Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
liegt ein Ausdruck des Vertrauens, also der Achtung. Nur
die Vestalinnen und der Flamen Dialis sollten nach altem
Recht von jedem Zwang dieser Art frei seyn (l). -- Un-
mündige in eigener Sache, Procuratoren und Defensoren
in der Sache, die sie vertreten, sind nicht dem Zwange
unterworfen (§. 310. i). -- Der, welchem der Eid zuge-
schoben wird, kann verlangen, daß zuvor der Gegner seine
redliche Absicht (de calumnia) beschwöre; weigert sich dieser,
so gilt die Weigerung gleich einem Erlaß des Eides, das
heißt, gleich dem abgeleisteten Eide selbst (m). Die Frage,
ob dieser Eid vor Gefährde, als Bedingung des Zwanges,
auch im heutigen Recht als geltend anzuerkennen sey, wird
von den neueren Schriftstellern meist mit Stillschweigen
übergangen. Ich glaube, sie verneinen zu müssen, theils
nach dem thatsächlichen Gerichtsgebrauch, theils nach dem
veränderten Standpunkt dieses Rechtsinstituts, indem es
weniger Gegenstand der Privatwillkür ist, mehr unter
richterlicher Aufsicht steht (n).

Eine wichtige Einschränkung besteht noch darin, daß
Niemand gezwungen werden kann, über Dasjenige zu schwö-
ren, wovon er vielleicht Nichts weiß, insbesondere über
fremde Handlungen bei denen er nicht gegenwärtig war.

(l) Gellius X. 15. Vergl.
Zimmern § 127 Note 12.
(m) L. 34 § 4. L. 37 de jur.
(12. 2) Nur wer zurückschiebt, kann
den Eid de calumnia nicht fordern,
da der Gegner durch die Zuschie-
bung seine auf Wahrheit gerichtete
Absicht hinlänglich bewiesen hat.
L. 34 § 7 eod.
(n) Vgl. Martin Prozeß
§. 226 Noten g. h.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
liegt ein Ausdruck des Vertrauens, alſo der Achtung. Nur
die Veſtalinnen und der Flamen Dialis ſollten nach altem
Recht von jedem Zwang dieſer Art frei ſeyn (l). — Un-
mündige in eigener Sache, Procuratoren und Defenſoren
in der Sache, die ſie vertreten, ſind nicht dem Zwange
unterworfen (§. 310. i). — Der, welchem der Eid zuge-
ſchoben wird, kann verlangen, daß zuvor der Gegner ſeine
redliche Abſicht (de calumnia) beſchwöre; weigert ſich dieſer,
ſo gilt die Weigerung gleich einem Erlaß des Eides, das
heißt, gleich dem abgeleiſteten Eide ſelbſt (m). Die Frage,
ob dieſer Eid vor Gefährde, als Bedingung des Zwanges,
auch im heutigen Recht als geltend anzuerkennen ſey, wird
von den neueren Schriftſtellern meiſt mit Stillſchweigen
übergangen. Ich glaube, ſie verneinen zu müſſen, theils
nach dem thatſächlichen Gerichtsgebrauch, theils nach dem
veränderten Standpunkt dieſes Rechtsinſtituts, indem es
weniger Gegenſtand der Privatwillkür iſt, mehr unter
richterlicher Aufſicht ſteht (n).

Eine wichtige Einſchränkung beſteht noch darin, daß
Niemand gezwungen werden kann, über Dasjenige zu ſchwö-
ren, wovon er vielleicht Nichts weiß, insbeſondere über
fremde Handlungen bei denen er nicht gegenwärtig war.

