Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Condictionen. X.
Geschäft war die Stipulation, deren juristischer Character
nun durch ihren Ursprung bestimmt wurde. Daher er-
scheint sie als ein dem Darlehen verwandtes, aus ihm
entsprungenes, Geschäft, und sie hat mit demselben die Er-
zeugung der Condiction eben so gemein, wie die expensi-
latio.
Eine nicht undeutliche Hinweisung auf diesen histo-
rischen Zusammenhang der Stipulation, und diesen Grund
des in ihr enthaltenen credere, finde ich in den Worten
der oben abgedruckten L. 2 § 5 de R. C. "quodam actu
ad obligationem comparandam interposito, veluti stipula-
tione."
Die allgemein lautenden Worte quodam actu, so
wie das verbindende veluti, weisen darauf hin, daß die
Stipulation nicht der einzige Fall dieser Art war, dann
aber bleibt uns neben derselben kein anderer Fall voraus-
zusetzen übrig, als die alte nexi obligatio, von deren Auf-
hebung wir bestimmte Nachricht haben, und die in der ur-
sprünglichen Stelle des Paulus (ehe sie unter die Hände
der Compilatoren kam) noch deutlicher bezeichnet gewesen
seyn mag.

Mit dem hier dargestellten historischen Zusammenhang
ist aber noch ein zweyter wohl vereinbar. Es ist möglich,
daß schon vor der L. Poetelia die eben beschriebene Um-
bildung der nexi obligatio in die Stipulation, zum Ge-
brauch der Peregrinen in Rom, vorgenommen wurde.
War Dieses der Fall, so hatte die L. Poetelia, indem sie
für die Römer die nexi obligatio aufhob, blos die Folge,
daß die bisher von den Peregrinen angewendete freyere

Die Condictionen. X.
Geſchäft war die Stipulation, deren juriſtiſcher Character
nun durch ihren Urſprung beſtimmt wurde. Daher er-
ſcheint ſie als ein dem Darlehen verwandtes, aus ihm
entſprungenes, Geſchäft, und ſie hat mit demſelben die Er-
zeugung der Condiction eben ſo gemein, wie die expensi-
latio.
Eine nicht undeutliche Hinweiſung auf dieſen hiſto-
riſchen Zuſammenhang der Stipulation, und dieſen Grund
des in ihr enthaltenen credere, finde ich in den Worten
der oben abgedruckten L. 2 § 5 de R. C. „quodam actu
ad obligationem comparandam interposito, veluti stipula-
tione.”
Die allgemein lautenden Worte quodam actu, ſo
wie das verbindende veluti, weiſen darauf hin, daß die
Stipulation nicht der einzige Fall dieſer Art war, dann
aber bleibt uns neben derſelben kein anderer Fall voraus-
zuſetzen übrig, als die alte nexi obligatio, von deren Auf-
hebung wir beſtimmte Nachricht haben, und die in der ur-
ſprünglichen Stelle des Paulus (ehe ſie unter die Hände
der Compilatoren kam) noch deutlicher bezeichnet geweſen
ſeyn mag.

