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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
Urtheil über den inneren Werth dieses Instituts im Ver-
hältniß zu unserm heutigen Rechtszustand erhält eine beson-
dere Bestätigung durch die Betrachtung der einzelnen Re-
stitutionsgründe. Bei der Restitution der Minderjährigen
wird ihre sehr bedenkliche praktische Seite noch näher nach-
gewiesen werden (§ 322). Die Restitution der Abwesenden
hat zwar keine ähnliche allgemeine Gründe gegen sich; allein
das Bedürfniß und die Wichtigkeit derselben hat sich seit
ihrer ersten Einführung ungemein vermindert. Sie war
besonders wichtig als Abhülfe gegen die Gefahren, die aus
der kurzen Usucapion (ein Jahr und zwei Jahre), so wie
aus vielen kurzen Klagverjährungen entstanden. Seitdem
damit viele und große Veränderungen vorgegangen sind, ist
auch sie leichter zu entbehren. Die übrigen Restitutionen
aber waren schon im neueren Römischen Recht meist durch
ordentliche Rechtsmittel ersetzt, und daher als Restitutionen
nicht mehr wichtig.

Ich fasse die hier gegebene Rechenschaft über die innere
Entwicklung der Restitution in einem kurzen Ueberblick zu-
sammen. Wir sehen dieses Rechtsinstitut in einem allmä-
ligen, aber fortwährenden Streben zur Selbstvernichtung,
und die neueste Gestalt desselben zeigt uns wenig Aehnlich-
keit mehr mit dem ursprünglichen Wesen desselben. Dieser
auffallende Entwicklungsgang aber hat seinen Grund nicht
etwa darin, daß man den ursprünglichen Gedanken später-
hin als irrig und verfehlt anerkannt und darum aufgegeben
hätte. Vielmehr ist darin der natürliche Weg organischer

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Urtheil über den inneren Werth dieſes Inſtituts im Ver-
hältniß zu unſerm heutigen Rechtszuſtand erhält eine beſon-
dere Beſtätigung durch die Betrachtung der einzelnen Re-
ſtitutionsgründe. Bei der Reſtitution der Minderjährigen
wird ihre ſehr bedenkliche praktiſche Seite noch näher nach-
gewieſen werden (§ 322). Die Reſtitution der Abweſenden
hat zwar keine ähnliche allgemeine Gründe gegen ſich; allein
das Bedürfniß und die Wichtigkeit derſelben hat ſich ſeit
ihrer erſten Einführung ungemein vermindert. Sie war
beſonders wichtig als Abhülfe gegen die Gefahren, die aus
der kurzen Uſucapion (ein Jahr und zwei Jahre), ſo wie
aus vielen kurzen Klagverjährungen entſtanden. Seitdem
damit viele und große Veränderungen vorgegangen ſind, iſt
auch ſie leichter zu entbehren. Die übrigen Reſtitutionen
aber waren ſchon im neueren Römiſchen Recht meiſt durch
ordentliche Rechtsmittel erſetzt, und daher als Reſtitutionen
nicht mehr wichtig.

Ich faſſe die hier gegebene Rechenſchaft über die innere
Entwicklung der Reſtitution in einem kurzen Ueberblick zu-
ſammen. Wir ſehen dieſes Rechtsinſtitut in einem allmä-
ligen, aber fortwährenden Streben zur Selbſtvernichtung,
und die neueſte Geſtalt deſſelben zeigt uns wenig Aehnlich-
keit mehr mit dem urſprünglichen Weſen deſſelben. Dieſer
auffallende Entwicklungsgang aber hat ſeinen Grund nicht
etwa darin, daß man den urſprünglichen Gedanken ſpäter-
hin als irrig und verfehlt anerkannt und darum aufgegeben
hätte. Vielmehr iſt darin der natürliche Weg organiſcher

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[114/0136] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Urtheil über den inneren Werth dieſes Inſtituts im Ver- hältniß zu unſerm heutigen Rechtszuſtand erhält eine beſon- dere Beſtätigung durch die Betrachtung der einzelnen Re- ſtitutionsgründe. Bei der Reſtitution der Minderjährigen wird ihre ſehr bedenkliche praktiſche Seite noch näher nach- gewieſen werden (§ 322). Die Reſtitution der Abweſenden hat zwar keine ähnliche allgemeine Gründe gegen ſich; allein das Bedürfniß und die Wichtigkeit derſelben hat ſich ſeit ihrer erſten Einführung ungemein vermindert. Sie war beſonders wichtig als Abhülfe gegen die Gefahren, die aus der kurzen Uſucapion (ein Jahr und zwei Jahre), ſo wie aus vielen kurzen Klagverjährungen entſtanden. Seitdem damit viele und große Veränderungen vorgegangen ſind, iſt auch ſie leichter zu entbehren. Die übrigen Reſtitutionen aber waren ſchon im neueren Römiſchen Recht meiſt durch ordentliche Rechtsmittel erſetzt, und daher als Reſtitutionen nicht mehr wichtig. Ich faſſe die hier gegebene Rechenſchaft über die innere Entwicklung der Reſtitution in einem kurzen Ueberblick zu- ſammen. Wir ſehen dieſes Rechtsinſtitut in einem allmä- ligen, aber fortwährenden Streben zur Selbſtvernichtung, und die neueſte Geſtalt deſſelben zeigt uns wenig Aehnlich- keit mehr mit dem urſprünglichen Weſen deſſelben. Dieſer auffallende Entwicklungsgang aber hat ſeinen Grund nicht etwa darin, daß man den urſprünglichen Gedanken ſpäter- hin als irrig und verfehlt anerkannt und darum aufgegeben hätte. Vielmehr iſt darin der natürliche Weg organiſcher

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/136>, abgerufen am 27.04.2024.