(l) Gellius X. 15. Vergl.
Zimmern § 127 Note 12.
(m) L. 34 § 4. L. 37 de jur.
(12. 2) Nur wer zurückſchiebt, kann
den Eid de calumnia nicht fordern,
da der Gegner durch die Zuſchie-
bung ſeine auf Wahrheit gerichtete
Abſicht hinlänglich bewieſen hat.
L. 34 § 7 eod.
(n) Vgl. Martin Prozeß
§. 226 Noten g. h.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0096" n="74"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
liegt ein Ausdruck des Vertrauens, al&#x017F;o der Achtung. Nur<lb/>
die Ve&#x017F;talinnen und der Flamen Dialis &#x017F;ollten nach altem<lb/>
Recht von jedem Zwang die&#x017F;er Art frei &#x017F;eyn <note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Gellius</hi> X.</hi> 15. Vergl.<lb/><hi rendition="#g">Zimmern</hi> § 127 Note 12.</note>. &#x2014; Un-<lb/>
mündige in eigener Sache, Procuratoren und Defen&#x017F;oren<lb/>
in der Sache, die &#x017F;ie vertreten, &#x017F;ind nicht dem Zwange<lb/>
unterworfen (§. 310. <hi rendition="#aq">i</hi>). &#x2014; Der, welchem der Eid zuge-<lb/>
&#x017F;choben wird, kann verlangen, daß zuvor der Gegner &#x017F;eine<lb/>
redliche Ab&#x017F;icht (<hi rendition="#aq">de calumnia</hi>) be&#x017F;chwöre; weigert &#x017F;ich die&#x017F;er,<lb/>
&#x017F;o gilt die Weigerung gleich einem Erlaß des Eides, das<lb/>
heißt, gleich dem abgelei&#x017F;teten Eide &#x017F;elb&#x017F;t <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 34 § 4. <hi rendition="#i">L.</hi> 37 <hi rendition="#i">de jur.</hi></hi><lb/>
(12. 2) Nur wer zurück&#x017F;chiebt, kann<lb/>
den Eid <hi rendition="#aq">de calumnia</hi> nicht fordern,<lb/>
da der Gegner durch die Zu&#x017F;chie-<lb/>
bung &#x017F;eine auf Wahrheit gerichtete<lb/>
Ab&#x017F;icht hinlänglich bewie&#x017F;en hat.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 34 § 7 <hi rendition="#i">eod.</hi></hi></note>. Die Frage,<lb/>
ob die&#x017F;er Eid vor Gefährde, als Bedingung des Zwanges,<lb/>
auch im heutigen Recht als geltend anzuerkennen &#x017F;ey, wird<lb/>
von den neueren Schrift&#x017F;tellern mei&#x017F;t mit Still&#x017F;chweigen<lb/>
übergangen. Ich glaube, &#x017F;ie verneinen zu mü&#x017F;&#x017F;en, theils<lb/>
nach dem that&#x017F;ächlichen Gerichtsgebrauch, theils nach dem<lb/>
veränderten Standpunkt die&#x017F;es Rechtsin&#x017F;tituts, indem es<lb/>
weniger Gegen&#x017F;tand der Privatwillkür i&#x017F;t, mehr unter<lb/>
richterlicher Auf&#x017F;icht &#x017F;teht <note place="foot" n="(n)">Vgl. <hi rendition="#g">Martin</hi> Prozeß<lb/>
§. 226 Noten <hi rendition="#aq">g. h.</hi></note>.</p><lb/>
              <p>Eine wichtige Ein&#x017F;chränkung be&#x017F;teht noch darin, daß<lb/>
Niemand gezwungen werden kann, über Dasjenige zu &#x017F;chwö-<lb/>
ren, wovon er vielleicht Nichts weiß, insbe&#x017F;ondere über<lb/>
fremde Handlungen bei denen er nicht gegenwärtig war.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0096] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. liegt ein Ausdruck des Vertrauens, alſo der Achtung. Nur die Veſtalinnen und der Flamen Dialis ſollten nach altem Recht von jedem Zwang dieſer Art frei ſeyn (l). — Un- mündige in eigener Sache, Procuratoren und Defenſoren in der Sache, die ſie vertreten, ſind nicht dem Zwange unterworfen (§. 310. i). — Der, welchem der Eid zuge- ſchoben wird, kann verlangen, daß zuvor der Gegner ſeine redliche Abſicht (de calumnia) beſchwöre; weigert ſich dieſer, ſo gilt die Weigerung gleich einem Erlaß des Eides, das heißt, gleich dem abgeleiſteten Eide ſelbſt (m). Die Frage, ob dieſer Eid vor Gefährde, als Bedingung des Zwanges, auch im heutigen Recht als geltend anzuerkennen ſey, wird von den neueren Schriftſtellern meiſt mit Stillſchweigen übergangen. Ich glaube, ſie verneinen zu müſſen, theils nach dem thatſächlichen Gerichtsgebrauch, theils nach dem veränderten Standpunkt dieſes Rechtsinſtituts, indem es weniger Gegenſtand der Privatwillkür iſt, mehr unter richterlicher Aufſicht ſteht (n). Eine wichtige Einſchränkung beſteht noch darin, daß Niemand gezwungen werden kann, über Dasjenige zu ſchwö- ren, wovon er vielleicht Nichts weiß, insbeſondere über fremde Handlungen bei denen er nicht gegenwärtig war. (l) Gellius X. 15. Vergl. Zimmern § 127 Note 12. (m) L. 34 § 4. L. 37 de jur. (12. 2) Nur wer zurückſchiebt, kann den Eid de calumnia nicht fordern, da der Gegner durch die Zuſchie- bung ſeine auf Wahrheit gerichtete Abſicht hinlänglich bewieſen hat. L. 34 § 7 eod. (n) Vgl. Martin Prozeß §. 226 Noten g. h.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/96
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/96>, abgerufen am 29.03.2024.