Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Zweitens aber sind noch viel wichtiger die Stellen,
welche von den drei Klassen der freien Einwohner des Rö-
mischen Reichs (cives, Latini, peregrini) reden, und die
man gleichfalls versucht sein könnte, mit der Unterordnung
der Einzelnen unter ein bestimmtes positives Recht in Ver-
bindung zu bringen. Man könnte nämlich einen solchen
Gedanken etwa dahin ausbilden wollen, daß auf die erste
Klasse (die cives) das jus civile, auf die zwei niederen
Klassen das jus gentium angewendet worden wäre. Allein
dieser ganze Gedanke muß völlig zurück gewiesen werden.
Jene Klassification war höchst wichtig für die Rechtsfä-
higkeit
der Einzelnen, indem der civis das connubium
und commercium, der Latinus das commercium ohne connu-
bium,
der peregrinus keine dieser beiden Fähigkeiten hatte (p).
Dagegen hat jene Klassification durchaus keine Verbindung
mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem System
der auf jeden Einzelnen anwendbaren positiven Rechtsre-
geln. Einige Beispiele werden Dieses außer Zweifel setzen.
Auf die cives wurden die Regeln des jus gentium nicht
minder, als die des jus civile angewendet. Der Latinus
Junianus
konnte allerdings, obgleich er als Latinus die
testamentifactio hatte, kein Testament machen, weil ihm

(p) S. o. B. 2 § 64. 66. --
Zu dieser Lehre von der Rechts-
fähigkeit, und nicht zu dem System
der auf den Einzelnen anwend-
baren Territorialrechte (wovon hier
allein die Rede ist), gehört auch
der Satz, daß die Stipulation in
der Formel: spondes? spondeo
nur von Römischen Bürgern, nicht
von Peregrinen, gebraucht werden
konnte. Gajus III. § 93.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.

Zweitens aber ſind noch viel wichtiger die Stellen,
welche von den drei Klaſſen der freien Einwohner des Rö-
miſchen Reichs (cives, Latini, peregrini) reden, und die
man gleichfalls verſucht ſein könnte, mit der Unterordnung
der Einzelnen unter ein beſtimmtes poſitives Recht in Ver-
bindung zu bringen. Man könnte nämlich einen ſolchen
Gedanken etwa dahin ausbilden wollen, daß auf die erſte
Klaſſe (die cives) das jus civile, auf die zwei niederen
Klaſſen das jus gentium angewendet worden wäre. Allein
dieſer ganze Gedanke muß völlig zurück gewieſen werden.
Jene Klaſſification war höchſt wichtig für die Rechtsfä-
higkeit
der Einzelnen, indem der civis das connubium
und commercium, der Latinus das commercium ohne connu-
bium,
der peregrinus keine dieſer beiden Fähigkeiten hatte (p).
Dagegen hat jene Klaſſification durchaus keine Verbindung
mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem Syſtem
der auf jeden Einzelnen anwendbaren poſitiven Rechtsre-
geln. Einige Beiſpiele werden Dieſes außer Zweifel ſetzen.
Auf die cives wurden die Regeln des jus gentium nicht
minder, als die des jus civile angewendet. Der Latinus
Junianus
konnte allerdings, obgleich er als Latinus die
testamentifactio hatte, kein Teſtament machen, weil ihm

