Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. der Judex das Recht des Klägers vorläufig anerkannt unddie Natural-Restitution anbefohlen hatte (welches vor dem eigentlichen Urtheil geschah § 221), so sey der Beklagte allerdings zum Ersatz verpflichtet, indem nun die verzögerte Restitution eine wahre Mora enthalte, und daher die (oben entwickelten) Grundsätze der Mora in Obligationen anwend- bar seyen. Dies ist der Sinn folgender Worte der ange- führten Stelle: "Si servus petitus, vel animal aliud demortuum sit sine dolo malo et culpa possessoris, pretium non esse praestandum plerique ajunt. Sed est verius, si forte distracturus erat petitor si accepisset(t), moram passo debere praestari(u): nam si ei resti- tuisset, distraxisset, et pretium esset lucratus." (t) Diese Worte werden weiter unten berücksichtigt werden. (u) Die Mora in dieser und
der gleich folgenden Stelle wer- den gewöhnlich in dem allgemei- nen Sinn aufgefaßt, als ob sie blos die in der Natur des Rechts- streits liegende Verzögerung be- deuteten, also von Seiten des Be- klagten die (an sich nicht zu ta- delnde) Prozeßführung anstatt des freiwilligen Nachgebens. Schon an sich ist es unwahrscheinlich, daß ein so bestimmter und wich- tiger Kunstausdruck in einer so vagen Bedeutung, völlig verschie- den von dem wahren und techni- schen Sinn, gebraucht seyn sollte. Seitdem wir aber die Natur der arbiträren Klagen aus Gajus kennen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die hier erwähnte mora den Ungehorsam gegen den Restitutionsbefehl des Judex be- zeichnet, also dasselbe, welches anderwärts contumacia heißt. L. 1. L. 2 § 1 de in litem jur. (12. 3). Ohne Zweifel ist in dieser Stelle von einem redlichen Besitzer die Rede. Die Mora ist hier übrigens im eigentlichsten Sinn zu nehmen, und zwar auf die Obligation in der L. C. zu beziehen (§ 258. v). -- Die rich- tige Erklärung der mora in diesen Stellen hat Wetzell Vindications- prozeß S. 179 -- 181, der aber außerdem die Stelle gezwungen und unrichtig erklärt. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. der Judex das Recht des Klägers vorläufig anerkannt unddie Natural-Reſtitution anbefohlen hatte (welches vor dem eigentlichen Urtheil geſchah § 221), ſo ſey der Beklagte allerdings zum Erſatz verpflichtet, indem nun die verzögerte Reſtitution eine wahre Mora enthalte, und daher die (oben entwickelten) Grundſätze der Mora in Obligationen anwend- bar ſeyen. Dies iſt der Sinn folgender Worte der ange- führten Stelle: „Si servus petitus, vel animal aliud demortuum sit sine dolo malo et culpa possessoris, pretium non esse praestandum plerique ajunt. Sed est verius, si forte distracturus erat petitor si accepisset(t), moram passo debere praestari(u): nam si ei resti- tuisset, distraxisset, et pretium esset lucratus.“ (t) Dieſe Worte werden weiter unten berückſichtigt werden. (u) Die Mora in dieſer und
der gleich folgenden Stelle wer- den gewöhnlich in dem allgemei- nen Sinn aufgefaßt, als ob ſie blos die in der Natur des Rechts- ſtreits liegende Verzögerung be- deuteten, alſo von Seiten des Be- klagten die (an ſich nicht zu ta- delnde) Prozeßführung anſtatt des freiwilligen Nachgebens. Schon an ſich iſt es unwahrſcheinlich, daß ein ſo beſtimmter und wich- tiger Kunſtausdruck in einer ſo vagen Bedeutung, völlig verſchie- den von dem wahren und techni- ſchen Sinn, gebraucht ſeyn ſollte. Seitdem wir aber die Natur der arbiträren Klagen aus Gajus kennen, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die hier erwähnte mora den Ungehorſam gegen den Reſtitutionsbefehl des Judex be- zeichnet, alſo daſſelbe, welches anderwärts contumacia heißt. L. 1. L. 2 § 1 de in litem jur. (12. 3). Ohne Zweifel iſt in dieſer Stelle von einem redlichen Beſitzer die Rede. Die Mora iſt hier übrigens im eigentlichſten Sinn zu nehmen, und zwar auf die Obligation in der L. C. zu beziehen (§ 258. v). — Die rich- tige Erklärung der mora in dieſen Stellen hat Wetzell Vindications- prozeß S. 179 — 181, der aber außerdem die Stelle gezwungen und unrichtig erklärt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0196" n="178"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> der Judex das Recht des Klägers vorläufig anerkannt und<lb/> die Natural-Reſtitution anbefohlen hatte (welches vor dem<lb/> eigentlichen Urtheil geſchah § 221), ſo ſey der Beklagte<lb/> allerdings zum Erſatz verpflichtet, indem nun die verzögerte<lb/> Reſtitution eine wahre Mora enthalte, und daher die (oben<lb/> entwickelten) Grundſätze der Mora in Obligationen anwend-<lb/> bar ſeyen. Dies iſt der Sinn folgender Worte der ange-<lb/> führten Stelle:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">„Si servus petitus, vel animal aliud demortuum sit<lb/> sine dolo malo et culpa possessoris, pretium non<lb/> esse praestandum plerique ajunt. Sed est verius,<lb/> si forte distracturus erat petitor si accepisset</hi><note place="foot" n="(t)">Dieſe Worte werden weiter<lb/> unten berückſichtigt werden.