§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortsetzung.)
Der Schuldner aus einer Stipulation hatte vermittelst eines Betrugs den Erlaß durch bloßes Pactum bewirkt. Gegen die Stipulationsklage wird die pacti exceptio ge- braucht werden; allein diese wird durch die doli replica- tio entkräftet, welche nach dem Ausspruch des Kaisers nicht an die Verjährung der gleichnamigen doli actio gebunden ist. Diese Entscheidung könnte höchstens die Unverjähr- barkeit der Replicationen beweisen, nicht die der Exceptio- nen; sie beweist aber auch jene nicht, weil diese Replica- tion, eben so wie im vorigen Fall die Exception, blos die ungerechte Bereicherung abwehren soll, in welcher Bezie- hung auch schon die Klage jener kurzen Verjährung ent- zogen war. -- Übrigens paßt diese Stelle nicht mehr in den Zusammenhang des Justinianischen Rechts. Denn wenn jetzt seit dem betrüglichen Erlaßvertrag die 30 Jahre abgelaufen sind, durch welche man die doli replicatio für verjährt halten könnte, so muß schon früher die Stipula- tionsklage verjährt seyn; dann aber steht derselben die temporalis praescriptio entgegen, und die pacti exceptio, worauf allein die doli replicatio sich hätte beziehen kön- nen, kommt gar nicht zur Sprache.
Die Schriftsteller haben die eben behandelte Streitfrage gewöhnlich in einem engeren Sinn aufgefaßt, als hier ge- schehen ist. Über die Fälle der ersten Klasse ist gar kein Streit; dabey erkennen Alle die Unverjährbarkeit der Ex-
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§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.)
Der Schuldner aus einer Stipulation hatte vermittelſt eines Betrugs den Erlaß durch bloßes Pactum bewirkt. Gegen die Stipulationsklage wird die pacti exceptio ge- braucht werden; allein dieſe wird durch die doli replica- tio entkräftet, welche nach dem Ausſpruch des Kaiſers nicht an die Verjährung der gleichnamigen doli actio gebunden iſt. Dieſe Entſcheidung könnte höchſtens die Unverjähr- barkeit der Replicationen beweiſen, nicht die der Exceptio- nen; ſie beweiſt aber auch jene nicht, weil dieſe Replica- tion, eben ſo wie im vorigen Fall die Exception, blos die ungerechte Bereicherung abwehren ſoll, in welcher Bezie- hung auch ſchon die Klage jener kurzen Verjährung ent- zogen war. — Übrigens paßt dieſe Stelle nicht mehr in den Zuſammenhang des Juſtinianiſchen Rechts. Denn wenn jetzt ſeit dem betrüglichen Erlaßvertrag die 30 Jahre abgelaufen ſind, durch welche man die doli replicatio für verjährt halten könnte, ſo muß ſchon früher die Stipula- tionsklage verjährt ſeyn; dann aber ſteht derſelben die temporalis praescriptio entgegen, und die pacti exceptio, worauf allein die doli replicatio ſich hätte beziehen kön- nen, kommt gar nicht zur Sprache.
Die Schriftſteller haben die eben behandelte Streitfrage gewöhnlich in einem engeren Sinn aufgefaßt, als hier ge- ſchehen iſt. Über die Fälle der erſten Klaſſe iſt gar kein Streit; dabey erkennen Alle die Unverjährbarkeit der Ex-
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§. 255. Verjährung der Exceptionen. (Fortſetzung.)
Der Schuldner aus einer Stipulation hatte vermittelſt
eines Betrugs den Erlaß durch bloßes Pactum bewirkt.
Gegen die Stipulationsklage wird die pacti exceptio ge-
braucht werden; allein dieſe wird durch die doli replica-
tio entkräftet, welche nach dem Ausſpruch des Kaiſers nicht
an die Verjährung der gleichnamigen doli actio gebunden
iſt. Dieſe Entſcheidung könnte höchſtens die Unverjähr-
barkeit der Replicationen beweiſen, nicht die der Exceptio-
nen; ſie beweiſt aber auch jene nicht, weil dieſe Replica-
tion, eben ſo wie im vorigen Fall die Exception, blos die
ungerechte Bereicherung abwehren ſoll, in welcher Bezie-
hung auch ſchon die Klage jener kurzen Verjährung ent-
zogen war. — Übrigens paßt dieſe Stelle nicht mehr in
den Zuſammenhang des Juſtinianiſchen Rechts. Denn
wenn jetzt ſeit dem betrüglichen Erlaßvertrag die 30 Jahre
abgelaufen ſind, durch welche man die doli replicatio für
verjährt halten könnte, ſo muß ſchon früher die Stipula-
tionsklage verjährt ſeyn; dann aber ſteht derſelben die
temporalis praescriptio entgegen, und die pacti exceptio,
worauf allein die doli replicatio ſich hätte beziehen kön-
nen, kommt gar nicht zur Sprache.
Die Schriftſteller haben die eben behandelte Streitfrage
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/449>, abgerufen am 23.12.2024.
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