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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 256. Litiscontestation. Einleitung.

Das Römische Recht setzt diesen Anfang in die Litis-
contestation
. Diese werden wir als die Prozeßhandlung
aufzufassen haben, welche zunächst als Anfangspunkt des
Rechtsstreits, zugleich aber auch (welches nur eine ergän-
zende Auffassung ist) als Entstehungsgrund der besonderen
Rechtsansprüche anzusehen ist, die durch den oben an-
gedeuteten Theil des Urtheils ihre Befriedigung erhalten
sollen.

Vor allem ist nun das Wesen der Litiscontestation
festzustellen. Diese Untersuchung wird dadurch nicht wenig
erschwert, daß schon bei den Römern diese Prozeßhandlung
wichtige Umbildungen erfahren hat. Noch stärker waren
diese in der Gesetzgebung und Praxis neuerer Zeiten.
Dennoch ist zu allen Zeiten, und selbst bei den neuesten
Schriftstellern, der Begriff und der Name jenes Rechts-
instituts festgehalten worden, wenngleich über die nähere
Bestimmung des Begriffs die Ansichten oft sehr aus ein-
ander gehen.

Hieran muß sich dann der größere und wichtigere Theil
unserer Untersuchung anknüpfen, welcher die Wirkungen
der Litiscontestation zum Gegenstand hat. Die Aufgabe
des richterlichen Urtheils, welche oben nur in einer allge-
meinen Formel vorläufig angedeutet war, ist in ihre Ele-
mente zu zerlegen, wodurch allein die Einsicht gewonnen
werden kann, welche Bestimmungen in das Urtheil aufge-
nommen werden müssen, um die nachtheiligen Folgen der
unvermeidlichen Dauer des Rechtsstreits zu absorbiren.


§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

Das Römiſche Recht ſetzt dieſen Anfang in die Litis-
conteſtation
. Dieſe werden wir als die Prozeßhandlung
aufzufaſſen haben, welche zunächſt als Anfangspunkt des
Rechtsſtreits, zugleich aber auch (welches nur eine ergän-
zende Auffaſſung iſt) als Entſtehungsgrund der beſonderen
Rechtsanſprüche anzuſehen iſt, die durch den oben an-
gedeuteten Theil des Urtheils ihre Befriedigung erhalten
ſollen.

Vor allem iſt nun das Weſen der Litisconteſtation
feſtzuſtellen. Dieſe Unterſuchung wird dadurch nicht wenig
erſchwert, daß ſchon bei den Römern dieſe Prozeßhandlung
wichtige Umbildungen erfahren hat. Noch ſtärker waren
dieſe in der Geſetzgebung und Praxis neuerer Zeiten.
Dennoch iſt zu allen Zeiten, und ſelbſt bei den neueſten
Schriftſtellern, der Begriff und der Name jenes Rechts-
inſtituts feſtgehalten worden, wenngleich über die nähere
Beſtimmung des Begriffs die Anſichten oft ſehr aus ein-
ander gehen.

Hieran muß ſich dann der größere und wichtigere Theil
unſerer Unterſuchung anknüpfen, welcher die Wirkungen
der Litisconteſtation zum Gegenſtand hat. Die Aufgabe
des richterlichen Urtheils, welche oben nur in einer allge-
meinen Formel vorläufig angedeutet war, iſt in ihre Ele-
mente zu zerlegen, wodurch allein die Einſicht gewonnen
werden kann, welche Beſtimmungen in das Urtheil aufge-
nommen werden müſſen, um die nachtheiligen Folgen der
unvermeidlichen Dauer des Rechtsſtreits zu abſorbiren.


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[5/0023] §. 256. Litisconteſtation. Einleitung. Das Römiſche Recht ſetzt dieſen Anfang in die Litis- conteſtation. Dieſe werden wir als die Prozeßhandlung aufzufaſſen haben, welche zunächſt als Anfangspunkt des Rechtsſtreits, zugleich aber auch (welches nur eine ergän- zende Auffaſſung iſt) als Entſtehungsgrund der beſonderen Rechtsanſprüche anzuſehen iſt, die durch den oben an- gedeuteten Theil des Urtheils ihre Befriedigung erhalten ſollen. Vor allem iſt nun das Weſen der Litisconteſtation feſtzuſtellen. Dieſe Unterſuchung wird dadurch nicht wenig erſchwert, daß ſchon bei den Römern dieſe Prozeßhandlung wichtige Umbildungen erfahren hat. Noch ſtärker waren dieſe in der Geſetzgebung und Praxis neuerer Zeiten. Dennoch iſt zu allen Zeiten, und ſelbſt bei den neueſten Schriftſtellern, der Begriff und der Name jenes Rechts- inſtituts feſtgehalten worden, wenngleich über die nähere Beſtimmung des Begriffs die Anſichten oft ſehr aus ein- ander gehen. Hieran muß ſich dann der größere und wichtigere Theil unſerer Unterſuchung anknüpfen, welcher die Wirkungen der Litisconteſtation zum Gegenſtand hat. Die Aufgabe des richterlichen Urtheils, welche oben nur in einer allge- meinen Formel vorläufig angedeutet war, iſt in ihre Ele- mente zu zerlegen, wodurch allein die Einſicht gewonnen werden kann, welche Beſtimmungen in das Urtheil aufge- nommen werden müſſen, um die nachtheiligen Folgen der unvermeidlichen Dauer des Rechtsſtreits zu abſorbiren.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/23>, abgerufen am 19.04.2024.