur) (v), so daß es ganz in der Willkür des Klägers steht, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen will, natürlich vorausgesetzt, daß er an diesem Ort einen Gerichtsstand findet, welchen der Beklagte anzuerkennen verpflichtet ist. Anstatt also daß nach jener Lehre der ge- setzliche Erfüllungsort den Gerichtsstand bestimmen sollte, wird gerade umgekehrt der gesetzliche Erfüllungsort bestimmt durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsstand, sobald nur der Gläubiger beschließt, des einen oder des anderen Ge- richtsstandes sich zu bedienen. Nach Römischem Recht nun war für jeden Schuldner sowohl das forum originis be- gründet, als das forum domicilii, welche beide ganz ver- schieden seyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren Städten Bürger seyn, auch in mehreren Städten einen wahren Wohnsitz haben. Dann hatte der Kläger freie Wahl, an welchem unter diesen vielen Orten er klagen wollte, und wo er immer klagte, da war zugleich wurde aber selbst später irre an diesem Grundsatz (Abhandlungen II. S. 111). Daß er ihn theilweise beibehalten hat, wird sogleich ge- zeigt werden. (v) L. 1 de ann. leg. (33. 1),
L. 38 de jud. (5. 1), L. 47 § 1 de leg. 1 (30. un.), L. 4 de cond. trit. (13. 3), L. 22 de reb. cred. (12. 1). §. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation. jener Lehre nicht fehlen. Allein weder dieſe, noch irgendeine ähnliche Regel über den geſetzlichen Erfüllungsort iſt wahr. Vielmehr lautet die wahre Regel ſo, daß in Er- mangelung eines vertragsmäßigen Erfüllungsorts der Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird (ubi petitur) (v), ſo daß es ganz in der Willkür des Klägers ſteht, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen will, natürlich vorausgeſetzt, daß er an dieſem Ort einen Gerichtsſtand findet, welchen der Beklagte anzuerkennen verpflichtet iſt. Anſtatt alſo daß nach jener Lehre der ge- ſetzliche Erfüllungsort den Gerichtsſtand beſtimmen ſollte, wird gerade umgekehrt der geſetzliche Erfüllungsort beſtimmt durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsſtand, ſobald nur der Gläubiger beſchließt, des einen oder des anderen Ge- richtsſtandes ſich zu bedienen. Nach Römiſchem Recht nun war für jeden Schuldner ſowohl das forum originis be- gründet, als das forum domicilii, welche beide ganz ver- ſchieden ſeyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren Städten Bürger ſeyn, auch in mehreren Städten einen wahren Wohnſitz haben. Dann hatte der Kläger freie Wahl, an welchem unter dieſen vielen Orten er klagen wollte, und wo er immer klagte, da war zugleich wurde aber ſelbſt ſpäter irre an dieſem Grundſatz (Abhandlungen II. S. 111). Daß er ihn theilweiſe beibehalten hat, wird ſogleich ge- zeigt werden. (v) L. 1 de ann. leg. (33. 1),
L. 38 de jud. (5. 1), L. 47 § 1 de leg. 1 (30. un.), L. 4 de cond. trit. (13. 3), L. 22 de reb. cred. (12. 1). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0251" n="229"/><fw place="top" type="header">§. 370. <hi rendition="#aq">III.</hi> Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.</fw><lb/> jener Lehre nicht fehlen. Allein weder dieſe, noch irgend<lb/> eine ähnliche Regel über den geſetzlichen Erfüllungsort iſt<lb/> wahr. Vielmehr lautet die wahre Regel ſo, daß in Er-<lb/> mangelung eines vertragsmäßigen Erfüllungsorts der<lb/> Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird<lb/><hi rendition="#aq">(ubi petitur)</hi> <note place="foot" n="(v)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1 <hi rendition="#i">de ann. leg.