Bey dem Ablauf der Zeit sind noch folgende allgemei- nere Fragen zu beantworten:
Zuerst die Art der Berechnung. Bey den Verjährun- gen von Einem Jahr oder weniger gilt utile tempus, bey längeren continuum. -- Bey allen Klagverjährungen wird die civile Zeitrechnung in der Art angewendet, daß die Verjährung erst vollendet ist mit dem Ablauf des Kalen- dertages, in dessen Umfang der natürlich berechnete End- punkt (das momentum temporis) liegt (ff).
Wichtiger ist die Frage, ob der Ablauf der Zeit nur unter denselben Individuen eintreten kann, unter welchen die Klagverjährung angefangen hat, oder ob in den Lauf derselben auch andere Individuen durch accessio temporis eintreten können. Nach allgemeinen Grundsätzen kann die Beantwortung dieser Frage nicht zweifelhaft seyn. Die Rechtsform, unter welcher die Klagverjährung bewirkt wird, ist die einer Exception; Exceptionen aber gehen in der Regel von beiden Seiten auf Erben und Singular- successoren über, mit Ausnahme der seltneren Fälle, worin die Exception auf einem ganz individuellen Verhältniß be- ruht (§ 227). Daß nun der Fall dieser Ausnahme bey der temporalis praescriptio nicht vorhanden ist, wird Je- der zugeben. Von diesem Standpunkt aus müssen wir sagen: der Vortheil der Verjährung gebührt dem ursprüng- lichen Beklagten, dem Erben desselben, dem Käufer, Do- natar u. s. w., aber nicht denjenigen Personen, die ohne
(ff) Vgl. oben B. 4 § 185. 189. 190.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Bey dem Ablauf der Zeit ſind noch folgende allgemei- nere Fragen zu beantworten:
Zuerſt die Art der Berechnung. Bey den Verjährun- gen von Einem Jahr oder weniger gilt utile tempus, bey längeren continuum. — Bey allen Klagverjährungen wird die civile Zeitrechnung in der Art angewendet, daß die Verjährung erſt vollendet iſt mit dem Ablauf des Kalen- dertages, in deſſen Umfang der natürlich berechnete End- punkt (das momentum temporis) liegt (ff).
Wichtiger iſt die Frage, ob der Ablauf der Zeit nur unter denſelben Individuen eintreten kann, unter welchen die Klagverjährung angefangen hat, oder ob in den Lauf derſelben auch andere Individuen durch accessio temporis eintreten können. Nach allgemeinen Grundſätzen kann die Beantwortung dieſer Frage nicht zweifelhaft ſeyn. Die Rechtsform, unter welcher die Klagverjährung bewirkt wird, iſt die einer Exception; Exceptionen aber gehen in der Regel von beiden Seiten auf Erben und Singular- ſucceſſoren über, mit Ausnahme der ſeltneren Fälle, worin die Exception auf einem ganz individuellen Verhältniß be- ruht (§ 227). Daß nun der Fall dieſer Ausnahme bey der temporalis praescriptio nicht vorhanden iſt, wird Je- der zugeben. Von dieſem Standpunkt aus müſſen wir ſagen: der Vortheil der Verjährung gebührt dem urſprüng- lichen Beklagten, dem Erben deſſelben, dem Käufer, Do- natar u. ſ. w., aber nicht denjenigen Perſonen, die ohne
(ff) Vgl. oben B. 4 § 185. 189. 190.
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Bey dem Ablauf der Zeit ſind noch folgende allgemei-
nere Fragen zu beantworten:
Zuerſt die Art der Berechnung. Bey den Verjährun-
gen von Einem Jahr oder weniger gilt utile tempus, bey
längeren continuum. — Bey allen Klagverjährungen wird
die civile Zeitrechnung in der Art angewendet, daß die
Verjährung erſt vollendet iſt mit dem Ablauf des Kalen-
dertages, in deſſen Umfang der natürlich berechnete End-
punkt (das momentum temporis) liegt (ff).
Wichtiger iſt die Frage, ob der Ablauf der Zeit nur
unter denſelben Individuen eintreten kann, unter welchen
die Klagverjährung angefangen hat, oder ob in den Lauf
derſelben auch andere Individuen durch accessio temporis
eintreten können. Nach allgemeinen Grundſätzen kann die
Beantwortung dieſer Frage nicht zweifelhaft ſeyn. Die
Rechtsform, unter welcher die Klagverjährung bewirkt
wird, iſt die einer Exception; Exceptionen aber gehen in
der Regel von beiden Seiten auf Erben und Singular-
ſucceſſoren über, mit Ausnahme der ſeltneren Fälle, worin
die Exception auf einem ganz individuellen Verhältniß be-
ruht (§ 227). Daß nun der Fall dieſer Ausnahme bey
der temporalis praescriptio nicht vorhanden iſt, wird Je-
der zugeben. Von dieſem Standpunkt aus müſſen wir
ſagen: der Vortheil der Verjährung gebührt dem urſprüng-
lichen Beklagten, dem Erben deſſelben, dem Käufer, Do-
natar u. ſ. w., aber nicht denjenigen Perſonen, die ohne
(ff) Vgl. oben B. 4 § 185. 189. 190.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/376>, abgerufen am 23.12.2024.
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