(p) S. o. B. 2 § 64. 66. —
Zu dieſer Lehre von der Rechts-
fähigkeit, und nicht zu dem Syſtem
der auf den Einzelnen anwend-
baren Territorialrechte (wovon hier
allein die Rede iſt), gehört auch
der Satz, daß die Stipulation in
der Formel: spondes? spondeo
nur von Römiſchen Bürgern, nicht
von Peregrinen, gebraucht werden
konnte. Gajus III. § 93.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0106" n="84"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>
            <p>Zweitens aber &#x017F;ind noch viel wichtiger die Stellen,<lb/>
welche von den drei Kla&#x017F;&#x017F;en der freien Einwohner des Rö-<lb/>
mi&#x017F;chen Reichs (<hi rendition="#aq">cives, Latini, peregrini</hi>) reden, und die<lb/>
man gleichfalls ver&#x017F;ucht &#x017F;ein könnte, mit der Unterordnung<lb/>
der Einzelnen unter ein be&#x017F;timmtes po&#x017F;itives Recht in Ver-<lb/>
bindung zu bringen. Man könnte nämlich einen &#x017F;olchen<lb/>
Gedanken etwa dahin ausbilden wollen, daß auf die er&#x017F;te<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;e (die <hi rendition="#aq">cives</hi>) das <hi rendition="#aq">jus civile,</hi> auf die zwei niederen<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;en das <hi rendition="#aq">jus gentium</hi> angewendet worden wäre. Allein<lb/>
die&#x017F;er ganze Gedanke muß völlig zurück gewie&#x017F;en werden.<lb/>
Jene Kla&#x017F;&#x017F;ification war höch&#x017F;t wichtig für die <hi rendition="#g">Rechtsfä-<lb/>
higkeit</hi> der Einzelnen, indem der <hi rendition="#aq">civis</hi> das <hi rendition="#aq">connubium</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">commercium,</hi> der <hi rendition="#aq">Latinus</hi> das <hi rendition="#aq">commercium</hi> ohne <hi rendition="#aq">connu-<lb/>
bium,</hi> der <hi rendition="#aq">peregrinus</hi> keine die&#x017F;er beiden Fähigkeiten hatte <note place="foot" n="(p)">S. o. B. 2 § 64. 66. &#x2014;<lb/>
Zu die&#x017F;er Lehre von der Rechts-<lb/>
fähigkeit, und nicht zu dem Sy&#x017F;tem<lb/>
der auf den Einzelnen anwend-<lb/>
baren Territorialrechte (wovon hier<lb/>
allein die Rede i&#x017F;t), gehört auch<lb/>
der Satz, daß die Stipulation in<lb/>
der Formel: <hi rendition="#aq">spondes? spondeo</hi><lb/>
nur von Römi&#x017F;chen Bürgern, nicht<lb/>
von Peregrinen, gebraucht werden<lb/>
konnte. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gajus</hi> III.</hi> § 93.</note>.<lb/>
Dagegen hat jene Kla&#x017F;&#x017F;ification durchaus keine Verbindung<lb/>
mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem Sy&#x017F;tem<lb/>
der auf jeden Einzelnen anwendbaren po&#x017F;itiven Rechtsre-<lb/>
geln. Einige Bei&#x017F;piele werden Die&#x017F;es außer Zweifel &#x017F;etzen.<lb/>
Auf die <hi rendition="#aq">cives</hi> wurden die Regeln des <hi rendition="#aq">jus gentium</hi> nicht<lb/>
minder, als die des <hi rendition="#aq">jus civile</hi> angewendet. Der <hi rendition="#aq">Latinus<lb/>
Junianus</hi> konnte allerdings, obgleich er als <hi rendition="#aq">Latinus</hi> die<lb/><hi rendition="#aq">testamentifactio</hi> hatte, kein Te&#x017F;tament machen, weil ihm<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0106] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. Zweitens aber ſind noch viel wichtiger die Stellen, welche von den drei Klaſſen der freien Einwohner des Rö- miſchen Reichs (cives, Latini, peregrini) reden, und die man gleichfalls verſucht ſein könnte, mit der Unterordnung der Einzelnen unter ein beſtimmtes poſitives Recht in Ver- bindung zu bringen. Man könnte nämlich einen ſolchen Gedanken etwa dahin ausbilden wollen, daß auf die erſte Klaſſe (die cives) das jus civile, auf die zwei niederen Klaſſen das jus gentium angewendet worden wäre. Allein dieſer ganze Gedanke muß völlig zurück gewieſen werden. Jene Klaſſification war höchſt wichtig für die Rechtsfä- higkeit der Einzelnen, indem der civis das connubium und commercium, der Latinus das commercium ohne connu- bium, der peregrinus keine dieſer beiden Fähigkeiten hatte (p). Dagegen hat jene Klaſſification durchaus keine Verbindung mit der hier vorliegenden Aufgabe, nämlich mit dem Syſtem der auf jeden Einzelnen anwendbaren poſitiven Rechtsre- geln. Einige Beiſpiele werden Dieſes außer Zweifel ſetzen. Auf die cives wurden die Regeln des jus gentium nicht minder, als die des jus civile angewendet. Der Latinus Junianus konnte allerdings, obgleich er als Latinus die testamentifactio hatte, kein Teſtament machen, weil ihm (p) S. o. B. 2 § 64. 66. — Zu dieſer Lehre von der Rechts- fähigkeit, und nicht zu dem Syſtem der auf den Einzelnen anwend- baren Territorialrechte (wovon hier allein die Rede iſt), gehört auch der Satz, daß die Stipulation in der Formel: spondes? spondeo nur von Römiſchen Bürgern, nicht von Peregrinen, gebraucht werden konnte. Gajus III. § 93.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/106
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/106>, abgerufen am 22.11.2024.