Der Grund des erwähnten nothwendigen Übels liegt darin, daß der Anfang und das Ende des Rechtsstreits (Klage und Urtheil) nicht gleichzeitig sind, daß sie vielmehr durch einen Zeitraum getrennt werden, in welchem für das Rechtsverhältniß Umwandlungen eintreten können. Die Ausgleichung des Übels wird darin bestehen müssen, daß das Urtheil sich nicht darauf beschränkt, über das ursprüng- lich vorhandene Recht zu entscheiden, sondern zugleich die Folgen dieser Umwandlungen auszutilgen sucht.
Die allgemeine Richtung, welche dieser Theil der rich- terlichen Entscheidung zu befolgen hat, läßt sich in folgender Formel ausdrücken: Es ist derjenige Zustand künstlich hervorzubringen, welcher natürlich vorhanden seyn würde, wenn es möglich gewesen wäre, das Urtheil im Anfang des Rechtsstreits auszusprechen.
Jedoch ist gleich hier wohl zu beachten, daß diese For- mel blos die durch die Natur der Aufgabe gegebene allge- meine Richtung der Lösung ausdrücken soll, und daß eine unbedingte, auf dem Wege einer bloßen logischen Folge- rung zu vermittelnde, Anwendung derselben keinesweges gemeint seyn kann.
Zur vollständigen Lösung der hier gestellten Aufgabe kommt es zunächst darauf an, den Anfang des Rechts- streits festzustellen, indem nur dadurch der Zeitraum genau begränzt werden kann, in welchem die durch das Urtheil auszutilgenden Umwandlungen eingetreten seyn müssen.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Der Grund des erwähnten nothwendigen Übels liegt darin, daß der Anfang und das Ende des Rechtsſtreits (Klage und Urtheil) nicht gleichzeitig ſind, daß ſie vielmehr durch einen Zeitraum getrennt werden, in welchem für das Rechtsverhältniß Umwandlungen eintreten können. Die Ausgleichung des Übels wird darin beſtehen müſſen, daß das Urtheil ſich nicht darauf beſchränkt, über das urſprüng- lich vorhandene Recht zu entſcheiden, ſondern zugleich die Folgen dieſer Umwandlungen auszutilgen ſucht.
Die allgemeine Richtung, welche dieſer Theil der rich- terlichen Entſcheidung zu befolgen hat, läßt ſich in folgender Formel ausdrücken: Es iſt derjenige Zuſtand künſtlich hervorzubringen, welcher natürlich vorhanden ſeyn würde, wenn es möglich geweſen wäre, das Urtheil im Anfang des Rechtsſtreits auszuſprechen.
Jedoch iſt gleich hier wohl zu beachten, daß dieſe For- mel blos die durch die Natur der Aufgabe gegebene allge- meine Richtung der Löſung ausdrücken ſoll, und daß eine unbedingte, auf dem Wege einer bloßen logiſchen Folge- rung zu vermittelnde, Anwendung derſelben keinesweges gemeint ſeyn kann.
Zur vollſtändigen Löſung der hier geſtellten Aufgabe kommt es zunächſt darauf an, den Anfang des Rechts- ſtreits feſtzuſtellen, indem nur dadurch der Zeitraum genau begränzt werden kann, in welchem die durch das Urtheil auszutilgenden Umwandlungen eingetreten ſeyn müſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0022"n="4"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/><p>Der Grund des erwähnten nothwendigen Übels liegt<lb/>
darin, daß der Anfang und das Ende des Rechtsſtreits<lb/>
(Klage und Urtheil) nicht gleichzeitig ſind, daß ſie vielmehr<lb/>
durch einen Zeitraum getrennt werden, in welchem für das<lb/>
Rechtsverhältniß Umwandlungen eintreten können. Die<lb/>
Ausgleichung des Übels wird darin beſtehen müſſen, daß<lb/>
das Urtheil ſich nicht darauf beſchränkt, über das urſprüng-<lb/>
lich vorhandene Recht zu entſcheiden, ſondern zugleich die<lb/>
Folgen dieſer Umwandlungen auszutilgen ſucht.</p><lb/><p>Die <choice><sic>allgemeiue</sic><corr>allgemeine</corr></choice> Richtung, welche dieſer Theil der rich-<lb/>
terlichen Entſcheidung zu befolgen hat, läßt ſich in folgender<lb/>
Formel ausdrücken:<lb/><hirendition="#et">Es iſt derjenige Zuſtand künſtlich hervorzubringen,<lb/>
welcher natürlich vorhanden ſeyn würde, wenn es<lb/>
möglich geweſen wäre, das Urtheil im Anfang des<lb/>
Rechtsſtreits auszuſprechen.</hi></p><lb/><p>Jedoch iſt gleich hier wohl zu beachten, daß dieſe For-<lb/>
mel blos die durch die Natur der Aufgabe gegebene allge-<lb/>
meine Richtung der Löſung ausdrücken ſoll, und daß eine<lb/>
unbedingte, auf dem Wege einer bloßen logiſchen Folge-<lb/>
rung zu vermittelnde, Anwendung derſelben keinesweges<lb/>
gemeint ſeyn kann.</p><lb/><p>Zur vollſtändigen Löſung der hier geſtellten Aufgabe<lb/>
kommt es zunächſt darauf an, den <hirendition="#g">Anfang</hi> des Rechts-<lb/>ſtreits feſtzuſtellen, indem nur dadurch der Zeitraum genau<lb/>
begränzt werden kann, in welchem die durch das Urtheil<lb/>
auszutilgenden Umwandlungen eingetreten ſeyn müſſen.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[4/0022]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Der Grund des erwähnten nothwendigen Übels liegt
darin, daß der Anfang und das Ende des Rechtsſtreits
(Klage und Urtheil) nicht gleichzeitig ſind, daß ſie vielmehr
durch einen Zeitraum getrennt werden, in welchem für das
Rechtsverhältniß Umwandlungen eintreten können. Die
Ausgleichung des Übels wird darin beſtehen müſſen, daß
das Urtheil ſich nicht darauf beſchränkt, über das urſprüng-
lich vorhandene Recht zu entſcheiden, ſondern zugleich die
Folgen dieſer Umwandlungen auszutilgen ſucht.
Die allgemeine Richtung, welche dieſer Theil der rich-
terlichen Entſcheidung zu befolgen hat, läßt ſich in folgender
Formel ausdrücken:
Es iſt derjenige Zuſtand künſtlich hervorzubringen,
welcher natürlich vorhanden ſeyn würde, wenn es
möglich geweſen wäre, das Urtheil im Anfang des
Rechtsſtreits auszuſprechen.
Jedoch iſt gleich hier wohl zu beachten, daß dieſe For-
mel blos die durch die Natur der Aufgabe gegebene allge-
meine Richtung der Löſung ausdrücken ſoll, und daß eine
unbedingte, auf dem Wege einer bloßen logiſchen Folge-
rung zu vermittelnde, Anwendung derſelben keinesweges
gemeint ſeyn kann.
Zur vollſtändigen Löſung der hier geſtellten Aufgabe
kommt es zunächſt darauf an, den Anfang des Rechts-
ſtreits feſtzuſtellen, indem nur dadurch der Zeitraum genau
begränzt werden kann, in welchem die durch das Urtheil
auszutilgenden Umwandlungen eingetreten ſeyn müſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/22>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.