Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Dieser Begriff der origo oder der Herkunft im Sinne des heutigen Rechts ist nun gleichmäßig anzuwenden auf den Gerichtsstand, als forum originis, und auf das örtliche Recht der Person, als lex originis.
Mit dieser Behauptung setzen wir uns auch gar nicht etwa in Widerspruch mit den Bestimmungen des Römischen Rechts, dessen Entscheidung über den hier vorliegenden Fall ich oben einstweilen dahin gestellt gelassen habe (§ 357). Vielmehr glaube ich, daß die Römer diesen Fall ganz eben so entschieden haben würden, wenn ihnen ein solcher Fall vorgekommen wäre. Dafür spricht nicht nur der oben für das heutige Recht geltend gemachte innere Grund, den sie eben so gut, als wir, anerkennen konnten, sondern auch ein auf demselben Grunde beruhender bestimmter Ausspruch über einen nahe liegenden, völlig verwandten Fall. Der Freigelassene konnte seinen Wohnsitz frei wählen, unabhän- gig von dem Wohnsitz seines Patrons (§ 353. v). Dennoch wird daneben gesagt, der Wohnsitz eines Freigelassenen werde bestimmt durch den Wohnsitz des Patrons; eben so sogar der Wohnsitz der Kinder des Freigelassenen, und selbst der von ihm wiederum freigelassenen Sklaven (p). Der scheinbare Widerspruch dieser Aussprüche ist unbedenk- lich auf folgende Weise zu lösen. Im Augenblick der Frei-
(p) S. o. § 353. u. -- Die entscheidenden Stellen sind: L. 6 § 3, L. 22 pr. ad mun. (50. 1), und es ist für das richtige Ver- ständniß dieser Stellen besonders zu vergleichen: Zeitschrift für ge- schichtliche Rechtswiss. B. 9 S. 98.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Dieſer Begriff der origo oder der Herkunft im Sinne des heutigen Rechts iſt nun gleichmäßig anzuwenden auf den Gerichtsſtand, als forum originis, und auf das örtliche Recht der Perſon, als lex originis.
Mit dieſer Behauptung ſetzen wir uns auch gar nicht etwa in Widerſpruch mit den Beſtimmungen des Römiſchen Rechts, deſſen Entſcheidung über den hier vorliegenden Fall ich oben einſtweilen dahin geſtellt gelaſſen habe (§ 357). Vielmehr glaube ich, daß die Römer dieſen Fall ganz eben ſo entſchieden haben würden, wenn ihnen ein ſolcher Fall vorgekommen wäre. Dafür ſpricht nicht nur der oben für das heutige Recht geltend gemachte innere Grund, den ſie eben ſo gut, als wir, anerkennen konnten, ſondern auch ein auf demſelben Grunde beruhender beſtimmter Ausſpruch über einen nahe liegenden, völlig verwandten Fall. Der Freigelaſſene konnte ſeinen Wohnſitz frei wählen, unabhän- gig von dem Wohnſitz ſeines Patrons (§ 353. v). Dennoch wird daneben geſagt, der Wohnſitz eines Freigelaſſenen werde beſtimmt durch den Wohnſitz des Patrons; eben ſo ſogar der Wohnſitz der Kinder des Freigelaſſenen, und ſelbſt der von ihm wiederum freigelaſſenen Sklaven (p). Der ſcheinbare Widerſpruch dieſer Ausſprüche iſt unbedenk- lich auf folgende Weiſe zu löſen. Im Augenblick der Frei-
(p) S. o. § 353. u. — Die entſcheidenden Stellen ſind: L. 6 § 3, L. 22 pr. ad mun. (50. 1), und es iſt für das richtige Ver- ſtändniß dieſer Stellen beſonders zu vergleichen: Zeitſchrift für ge- ſchichtliche Rechtswiſſ. B. 9 S. 98.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Dieſer Begriff der origo oder der Herkunft im Sinne
des heutigen Rechts iſt nun gleichmäßig anzuwenden auf
den Gerichtsſtand, als forum originis, und auf das örtliche
Recht der Perſon, als lex originis.
Mit dieſer Behauptung ſetzen wir uns auch gar nicht
etwa in Widerſpruch mit den Beſtimmungen des Römiſchen
Rechts, deſſen Entſcheidung über den hier vorliegenden Fall
ich oben einſtweilen dahin geſtellt gelaſſen habe (§ 357).
Vielmehr glaube ich, daß die Römer dieſen Fall ganz eben
ſo entſchieden haben würden, wenn ihnen ein ſolcher Fall
vorgekommen wäre. Dafür ſpricht nicht nur der oben für
das heutige Recht geltend gemachte innere Grund, den ſie
eben ſo gut, als wir, anerkennen konnten, ſondern auch ein
auf demſelben Grunde beruhender beſtimmter Ausſpruch
über einen nahe liegenden, völlig verwandten Fall. Der
Freigelaſſene konnte ſeinen Wohnſitz frei wählen, unabhän-
gig von dem Wohnſitz ſeines Patrons (§ 353. v). Dennoch
wird daneben geſagt, der Wohnſitz eines Freigelaſſenen
werde beſtimmt durch den Wohnſitz des Patrons; eben
ſo ſogar der Wohnſitz der Kinder des Freigelaſſenen, und
ſelbſt der von ihm wiederum freigelaſſenen Sklaven (p).
Der ſcheinbare Widerſpruch dieſer Ausſprüche iſt unbedenk-
lich auf folgende Weiſe zu löſen. Im Augenblick der Frei-
(p) S. o. § 353. u. — Die
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§ 3, L. 22 pr. ad mun. (50. 1),
und es iſt für das richtige Ver-
ſtändniß dieſer Stellen beſonders
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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