Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsstand der Obligation.
kommt endlich in den Besitz des Käufers. Dabei könnte man
als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab-
sendung, so daß die Empfangnahme blos eine spätere Folge
der vollendeten Erfüllung wäre, oder aber die Empfang-
nahme, so daß die Absendung blos als Vorbereitung der
wirklichen Erfüllung gelten könnte. Im ersten Fall würde
als Erfüllungsort der Wohnsitz des Verkäufers gedacht, im
zweiten Fall der Wohnsitz des Käufers. Welche dieser bei-
den Ansichten ist nun nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen
vorzuziehen? Ich halte die erste für richtig, nach welcher
die eigentliche Erfüllung in der Absendung besteht, der Er-
füllungsort also an dem Wohnsitz des Verkäufers anzuneh-
men ist. Dafür sprechen, wie ich glaube, zwei Bestimmun-
gen des Römischen Rechts. Erstlich der Uebergang der
Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au-
genblick des geschlossenen Kaufs an, also noch ehe das Ei-
genthum durch Uebergabe erworben ist (r). Zweitens die
allgemeinere Regel, nach welcher die versprochene Uebergabe
einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden
kann, wo gerade jetzt die Sache liegt (s). -- Im Preußi-
schen Recht ist diese Ansicht noch unzweifelhafter anerkannt.
Denn hier geht mit der Absendung nicht blos die Gefahr,

(r) § 3 J. de emt. (3. 23).
(s) L. 12 § 1 depos. (16. 3).
Von diesem Satze wird sogleich
noch ausführlicher die Rede seyn.
In Verbindung mit demselben be-
hauptet auch Thöl Handelsrecht
§ 78 Note 5. 6, die Uebergabe
einer Waare müsse in der Regel
da erfolgen, wo der Verkäufer seine
gewöhnliche Waarenniederlage habe.
VIII. 15

§. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation.
kommt endlich in den Beſitz des Käufers. Dabei könnte man
als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab-
ſendung, ſo daß die Empfangnahme blos eine ſpätere Folge
der vollendeten Erfüllung wäre, oder aber die Empfang-
nahme, ſo daß die Abſendung blos als Vorbereitung der
wirklichen Erfüllung gelten könnte. Im erſten Fall würde
als Erfüllungsort der Wohnſitz des Verkäufers gedacht, im
zweiten Fall der Wohnſitz des Käufers. Welche dieſer bei-
den Anſichten iſt nun nach allgemeinen Rechtsgrundſätzen
vorzuziehen? Ich halte die erſte für richtig, nach welcher
die eigentliche Erfüllung in der Abſendung beſteht, der Er-
füllungsort alſo an dem Wohnſitz des Verkäufers anzuneh-
men iſt. Dafür ſprechen, wie ich glaube, zwei Beſtimmun-
gen des Römiſchen Rechts. Erſtlich der Uebergang der
Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au-
genblick des geſchloſſenen Kaufs an, alſo noch ehe das Ei-
genthum durch Uebergabe erworben iſt (r). Zweitens die
allgemeinere Regel, nach welcher die verſprochene Uebergabe
einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden
kann, wo gerade jetzt die Sache liegt (s). — Im Preußi-
ſchen Recht iſt dieſe Anſicht noch unzweifelhafter anerkannt.
Denn hier geht mit der Abſendung nicht blos die Gefahr,

