Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Es bleiben demnach nur die civilen Obligationen, das
heißt die persönlichen Klagen, als Gegenstand der fer-
neren Untersuchung übrig, und eben in diesem wichtigsten
Theil der ganzen Untersuchung zeigt sich der oben ange-
gebene Ausdruck der Streitfrage ganz verderblich. Denn
gerade auf diesem Gebiet finden wir im Römischen Recht
sehr bestimmte Begriffe, und zu deren Bezeichnung genaue
Kunstausdrücke; der hierdurch dargebotene Vortheil der
Sicherheit in der Untersuchung geht aber durch jenen will-
kührlich gewählten Ausdruck großentheils verloren, und
gewiß liegt hierin ein Hauptgrund, warum in dieser Lehre
bisher durch den Streit so wenig Fortschritt zur Einigung
bewirkt worden ist.

Im Römischen Recht kommen bey der Entkräftung
einer früher wirksamen civilen Obligation folgende ver-
schiedene Fälle vor:

1) Aufhebung der Obligation ipso jure. Beyspiele:
Erfüllung, Confusion, Novation.
2) Aufhebung per exceptionem, so daß zugleich auch
die naturalis obligatio zerstört wird. Beyspiele: exceptio
pacti, jurisjurandi.
-- Dieser Fall nähert sich in der Wir-
kung dem ersten, bleibt aber doch von demselben wesentlich
verschieden (§ 225).
3) Aufhebung per exceptionem, so daß die Obligation
sitive Anstalt zur Zerstörung durch
Versäumniß getroffen hätte, wel-
ches nur nicht Klagverjährung ge-
wesen wäre; daß daran kein Ge-
setzgeber gedacht hat, erklärt sich
aus der Seltenheit und praktischen
Unwichtigkeit der bloßen naturales
obligationes.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Es bleiben demnach nur die civilen Obligationen, das
heißt die perſönlichen Klagen, als Gegenſtand der fer-
neren Unterſuchung übrig, und eben in dieſem wichtigſten
Theil der ganzen Unterſuchung zeigt ſich der oben ange-
gebene Ausdruck der Streitfrage ganz verderblich. Denn
gerade auf dieſem Gebiet finden wir im Römiſchen Recht
ſehr beſtimmte Begriffe, und zu deren Bezeichnung genaue
Kunſtausdrücke; der hierdurch dargebotene Vortheil der
Sicherheit in der Unterſuchung geht aber durch jenen will-
kührlich gewählten Ausdruck großentheils verloren, und
gewiß liegt hierin ein Hauptgrund, warum in dieſer Lehre
bisher durch den Streit ſo wenig Fortſchritt zur Einigung
bewirkt worden iſt.

Im Römiſchen Recht kommen bey der Entkräftung
einer früher wirkſamen civilen Obligation folgende ver-
ſchiedene Fälle vor:

1) Aufhebung der Obligation ipso jure. Beyſpiele:
Erfüllung, Confuſion, Novation.
2) Aufhebung per exceptionem, ſo daß zugleich auch
die naturalis obligatio zerſtört wird. Beyſpiele: exceptio
pacti, jurisjurandi.
— Dieſer Fall nähert ſich in der Wir-
kung dem erſten, bleibt aber doch von demſelben weſentlich
verſchieden (§ 225).
3) Aufhebung per exceptionem, ſo daß die Obligation
ſitive Anſtalt zur Zerſtörung durch
Verſäumniß getroffen hätte, wel-
ches nur nicht Klagverjährung ge-
weſen wäre; daß daran kein Ge-
ſetzgeber gedacht hat, erklärt ſich
aus der Seltenheit und praktiſchen
Unwichtigkeit der bloßen naturales
obligationes.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0384" n="370"/>
            <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
            <p>Es bleiben demnach nur die civilen Obligationen, das<lb/>
heißt die per&#x017F;önlichen <hi rendition="#g">Klagen</hi>, als Gegen&#x017F;tand der fer-<lb/>
neren Unter&#x017F;uchung übrig, und eben in die&#x017F;em wichtig&#x017F;ten<lb/>
Theil der ganzen Unter&#x017F;uchung zeigt &#x017F;ich der oben ange-<lb/>
gebene Ausdruck der Streitfrage ganz verderblich. Denn<lb/>
gerade auf die&#x017F;em Gebiet finden wir im Römi&#x017F;chen Recht<lb/>
&#x017F;ehr be&#x017F;timmte Begriffe, und zu deren Bezeichnung genaue<lb/>
Kun&#x017F;tausdrücke; der hierdurch dargebotene Vortheil der<lb/>
Sicherheit in der Unter&#x017F;uchung geht aber durch jenen will-<lb/>
kührlich gewählten Ausdruck großentheils verloren, und<lb/>
gewiß liegt hierin ein Hauptgrund, warum in die&#x017F;er Lehre<lb/>
bisher durch den Streit &#x017F;o wenig Fort&#x017F;chritt zur Einigung<lb/>
bewirkt worden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Im Römi&#x017F;chen Recht kommen bey der Entkräftung<lb/>
einer früher wirk&#x017F;amen civilen Obligation folgende ver-<lb/>
&#x017F;chiedene Fälle vor:</p><lb/>
            <list>
              <item>1) Aufhebung der Obligation <hi rendition="#aq">ipso jure.</hi> Bey&#x017F;piele:<lb/>
Erfüllung, Confu&#x017F;ion, Novation.</item><lb/>
              <item>2) Aufhebung <hi rendition="#aq">per exceptionem,</hi> &#x017F;o daß zugleich auch<lb/>
die <hi rendition="#aq">naturalis obligatio</hi> zer&#x017F;tört wird. Bey&#x017F;piele: <hi rendition="#aq">exceptio<lb/>
pacti, jurisjurandi.</hi> &#x2014; Die&#x017F;er Fall nähert &#x017F;ich in der Wir-<lb/>
kung dem er&#x017F;ten, bleibt aber doch von dem&#x017F;elben we&#x017F;entlich<lb/>
ver&#x017F;chieden (§ 225).</item><lb/>
              <item>3) Aufhebung <hi rendition="#aq">per exceptionem,</hi> &#x017F;o daß die Obligation<lb/><note xml:id="seg2pn_58_2" prev="#seg2pn_58_1" place="foot" n="(h)">&#x017F;itive An&#x017F;talt zur Zer&#x017F;törung durch<lb/>
Ver&#x017F;äumniß getroffen hätte, wel-<lb/>
ches nur nicht Klagverjährung ge-<lb/>
we&#x017F;en wäre; daß daran kein Ge-<lb/>
&#x017F;etzgeber gedacht hat, erklärt &#x017F;ich<lb/>
aus der Seltenheit und prakti&#x017F;chen<lb/>
Unwichtigkeit der bloßen <hi rendition="#aq">naturales<lb/>
obligationes.</hi></note><lb/></item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[370/0384] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Es bleiben demnach nur die civilen Obligationen, das heißt die perſönlichen Klagen, als Gegenſtand der fer- neren Unterſuchung übrig, und eben in dieſem wichtigſten Theil der ganzen Unterſuchung zeigt ſich der oben ange- gebene Ausdruck der Streitfrage ganz verderblich. Denn gerade auf dieſem Gebiet finden wir im Römiſchen Recht ſehr beſtimmte Begriffe, und zu deren Bezeichnung genaue Kunſtausdrücke; der hierdurch dargebotene Vortheil der Sicherheit in der Unterſuchung geht aber durch jenen will- kührlich gewählten Ausdruck großentheils verloren, und gewiß liegt hierin ein Hauptgrund, warum in dieſer Lehre bisher durch den Streit ſo wenig Fortſchritt zur Einigung bewirkt worden iſt. Im Römiſchen Recht kommen bey der Entkräftung einer früher wirkſamen civilen Obligation folgende ver- ſchiedene Fälle vor: 1) Aufhebung der Obligation ipso jure. Beyſpiele: Erfüllung, Confuſion, Novation. 2) Aufhebung per exceptionem, ſo daß zugleich auch die naturalis obligatio zerſtört wird. Beyſpiele: exceptio pacti, jurisjurandi. — Dieſer Fall nähert ſich in der Wir- kung dem erſten, bleibt aber doch von demſelben weſentlich verſchieden (§ 225). 3) Aufhebung per exceptionem, ſo daß die Obligation (h) (h) ſitive Anſtalt zur Zerſtörung durch Verſäumniß getroffen hätte, wel- ches nur nicht Klagverjährung ge- weſen wäre; daß daran kein Ge- ſetzgeber gedacht hat, erklärt ſich aus der Seltenheit und praktiſchen Unwichtigkeit der bloßen naturales obligationes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/384
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/384>, abgerufen am 03.05.2024.