Mit dem hier dargeſtellten hiſtoriſchen Zuſammenhang
iſt aber noch ein zweyter wohl vereinbar. Es iſt möglich,
daß ſchon vor der L. Poetelia die eben beſchriebene Um-
bildung der nexi obligatio in die Stipulation, zum Ge-
brauch der Peregrinen in Rom, vorgenommen wurde.
War Dieſes der Fall, ſo hatte die L. Poetelia, indem ſie
für die Römer die nexi obligatio aufhob, blos die Folge,
daß die bisher von den Peregrinen angewendete freyere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0553" n="539"/><fw place="top" type="header">Die Condictionen. <hi rendition="#aq">X.</hi></fw><lb/>
Ge&#x017F;chäft war die Stipulation, deren juri&#x017F;ti&#x017F;cher Character<lb/>
nun durch ihren Ur&#x017F;prung be&#x017F;timmt wurde. Daher er-<lb/>
&#x017F;cheint &#x017F;ie als ein dem Darlehen verwandtes, aus ihm<lb/>
ent&#x017F;prungenes, Ge&#x017F;chäft, und &#x017F;ie hat mit dem&#x017F;elben die Er-<lb/>
zeugung der Condiction eben &#x017F;o gemein, wie die <hi rendition="#aq">expensi-<lb/>
latio.</hi> Eine nicht undeutliche Hinwei&#x017F;ung auf die&#x017F;en hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenhang der Stipulation, und die&#x017F;en Grund<lb/>
des in ihr enthaltenen <hi rendition="#aq">credere,</hi> finde ich in den Worten<lb/>
der oben abgedruckten <hi rendition="#aq">L. 2 § 5 de R. C. &#x201E;<hi rendition="#i">quodam actu</hi><lb/>
ad obligationem comparandam interposito, <hi rendition="#i">veluti</hi> stipula-<lb/>
tione.&#x201D;</hi> Die allgemein lautenden Worte <hi rendition="#aq">quodam actu,</hi> &#x017F;o<lb/>
wie das verbindende <hi rendition="#aq">veluti,</hi> wei&#x017F;en darauf hin, daß die<lb/>
Stipulation nicht der einzige Fall die&#x017F;er Art war, dann<lb/>
aber bleibt uns neben der&#x017F;elben kein anderer Fall voraus-<lb/>
zu&#x017F;etzen übrig, als die alte <hi rendition="#aq">nexi obligatio,</hi> von deren Auf-<lb/>
hebung wir be&#x017F;timmte Nachricht haben, und die in der ur-<lb/>
&#x017F;prünglichen Stelle des Paulus (ehe &#x017F;ie unter die Hände<lb/>
der Compilatoren kam) noch deutlicher bezeichnet gewe&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn mag.</p><lb/>
            <p>Mit dem hier darge&#x017F;tellten hi&#x017F;tori&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
i&#x017F;t aber noch ein zweyter wohl vereinbar. Es i&#x017F;t möglich,<lb/>
daß &#x017F;chon vor der <hi rendition="#aq">L. Poetelia</hi> die eben be&#x017F;chriebene Um-<lb/>
bildung der <hi rendition="#aq">nexi obligatio</hi> in die Stipulation, zum Ge-<lb/>
brauch der <hi rendition="#g">Peregrinen</hi> in Rom, vorgenommen wurde.<lb/>
War Die&#x017F;es der Fall, &#x017F;o hatte die <hi rendition="#aq">L. Poetelia,</hi> indem &#x017F;ie<lb/>
für die Römer die <hi rendition="#aq">nexi obligatio</hi> aufhob, blos die Folge,<lb/>
daß die bisher von den Peregrinen angewendete freyere<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[539/0553] Die Condictionen. X. Geſchäft war die Stipulation, deren juriſtiſcher Character nun durch ihren Urſprung beſtimmt wurde. Daher er- ſcheint ſie als ein dem Darlehen verwandtes, aus ihm entſprungenes, Geſchäft, und ſie hat mit demſelben die Er- zeugung der Condiction eben ſo gemein, wie die expensi- latio. Eine nicht undeutliche Hinweiſung auf dieſen hiſto- riſchen Zuſammenhang der Stipulation, und dieſen Grund des in ihr enthaltenen credere, finde ich in den Worten der oben abgedruckten L. 2 § 5 de R. C. „quodam actu ad obligationem comparandam interposito, veluti stipula- tione.” Die allgemein lautenden Worte quodam actu, ſo wie das verbindende veluti, weiſen darauf hin, daß die Stipulation nicht der einzige Fall dieſer Art war, dann aber bleibt uns neben derſelben kein anderer Fall voraus- zuſetzen übrig, als die alte nexi obligatio, von deren Auf- hebung wir beſtimmte Nachricht haben, und die in der ur- ſprünglichen Stelle des Paulus (ehe ſie unter die Hände der Compilatoren kam) noch deutlicher bezeichnet geweſen ſeyn mag. Mit dem hier dargeſtellten hiſtoriſchen Zuſammenhang iſt aber noch ein zweyter wohl vereinbar. Es iſt möglich, daß ſchon vor der L. Poetelia die eben beſchriebene Um- bildung der nexi obligatio in die Stipulation, zum Ge- brauch der Peregrinen in Rom, vorgenommen wurde. War Dieſes der Fall, ſo hatte die L. Poetelia, indem ſie für die Römer die nexi obligatio aufhob, blos die Folge, daß die bisher von den Peregrinen angewendete freyere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/553
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/553>, abgerufen am 21.11.2024.