(r) § 3 J. de emt. (3. 23).
(s) L. 12 § 1 depos. (16. 3).
Von dieſem Satze wird ſogleich
noch ausführlicher die Rede ſeyn.
In Verbindung mit demſelben be-
hauptet auch Thöl Handelsrecht
§ 78 Note 5. 6, die Uebergabe
einer Waare müſſe in der Regel
da erfolgen, wo der Verkäufer ſeine
gewöhnliche Waarenniederlage habe.
VIII. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0247" n="225"/><fw place="top" type="header">§. 370. <hi rendition="#aq">III.</hi> Obligationenrecht. Gerichts&#x017F;tand der Obligation.</fw><lb/>
kommt endlich in den Be&#x017F;itz des Käufers. Dabei könnte man<lb/>
als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab-<lb/>
&#x017F;endung, &#x017F;o daß die Empfangnahme blos eine &#x017F;pätere Folge<lb/>
der vollendeten Erfüllung wäre, oder aber die Empfang-<lb/>
nahme, &#x017F;o daß die Ab&#x017F;endung blos als Vorbereitung der<lb/>
wirklichen Erfüllung gelten könnte. Im er&#x017F;ten Fall würde<lb/>
als Erfüllungsort der Wohn&#x017F;itz des Verkäufers gedacht, im<lb/>
zweiten Fall der Wohn&#x017F;itz des Käufers. Welche die&#x017F;er bei-<lb/>
den An&#x017F;ichten i&#x017F;t nun nach allgemeinen Rechtsgrund&#x017F;ätzen<lb/>
vorzuziehen? Ich halte die er&#x017F;te für richtig, nach welcher<lb/>
die eigentliche Erfüllung in der Ab&#x017F;endung be&#x017F;teht, der Er-<lb/>
füllungsort al&#x017F;o an dem Wohn&#x017F;itz des <hi rendition="#g">Verkäufers</hi> anzuneh-<lb/>
men i&#x017F;t. Dafür &#x017F;prechen, wie ich glaube, zwei Be&#x017F;timmun-<lb/>
gen des Römi&#x017F;chen Rechts. Er&#x017F;tlich der Uebergang der<lb/>
Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au-<lb/>
genblick des ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Kaufs an, al&#x017F;o noch ehe das Ei-<lb/>
genthum durch Uebergabe erworben i&#x017F;t <note place="foot" n="(r)">§ 3 <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">J. de emt.</hi></hi> (3. 23).</note>. Zweitens die<lb/>
allgemeinere Regel, nach welcher die ver&#x017F;prochene Uebergabe<lb/>
einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden<lb/>
kann, wo gerade jetzt die Sache liegt <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12 § 1 <hi rendition="#i">depos.</hi></hi> (16. 3).<lb/>
Von die&#x017F;em Satze wird &#x017F;ogleich<lb/>
noch ausführlicher die Rede &#x017F;eyn.<lb/>
In Verbindung mit dem&#x017F;elben be-<lb/>
hauptet auch <hi rendition="#g">Thöl</hi> Handelsrecht<lb/>
§ 78 Note 5. 6, die Uebergabe<lb/>
einer Waare mü&#x017F;&#x017F;e in der Regel<lb/>
da erfolgen, wo der Verkäufer &#x017F;eine<lb/>
gewöhnliche Waarenniederlage habe.</note>. &#x2014; Im Preußi-<lb/>
&#x017F;chen Recht i&#x017F;t die&#x017F;e An&#x017F;icht noch unzweifelhafter anerkannt.<lb/>
Denn hier geht mit der Ab&#x017F;endung nicht blos die Gefahr,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> 15</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0247] §. 370. III. Obligationenrecht. Gerichtsſtand der Obligation. kommt endlich in den Beſitz des Käufers. Dabei könnte man als wahren Inhalt der Obligation denken entweder die Ab- ſendung, ſo daß die Empfangnahme blos eine ſpätere Folge der vollendeten Erfüllung wäre, oder aber die Empfang- nahme, ſo daß die Abſendung blos als Vorbereitung der wirklichen Erfüllung gelten könnte. Im erſten Fall würde als Erfüllungsort der Wohnſitz des Verkäufers gedacht, im zweiten Fall der Wohnſitz des Käufers. Welche dieſer bei- den Anſichten iſt nun nach allgemeinen Rechtsgrundſätzen vorzuziehen? Ich halte die erſte für richtig, nach welcher die eigentliche Erfüllung in der Abſendung beſteht, der Er- füllungsort alſo an dem Wohnſitz des Verkäufers anzuneh- men iſt. Dafür ſprechen, wie ich glaube, zwei Beſtimmun- gen des Römiſchen Rechts. Erſtlich der Uebergang der Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Käufer vom Au- genblick des geſchloſſenen Kaufs an, alſo noch ehe das Ei- genthum durch Uebergabe erworben iſt (r). Zweitens die allgemeinere Regel, nach welcher die verſprochene Uebergabe einer beweglichen Sache nur an dem Orte gefordert werden kann, wo gerade jetzt die Sache liegt (s). — Im Preußi- ſchen Recht iſt dieſe Anſicht noch unzweifelhafter anerkannt. Denn hier geht mit der Abſendung nicht blos die Gefahr, (r) § 3 J. de emt. (3. 23). (s) L. 12 § 1 depos. (16. 3). Von dieſem Satze wird ſogleich noch ausführlicher die Rede ſeyn. In Verbindung mit demſelben be- hauptet auch Thöl Handelsrecht § 78 Note 5. 6, die Uebergabe einer Waare müſſe in der Regel da erfolgen, wo der Verkäufer ſeine gewöhnliche Waarenniederlage habe. VIII. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/247
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/247>, abgerufen am 04.05.2024.