Bezeichnung von Rechtssätzen betrifft, deren Inhalt und Wahrheit außer Streit ist.
So ist neuerlich behauptet worden, die Klagenconsum- tion und die damit verbundene negative Function der Ein- rede der Rechtskraft gelte noch im heutigen Prozeß (§ 283. b). Allerdings führten diese Rechtsinstitute auf dieselben Sätze, die so eben aufgestellt worden sind, und bei einigen der angeführten Stellen des Römischen Rechts (Note f) ist auch ohne Zweifel an sie gedacht worden. Dennoch sind jene Institute schon im Justinianischen Recht völlig ver- schwunden, und wir gelangen jetzt zwar zu denselben prak- tischen Regeln, aber auf einem anderen Wege.
Ganz Dasselbe muß ich von der Behauptung anderer Schriftsteller sagen, daß die Novation des altrömischen Pro- zesses noch jetzt fortdauere. Das rechtskräftige Urtheil nämlich (sagt man) zerstöre die frühere Klage gänzlich durch Novation und setze die neue judicati actio an die Stelle (g). Was man damit praktisch ausrichten will, ist wahr, aber die Herleitung und Bezeichnung ist nicht wahr. Die Novation im Prozeß, die selbst in den neu entdeckten Schriften der alten Juristen so sehr wenig erwähnt wird, war ohne Zweifel auf diejenigen Fälle beschränkt, worin die Klagen- consumtion ipso jure eintrat; Fälle, die schon Jahrhun- derte vor Justinian völlig unmöglich geworden waren, und zu keiner Zeit positiv ausgedehnt worden sind. Auf welchem
(g) Diese Frage ist schon oben weiter ausgeführt § 258, besonders Note f.
20*
§. 286. Inhalt des Urtheils. Arten.
Bezeichnung von Rechtsſätzen betrifft, deren Inhalt und Wahrheit außer Streit iſt.
So iſt neuerlich behauptet worden, die Klagenconſum- tion und die damit verbundene negative Function der Ein- rede der Rechtskraft gelte noch im heutigen Prozeß (§ 283. b). Allerdings führten dieſe Rechtsinſtitute auf dieſelben Sätze, die ſo eben aufgeſtellt worden ſind, und bei einigen der angeführten Stellen des Römiſchen Rechts (Note f) iſt auch ohne Zweifel an ſie gedacht worden. Dennoch ſind jene Inſtitute ſchon im Juſtinianiſchen Recht völlig ver- ſchwunden, und wir gelangen jetzt zwar zu denſelben prak- tiſchen Regeln, aber auf einem anderen Wege.
Ganz Daſſelbe muß ich von der Behauptung anderer Schriftſteller ſagen, daß die Novation des altrömiſchen Pro- zeſſes noch jetzt fortdauere. Das rechtskräftige Urtheil nämlich (ſagt man) zerſtöre die frühere Klage gänzlich durch Novation und ſetze die neue judicati actio an die Stelle (g). Was man damit praktiſch ausrichten will, iſt wahr, aber die Herleitung und Bezeichnung iſt nicht wahr. Die Novation im Prozeß, die ſelbſt in den neu entdeckten Schriften der alten Juriſten ſo ſehr wenig erwähnt wird, war ohne Zweifel auf diejenigen Fälle beſchränkt, worin die Klagen- conſumtion ipso jure eintrat; Fälle, die ſchon Jahrhun- derte vor Juſtinian völlig unmöglich geworden waren, und zu keiner Zeit poſitiv ausgedehnt worden ſind. Auf welchem
(g) Dieſe Frage iſt ſchon oben weiter ausgeführt § 258, beſonders Note f.