</note><hi rendition="#aq">,<lb/><hi rendition="#i">moram passo</hi> debere praestari</hi><note place="foot" n="(u)">Die Mora in dieſer und<lb/> der gleich folgenden Stelle wer-<lb/> den gewöhnlich in dem allgemei-<lb/> nen Sinn aufgefaßt, als ob ſie<lb/> blos die in der Natur des Rechts-<lb/> ſtreits liegende Verzögerung be-<lb/> deuteten, alſo von Seiten des Be-<lb/> klagten die (an ſich nicht zu ta-<lb/> delnde) Prozeßführung anſtatt des<lb/> freiwilligen Nachgebens. Schon<lb/> an ſich iſt es unwahrſcheinlich,<lb/> daß ein ſo beſtimmter und wich-<lb/> tiger Kunſtausdruck in einer ſo<lb/> vagen Bedeutung, völlig verſchie-<lb/> den von dem wahren und techni-<lb/> ſchen Sinn, gebraucht ſeyn ſollte.<lb/> Seitdem wir aber die Natur der<lb/> arbiträren Klagen aus Gajus<lb/> kennen, kann es keinem Zweifel<lb/> unterliegen, daß die hier erwähnte<lb/><hi rendition="#aq">mora</hi> den Ungehorſam gegen den<lb/> Reſtitutionsbefehl des Judex be-<lb/> zeichnet, alſo daſſelbe, welches<lb/> anderwärts <hi rendition="#aq">contumacia</hi> heißt.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 1. <hi rendition="#i">L.</hi> 2 § 1 <hi rendition="#i">de in litem jur.</hi></hi><lb/> (12. 3). Ohne Zweifel iſt in<lb/> dieſer Stelle von einem redlichen<lb/> Beſitzer die Rede. Die Mora iſt<lb/> hier übrigens im eigentlichſten<lb/> Sinn zu nehmen, und zwar auf<lb/> die Obligation in der L. C. zu<lb/> beziehen (§ 258. <hi rendition="#aq">v</hi>). — Die rich-<lb/> tige Erklärung der <hi rendition="#aq">mora</hi> in dieſen<lb/> Stellen hat <hi rendition="#g">Wetzell</hi> Vindications-<lb/> prozeß S. 179 — 181, der aber<lb/> außerdem die Stelle gezwungen<lb/> und unrichtig erklärt.</note><hi rendition="#aq">: nam si ei resti-<lb/> tuisset, distraxisset, et pretium esset lucratus.“</hi></hi></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0196]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
der Judex das Recht des Klägers vorläufig anerkannt und
die Natural-Reſtitution anbefohlen hatte (welches vor dem
eigentlichen Urtheil geſchah § 221), ſo ſey der Beklagte
allerdings zum Erſatz verpflichtet, indem nun die verzögerte
Reſtitution eine wahre Mora enthalte, und daher die (oben
entwickelten) Grundſätze der Mora in Obligationen anwend-
bar ſeyen. Dies iſt der Sinn folgender Worte der ange-
führten Stelle:
„Si servus petitus, vel animal aliud demortuum sit
sine dolo malo et culpa possessoris, pretium non
esse praestandum plerique ajunt. Sed est verius,
si forte distracturus erat petitor si accepisset (t),
moram passo debere praestari (u): nam si ei resti-
tuisset, distraxisset, et pretium esset lucratus.“
(t) Dieſe Worte werden weiter
unten berückſichtigt werden.
(u) Die Mora in dieſer und
der gleich folgenden Stelle wer-
den gewöhnlich in dem allgemei-
nen Sinn aufgefaßt, als ob ſie
blos die in der Natur des Rechts-
ſtreits liegende Verzögerung be-
deuteten, alſo von Seiten des Be-
klagten die (an ſich nicht zu ta-
delnde) Prozeßführung anſtatt des
freiwilligen Nachgebens. Schon
an ſich iſt es unwahrſcheinlich,
daß ein ſo beſtimmter und wich-
tiger Kunſtausdruck in einer ſo
vagen Bedeutung, völlig verſchie-
den von dem wahren und techni-
ſchen Sinn, gebraucht ſeyn ſollte.
Seitdem wir aber die Natur der
arbiträren Klagen aus Gajus
kennen, kann es keinem Zweifel
unterliegen, daß die hier erwähnte
mora den Ungehorſam gegen den
Reſtitutionsbefehl des Judex be-
zeichnet, alſo daſſelbe, welches
anderwärts contumacia heißt.
L. 1. L. 2 § 1 de in litem jur.
(12. 3). Ohne Zweifel iſt in
dieſer Stelle von einem redlichen
Beſitzer die Rede. Die Mora iſt
hier übrigens im eigentlichſten
Sinn zu nehmen, und zwar auf
die Obligation in der L. C. zu
beziehen (§ 258. v). — Die rich-
tige Erklärung der mora in dieſen
Stellen hat Wetzell Vindications-
prozeß S. 179 — 181, der aber
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