</hi> (33. 1),<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 38 <hi rendition="#i">de jud.</hi> (5. 1), <hi rendition="#i">L.</hi> 47 § 1<lb/><hi rendition="#i">de leg.</hi> 1 (30. un.), <hi rendition="#i">L.</hi> 4 <hi rendition="#i">de cond.<lb/> trit.</hi> (13. 3), <hi rendition="#i">L.</hi> 22 <hi rendition="#i">de reb. cred.</hi></hi><lb/> (12. 1).</note>, ſo daß es ganz in der Willkür des<lb/> Klägers ſteht, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen<lb/> will, natürlich vorausgeſetzt, daß er an dieſem Ort einen<lb/> Gerichtsſtand findet, welchen der Beklagte anzuerkennen<lb/> verpflichtet iſt. Anſtatt alſo daß nach jener Lehre der ge-<lb/> ſetzliche Erfüllungsort den Gerichtsſtand beſtimmen ſollte,<lb/> wird gerade umgekehrt der geſetzliche Erfüllungsort beſtimmt<lb/> durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsſtand, ſobald nur<lb/> der Gläubiger beſchließt, des einen oder des anderen Ge-<lb/> richtsſtandes ſich zu bedienen. Nach Römiſchem Recht nun<lb/> war für jeden Schuldner ſowohl das <hi rendition="#aq">forum originis</hi> be-<lb/> gründet, als das <hi rendition="#aq">forum domicilii,</hi> welche beide ganz ver-<lb/> ſchieden ſeyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren<lb/> Städten Bürger ſeyn, auch in mehreren Städten einen<lb/> wahren Wohnſitz haben. Dann hatte der Kläger freie<lb/> Wahl, an welchem unter dieſen vielen Orten er<lb/> klagen wollte, und wo er immer klagte, da war zugleich<lb/><note xml:id="seg2pn_20_2" prev="#seg2pn_20_1" place="foot" n="(u)">wurde aber ſelbſt ſpäter irre an<lb/> dieſem Grundſatz (Abhandlungen <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> S. 111). Daß er ihn theilweiſe<lb/> beibehalten hat, wird ſogleich ge-<lb/> zeigt werden.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [229/0251]
§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.
jener Lehre nicht fehlen. Allein weder dieſe, noch irgend
eine ähnliche Regel über den geſetzlichen Erfüllungsort iſt
wahr. Vielmehr lautet die wahre Regel ſo, daß in Er-
mangelung eines vertragsmäßigen Erfüllungsorts der
Schuldner erfüllen muß da, wo er gerade verklagt wird
(ubi petitur) (v), ſo daß es ganz in der Willkür des
Klägers ſteht, an welchem Ort er die Erfüllung erzwingen
will, natürlich vorausgeſetzt, daß er an dieſem Ort einen
Gerichtsſtand findet, welchen der Beklagte anzuerkennen
verpflichtet iſt. Anſtatt alſo daß nach jener Lehre der ge-
ſetzliche Erfüllungsort den Gerichtsſtand beſtimmen ſollte,
wird gerade umgekehrt der geſetzliche Erfüllungsort beſtimmt
durch jeden irgendwo begründeten Gerichtsſtand, ſobald nur
der Gläubiger beſchließt, des einen oder des anderen Ge-
richtsſtandes ſich zu bedienen. Nach Römiſchem Recht nun
war für jeden Schuldner ſowohl das forum originis be-
gründet, als das forum domicilii, welche beide ganz ver-
ſchieden ſeyn konnten; ja der Schuldner konnte in mehreren
Städten Bürger ſeyn, auch in mehreren Städten einen
wahren Wohnſitz haben. Dann hatte der Kläger freie
Wahl, an welchem unter dieſen vielen Orten er
klagen wollte, und wo er immer klagte, da war zugleich
(u)
(v) L. 1 de ann. leg. (33. 1),
L. 38 de jud. (5. 1), L. 47 § 1
de leg. 1 (30. un.), L. 4 de cond.
trit. (13. 3), L. 22 de reb. cred.
(12. 1).
(u) wurde aber ſelbſt ſpäter irre an
dieſem Grundſatz (Abhandlungen II.
S. 111). Daß er ihn theilweiſe
beibehalten hat, wird ſogleich ge-
zeigt werden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |