wahrscheinlich durch den höheren Werth des Gegenstandes mit Nothwendigkeit herbeygeführt, zwischen den Zwey letz- ten Formen hatte wahrscheinlich der Kläger die Wahl.
Die Centumviralklage nun fällt gar nicht in das Ge- biet unsrer Frage, da sie ganz außer dem ordo judiciorum lag (System § 213). Wie streng oder frey die Behand- lung war, muß aus Mangel an Nachrichten dahin gestellt bleiben. Im Justinianischen Recht ist davon keine Spur mehr übrig. -- Die Sponsionsklage war gar nicht in rem; vielmehr wurde hier durch eine erzwungene Stipulation der Streit zwischen dem Eigenthümer und dem Besitzer künstlicherweise in ein Contractsverhältniß verwandelt, und nun war freylich die Klage aus dieser Stipulation eine stricti juris actio, die allerdings im letzten Resultat die Entscheidung über das streitige Eigenthum herbeyführte. -- Die petitoria formula also war die einzige, aus dem Eigenthum entspringende, reine in rem actio; sie ist die Klage, welche wir in unsren Rechtsquellen als rei vindi- catio vorfinden. Diese nun war eine freye Klage, ein arbitrium, worin der arbiter völlig eben so freye Hand hatte, wie in einer bonae fidei actio. Es zeigt sich diese freye Macht zuerst darin, daß der Richter den Kläger ab- zuweisen hatte, wenn der Beklagte nicht besaß, obgleich davon Nichts in der formula stand (b). Sie zeigt sich
(b)L. 9 de rei vind. (6. 1.). "Officium autem judicis in hac actione in hoc erit, ut judex inspiciat, an reus possideat." Daß davon Nichts in der Formel stand, folgt nicht blos aus diesen Worten selbst, sondern es erhellt auch unmittelbar aus den vorhan-
Stricti juris, bonae fidei actiones. IX.
wahrſcheinlich durch den höheren Werth des Gegenſtandes mit Nothwendigkeit herbeygeführt, zwiſchen den Zwey letz- ten Formen hatte wahrſcheinlich der Kläger die Wahl.
Die Centumviralklage nun fällt gar nicht in das Ge- biet unſrer Frage, da ſie ganz außer dem ordo judiciorum lag (Syſtem § 213). Wie ſtreng oder frey die Behand- lung war, muß aus Mangel an Nachrichten dahin geſtellt bleiben. Im Juſtinianiſchen Recht iſt davon keine Spur mehr übrig. — Die Sponſionsklage war gar nicht in rem; vielmehr wurde hier durch eine erzwungene Stipulation der Streit zwiſchen dem Eigenthümer und dem Beſitzer künſtlicherweiſe in ein Contractsverhältniß verwandelt, und nun war freylich die Klage aus dieſer Stipulation eine stricti juris actio, die allerdings im letzten Reſultat die Entſcheidung über das ſtreitige Eigenthum herbeyführte. — Die petitoria formula alſo war die einzige, aus dem Eigenthum entſpringende, reine in rem actio; ſie iſt die Klage, welche wir in unſren Rechtsquellen als rei vindi- catio vorfinden. Dieſe nun war eine freye Klage, ein arbitrium, worin der arbiter völlig eben ſo freye Hand hatte, wie in einer bonae fidei actio. Es zeigt ſich dieſe freye Macht zuerſt darin, daß der Richter den Kläger ab- zuweiſen hatte, wenn der Beklagte nicht beſaß, obgleich davon Nichts in der formula ſtand (b). Sie zeigt ſich
(b)L. 9 de rei vind. (6. 1.). „Officium autem judicis in hac actione in hoc erit, ut judex inspiciat, an reus possideat.” Daß davon Nichts in der Formel ſtand, folgt nicht blos aus dieſen Worten ſelbſt, ſondern es erhellt auch unmittelbar aus den vorhan-
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Stricti juris, bonae fidei actiones. IX.
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mit Nothwendigkeit herbeygeführt, zwiſchen den Zwey letz-
ten Formen hatte wahrſcheinlich der Kläger die Wahl.
Die Centumviralklage nun fällt gar nicht in das Ge-
biet unſrer Frage, da ſie ganz außer dem ordo judiciorum
lag (Syſtem § 213). Wie ſtreng oder frey die Behand-
lung war, muß aus Mangel an Nachrichten dahin geſtellt
bleiben. Im Juſtinianiſchen Recht iſt davon keine Spur
mehr übrig. — Die Sponſionsklage war gar nicht in rem;
vielmehr wurde hier durch eine erzwungene Stipulation
der Streit zwiſchen dem Eigenthümer und dem Beſitzer
künſtlicherweiſe in ein Contractsverhältniß verwandelt, und
nun war freylich die Klage aus dieſer Stipulation eine
stricti juris actio, die allerdings im letzten Reſultat die
Entſcheidung über das ſtreitige Eigenthum herbeyführte. —
Die petitoria formula alſo war die einzige, aus dem
Eigenthum entſpringende, reine in rem actio; ſie iſt die
Klage, welche wir in unſren Rechtsquellen als rei vindi-
catio vorfinden. Dieſe nun war eine freye Klage, ein
arbitrium, worin der arbiter völlig eben ſo freye Hand
hatte, wie in einer bonae fidei actio. Es zeigt ſich dieſe
freye Macht zuerſt darin, daß der Richter den Kläger ab-
zuweiſen hatte, wenn der Beklagte nicht beſaß, obgleich
davon Nichts in der formula ſtand (b). Sie zeigt ſich
(b) L. 9 de rei vind. (6. 1.).
„Officium autem judicis in hac
actione in hoc erit, ut judex
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Daß davon Nichts in der Formel
ſtand, folgt nicht blos aus dieſen
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/491>, abgerufen am 27.11.2024.
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