dehnter, als in der späteren Zeit. Da nämlich alle Ver- urtheilungen nur auf baares Geld lauten durften (b), so mußten jene Regeln in jedem einzelnen Fall unmittelbar und einfach dadurch zur Anwendung gebracht werden, daß in der auszusprechenden Geldsumme nicht nur der objective Zustand der Sache, sondern auch (nach den eben aufge- stellten Regeln) der Preis berücksichtigt wurde.
2. Dieses hat sich völlig geändert im Justinianischen Recht, welches zugleich die heutige Regel bildet. Hier wird, wenn der Gegenstand des Rechtsstreites noch vorhanden ist, auf dessen Naturalleistung, nicht mehr auf eine Geldsumme, erkannt. Dieses heißt für den letzten Erfolg eben so viel, als ob (nach der oben aufgestellten zweiten Regel) auf den Geldwerth zur Zeit des rechtskräftigen Urtheils erkannt würde. In denjenigen Fällen nun, worin vor dem Urtheil eine Preisverminderung eingetreten ist, und zugleich der Beklagte die exceptionelle Verpflichtung hat, für alle zufällige Verminderungen einzustehen (also im Fall der Vindication gegen den unredlichen Besitzer, so wie im Fall der Mora) ist zwar auch auf die Naturalleistung zu erkennen, jedoch mit einer zusätzlichen Ausgleichung in Geld, damit die oben aufgestellten Regeln rein und vollständig zur Anwendung gebracht werden.
3. Eine besondere Erwägung bedarf der Fall, wenn der Beklagte das Urtheil nicht abwartet, sondern dadurch abwendet, daß er den Anspruch des Klägers freiwillig
(b)Gajus IV. § 48.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
dehnter, als in der ſpäteren Zeit. Da nämlich alle Ver- urtheilungen nur auf baares Geld lauten durften (b), ſo mußten jene Regeln in jedem einzelnen Fall unmittelbar und einfach dadurch zur Anwendung gebracht werden, daß in der auszuſprechenden Geldſumme nicht nur der objective Zuſtand der Sache, ſondern auch (nach den eben aufge- ſtellten Regeln) der Preis berückſichtigt wurde.
2. Dieſes hat ſich völlig geändert im Juſtinianiſchen Recht, welches zugleich die heutige Regel bildet. Hier wird, wenn der Gegenſtand des Rechtsſtreites noch vorhanden iſt, auf deſſen Naturalleiſtung, nicht mehr auf eine Geldſumme, erkannt. Dieſes heißt für den letzten Erfolg eben ſo viel, als ob (nach der oben aufgeſtellten zweiten Regel) auf den Geldwerth zur Zeit des rechtskräftigen Urtheils erkannt würde. In denjenigen Fällen nun, worin vor dem Urtheil eine Preisverminderung eingetreten iſt, und zugleich der Beklagte die exceptionelle Verpflichtung hat, für alle zufällige Verminderungen einzuſtehen (alſo im Fall der Vindication gegen den unredlichen Beſitzer, ſo wie im Fall der Mora) iſt zwar auch auf die Naturalleiſtung zu erkennen, jedoch mit einer zuſätzlichen Ausgleichung in Geld, damit die oben aufgeſtellten Regeln rein und vollſtändig zur Anwendung gebracht werden.
3. Eine beſondere Erwägung bedarf der Fall, wenn der Beklagte das Urtheil nicht abwartet, ſondern dadurch abwendet, daß er den Anſpruch des Klägers freiwillig
(b)Gajus IV. § 48.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0252"n="234"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
dehnter, als in der ſpäteren Zeit. Da nämlich alle Ver-<lb/>
urtheilungen nur auf baares Geld lauten durften <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">Gajus</hi> IV.</hi> § 48.</note>, ſo<lb/>
mußten jene Regeln in jedem einzelnen Fall unmittelbar<lb/>
und einfach dadurch zur Anwendung gebracht werden, daß<lb/>
in der auszuſprechenden Geldſumme nicht nur der objective<lb/>
Zuſtand der Sache, ſondern auch (nach den eben aufge-<lb/>ſtellten Regeln) der Preis berückſichtigt wurde.</p><lb/><p>2. Dieſes hat ſich völlig geändert im Juſtinianiſchen<lb/>
Recht, welches zugleich die heutige Regel bildet. Hier wird,<lb/>
wenn der Gegenſtand des Rechtsſtreites noch vorhanden iſt,<lb/>
auf deſſen Naturalleiſtung, nicht mehr auf eine Geldſumme,<lb/>
erkannt. Dieſes heißt für den letzten Erfolg eben ſo viel,<lb/>
als ob (nach der oben aufgeſtellten zweiten Regel) auf den<lb/>
Geldwerth zur Zeit des rechtskräftigen Urtheils erkannt<lb/>
würde. In denjenigen Fällen nun, worin vor dem Urtheil<lb/>
eine Preisverminderung eingetreten iſt, und zugleich der<lb/>
Beklagte die exceptionelle Verpflichtung hat, für alle zufällige<lb/>
Verminderungen einzuſtehen (alſo im Fall der Vindication<lb/>
gegen den unredlichen Beſitzer, ſo wie im Fall der Mora)<lb/>
iſt zwar auch auf die Naturalleiſtung zu erkennen, jedoch<lb/>
mit einer zuſätzlichen Ausgleichung in Geld, damit die oben<lb/>
aufgeſtellten Regeln rein und vollſtändig zur Anwendung<lb/>
gebracht werden.</p><lb/><p>3. Eine beſondere Erwägung bedarf der Fall, wenn<lb/>
der Beklagte das Urtheil nicht abwartet, ſondern dadurch<lb/>
abwendet, daß er den Anſpruch des Klägers freiwillig<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[234/0252]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
dehnter, als in der ſpäteren Zeit. Da nämlich alle Ver-
urtheilungen nur auf baares Geld lauten durften (b), ſo
mußten jene Regeln in jedem einzelnen Fall unmittelbar
und einfach dadurch zur Anwendung gebracht werden, daß
in der auszuſprechenden Geldſumme nicht nur der objective
Zuſtand der Sache, ſondern auch (nach den eben aufge-
ſtellten Regeln) der Preis berückſichtigt wurde.
2. Dieſes hat ſich völlig geändert im Juſtinianiſchen
Recht, welches zugleich die heutige Regel bildet. Hier wird,
wenn der Gegenſtand des Rechtsſtreites noch vorhanden iſt,
auf deſſen Naturalleiſtung, nicht mehr auf eine Geldſumme,
erkannt. Dieſes heißt für den letzten Erfolg eben ſo viel,
als ob (nach der oben aufgeſtellten zweiten Regel) auf den
Geldwerth zur Zeit des rechtskräftigen Urtheils erkannt
würde. In denjenigen Fällen nun, worin vor dem Urtheil
eine Preisverminderung eingetreten iſt, und zugleich der
Beklagte die exceptionelle Verpflichtung hat, für alle zufällige
Verminderungen einzuſtehen (alſo im Fall der Vindication
gegen den unredlichen Beſitzer, ſo wie im Fall der Mora)
iſt zwar auch auf die Naturalleiſtung zu erkennen, jedoch
mit einer zuſätzlichen Ausgleichung in Geld, damit die oben
aufgeſtellten Regeln rein und vollſtändig zur Anwendung
gebracht werden.
3. Eine beſondere Erwägung bedarf der Fall, wenn
der Beklagte das Urtheil nicht abwartet, ſondern dadurch
abwendet, daß er den Anſpruch des Klägers freiwillig
(b) Gajus IV. § 48.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/252>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.