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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

A. Bei der Stipulation findet sich in vielen un-
zweifelhaften Stellen der unbedingte Ausspruch, daß von
der Mora an, also oft vor allem Rechtsstreit, der zufällige
Untergang der versprochenen Sache den Schuldner zur
Entschädigung verpflichte (c). Diese Regel erhält ihre
vollständige Bestimmung durch den Gegensatz des Rechts-
zustandes, welcher vor der Mora, in Folge des blos ge-
schlossenen Vertrages, stattfindet. In diesem Zeitraum
haftet der Schuldner nur für denjenigen Untergang, welcher
durch seine Absicht, oder durch seine culpose Handlungen
(nicht durch bloße Unterlassungen) bewirkt wird (d).

B. Ganz derselbe Grundsatz einer unbedingten Ver-
pflichtung soll gelten bei allen Obligationen, auch außer
der Stipulation, welche mit einer Klage auf dare opor-
tere
(einer Condiction) verbunden sind (e). -- Eine
bloße Anwendung dieser Regel ist es, daß der Dieb von
dem Augenblick des Diebstahls an, durch welchen er stets
in eine Mora versetzt wird, den zufälligen Untergang

(c) L. 82 § 1, L. 23 de verb.
obl.
(45. 1), L. 39 § 1 de leg.
1
(30). -- Weniger direct ausge-
sprochen, aber dennoch erkennbar,
findet sich dieselbe Regel auch in
L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1),
L. 5 § 4 de in litem jur. (12. 3),
L. 23 de pec. const.
(13. 5).
(d) L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1).
Aber selbst bei der absichtlichen
Veräußerung, welche hiernach ge-
wiß zum Ersatz verpflichtet, kann
diese Wirkung hinterher dadurch
entkräftet werden, daß die Sache
durch Zufall untergeht, indem nun
die Veräußerung keinen Unterschied
mehr macht. L. 45 de verb. obl.
(45. 1).
(e) L. 5 de reb. cred. (12. 1).
Das dare oportere ist, hier wie
in vielen anderen Stellen, die Be-
zeichnung der Condictionen und
zwar gerade der strengeren Arten
derselben, mit Ausschluß der auf
dare facere oportere gerichteten
incerti condictio.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

A. Bei der Stipulation findet ſich in vielen un-
zweifelhaften Stellen der unbedingte Ausſpruch, daß von
der Mora an, alſo oft vor allem Rechtsſtreit, der zufällige
Untergang der verſprochenen Sache den Schuldner zur
Entſchädigung verpflichte (c). Dieſe Regel erhält ihre
vollſtändige Beſtimmung durch den Gegenſatz des Rechts-
zuſtandes, welcher vor der Mora, in Folge des blos ge-
ſchloſſenen Vertrages, ſtattfindet. In dieſem Zeitraum
haftet der Schuldner nur für denjenigen Untergang, welcher
durch ſeine Abſicht, oder durch ſeine culpoſe Handlungen
(nicht durch bloße Unterlaſſungen) bewirkt wird (d).

B. Ganz derſelbe Grundſatz einer unbedingten Ver-
pflichtung ſoll gelten bei allen Obligationen, auch außer
der Stipulation, welche mit einer Klage auf dare opor-
tere
(einer Condiction) verbunden ſind (e). — Eine
bloße Anwendung dieſer Regel iſt es, daß der Dieb von
dem Augenblick des Diebſtahls an, durch welchen er ſtets
in eine Mora verſetzt wird, den zufälligen Untergang

(c) L. 82 § 1, L. 23 de verb.
obl.
(45. 1), L. 39 § 1 de leg.
1
(30). — Weniger direct ausge-
ſprochen, aber dennoch erkennbar,
findet ſich dieſelbe Regel auch in
L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1),
L. 5 § 4 de in litem jur. (12. 3),
L. 23 de pec. const.
(13. 5).
(d) L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1).
Aber ſelbſt bei der abſichtlichen
Veräußerung, welche hiernach ge-
wiß zum Erſatz verpflichtet, kann
dieſe Wirkung hinterher dadurch
entkräftet werden, daß die Sache
durch Zufall untergeht, indem nun
die Veräußerung keinen Unterſchied
mehr macht. L. 45 de verb. obl.
(45. 1).
(e) L. 5 de reb. cred. (12. 1).
Das dare oportere iſt, hier wie
in vielen anderen Stellen, die Be-
zeichnung der Condictionen und
zwar gerade der ſtrengeren Arten
derſelben, mit Ausſchluß der auf
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incerti condictio.
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[172/0190] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. A. Bei der Stipulation findet ſich in vielen un- zweifelhaften Stellen der unbedingte Ausſpruch, daß von der Mora an, alſo oft vor allem Rechtsſtreit, der zufällige Untergang der verſprochenen Sache den Schuldner zur Entſchädigung verpflichte (c). Dieſe Regel erhält ihre vollſtändige Beſtimmung durch den Gegenſatz des Rechts- zuſtandes, welcher vor der Mora, in Folge des blos ge- ſchloſſenen Vertrages, ſtattfindet. In dieſem Zeitraum haftet der Schuldner nur für denjenigen Untergang, welcher durch ſeine Abſicht, oder durch ſeine culpoſe Handlungen (nicht durch bloße Unterlaſſungen) bewirkt wird (d). B. Ganz derſelbe Grundſatz einer unbedingten Ver- pflichtung ſoll gelten bei allen Obligationen, auch außer der Stipulation, welche mit einer Klage auf dare opor- tere (einer Condiction) verbunden ſind (e). — Eine bloße Anwendung dieſer Regel iſt es, daß der Dieb von dem Augenblick des Diebſtahls an, durch welchen er ſtets in eine Mora verſetzt wird, den zufälligen Untergang (c) L. 82 § 1, L. 23 de verb. obl. (45. 1), L. 39 § 1 de leg. 1 (30). — Weniger direct ausge- ſprochen, aber dennoch erkennbar, findet ſich dieſelbe Regel auch in L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1), L. 5 § 4 de in litem jur. (12. 3), L. 23 de pec. const. (13. 5). (d) L. 91 pr. de verb. obl. (45. 1). Aber ſelbſt bei der abſichtlichen Veräußerung, welche hiernach ge- wiß zum Erſatz verpflichtet, kann dieſe Wirkung hinterher dadurch entkräftet werden, daß die Sache durch Zufall untergeht, indem nun die Veräußerung keinen Unterſchied mehr macht. L. 45 de verb. obl. (45. 1). (e) L. 5 de reb. cred. (12. 1). Das dare oportere iſt, hier wie in vielen anderen Stellen, die Be- zeichnung der Condictionen und zwar gerade der ſtrengeren Arten derſelben, mit Ausſchluß der auf dare facere oportere gerichteten incerti condictio.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/190>, abgerufen am 08.05.2024.