20*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0325"n="307"/><fwplace="top"type="header">§. 286. Inhalt des Urtheils. Arten.</fw><lb/>
Bezeichnung von Rechtsſätzen betrifft, deren Inhalt und<lb/>
Wahrheit außer Streit iſt.</p><lb/><p>So iſt neuerlich behauptet worden, die Klagenconſum-<lb/>
tion und die damit verbundene negative Function der Ein-<lb/>
rede der Rechtskraft gelte noch im heutigen Prozeß (§ 283. <hirendition="#aq">b</hi>).<lb/>
Allerdings führten dieſe Rechtsinſtitute auf dieſelben Sätze,<lb/>
die ſo eben aufgeſtellt worden ſind, und bei einigen der<lb/>
angeführten Stellen des Römiſchen Rechts (Note <hirendition="#aq">f</hi>) iſt<lb/>
auch ohne Zweifel an ſie gedacht worden. Dennoch ſind<lb/>
jene Inſtitute ſchon im Juſtinianiſchen Recht völlig ver-<lb/>ſchwunden, und wir gelangen jetzt zwar zu denſelben prak-<lb/>
tiſchen Regeln, aber auf einem anderen Wege.</p><lb/><p>Ganz Daſſelbe muß ich von der Behauptung anderer<lb/>
Schriftſteller ſagen, daß die Novation des altrömiſchen Pro-<lb/>
zeſſes noch jetzt fortdauere. Das rechtskräftige Urtheil nämlich<lb/>
(ſagt man) zerſtöre die frühere Klage gänzlich durch Novation<lb/>
und ſetze die neue <hirendition="#aq">judicati actio</hi> an die Stelle <noteplace="foot"n="(g)">Dieſe Frage iſt ſchon oben weiter ausgeführt § 258, beſonders<lb/>
Note <hirendition="#aq">f.</hi></note>. Was<lb/>
man damit praktiſch ausrichten will, iſt wahr, aber die<lb/>
Herleitung und Bezeichnung iſt nicht wahr. Die Novation<lb/>
im Prozeß, die ſelbſt in den neu entdeckten Schriften der<lb/>
alten Juriſten ſo ſehr wenig erwähnt wird, war ohne<lb/>
Zweifel auf diejenigen Fälle beſchränkt, worin die Klagen-<lb/>
conſumtion <hirendition="#aq">ipso jure</hi> eintrat; Fälle, die ſchon Jahrhun-<lb/>
derte vor Juſtinian völlig unmöglich geworden waren, und<lb/>
zu keiner Zeit poſitiv ausgedehnt worden ſind. Auf welchem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">20*</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[307/0325]
§. 286. Inhalt des Urtheils. Arten.
Bezeichnung von Rechtsſätzen betrifft, deren Inhalt und
Wahrheit außer Streit iſt.
So iſt neuerlich behauptet worden, die Klagenconſum-
tion und die damit verbundene negative Function der Ein-
rede der Rechtskraft gelte noch im heutigen Prozeß (§ 283. b).
Allerdings führten dieſe Rechtsinſtitute auf dieſelben Sätze,
die ſo eben aufgeſtellt worden ſind, und bei einigen der
angeführten Stellen des Römiſchen Rechts (Note f) iſt
auch ohne Zweifel an ſie gedacht worden. Dennoch ſind
jene Inſtitute ſchon im Juſtinianiſchen Recht völlig ver-
ſchwunden, und wir gelangen jetzt zwar zu denſelben prak-
tiſchen Regeln, aber auf einem anderen Wege.
Ganz Daſſelbe muß ich von der Behauptung anderer
Schriftſteller ſagen, daß die Novation des altrömiſchen Pro-
zeſſes noch jetzt fortdauere. Das rechtskräftige Urtheil nämlich
(ſagt man) zerſtöre die frühere Klage gänzlich durch Novation
und ſetze die neue judicati actio an die Stelle (g). Was
man damit praktiſch ausrichten will, iſt wahr, aber die
Herleitung und Bezeichnung iſt nicht wahr. Die Novation
im Prozeß, die ſelbſt in den neu entdeckten Schriften der
alten Juriſten ſo ſehr wenig erwähnt wird, war ohne
Zweifel auf diejenigen Fälle beſchränkt, worin die Klagen-
conſumtion ipso jure eintrat; Fälle, die ſchon Jahrhun-
derte vor Juſtinian völlig unmöglich geworden waren, und
zu keiner Zeit poſitiv ausgedehnt worden ſind. Auf welchem
(g) Dieſe Frage iſt ſchon oben weiter ausgeführt § 258, beſonders
Note f.
20*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/325>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.