Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.

sam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allege-
tur praescriptio
(d) , cujus contrarii memoria non ex-
sistat.

Diese letzte Stelle hat darin den Gesichtspunkt des
Römischen Rechts festgehalten, daß sie die unvordenkliche
Zeit lediglich erfordert, wo ein publicistisches Hinderniß
des behaupteten Rechts aus dem Wege zu räumen ist;
darin aber weicht sie ab, daß sie den unvordenklichen Besitz
bey einem und demselben Gegenstand mit der Usucapion
zuläßt, deren fehlende Bedingungen durch ihn ersetzt wer-
den sollen. Wäre die Ansicht des Römischen Rechts völlig
festgehalten worden, so hätte in allen Fällen der Zehenten
in fremden Diöcesen der unvordenkliche Besitz gefordert
werden müssen, ohne Unterschied des vorhandenen oder
nicht vorhandenen Titels. Die Abweichung liegt also nicht
sowohl in der Zulassung der unvordenklichen Zeit, als viel-
mehr in dem zugelassenen 40jährigen Besitz unter Voraus-
setzung eines Titels. Man kann daher auch nicht sagen
(worauf hier das Meiste ankommt), daß das canonische
Recht für die unvordenkliche Zeit überhaupt einen ganz

(d) Unterholzner § 143
läßt abdrucken probatio anstatt
praescriptio, wahrscheinlich in
Folge eines bloßen Schreibfeh-
lers. Schelling S. 3. 52 nennt
die Leseart praescriptio neueres
Machwerk, probatio die ältere
und richtige Leseart. Ich wünschte,
er hätte seine Quellen angegeben,
nach meiner Untersuchung kommt
nur praescriptio vor. So in
zwey Handschriften (Berliner
Bibliothek und meine Samm-
lung), ferner in der Glosse me-
moria
des Johannes Andreä, end-
lich in den Ausgaben von 1473.
1477. 1479. 1482. Auch der in-
nere Zusammenhang der Stelle
deutet auf praescriptio.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.

sam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allege-
tur praescriptio
(d) , cujus contrarii memoria non ex-
sistat.

Dieſe letzte Stelle hat darin den Geſichtspunkt des
Römiſchen Rechts feſtgehalten, daß ſie die unvordenkliche
Zeit lediglich erfordert, wo ein publiciſtiſches Hinderniß
des behaupteten Rechts aus dem Wege zu räumen iſt;
darin aber weicht ſie ab, daß ſie den unvordenklichen Beſitz
bey einem und demſelben Gegenſtand mit der Uſucapion
zuläßt, deren fehlende Bedingungen durch ihn erſetzt wer-
den ſollen. Wäre die Anſicht des Römiſchen Rechts völlig
feſtgehalten worden, ſo hätte in allen Fällen der Zehenten
in fremden Diöceſen der unvordenkliche Beſitz gefordert
werden müſſen, ohne Unterſchied des vorhandenen oder
nicht vorhandenen Titels. Die Abweichung liegt alſo nicht
ſowohl in der Zulaſſung der unvordenklichen Zeit, als viel-
mehr in dem zugelaſſenen 40jährigen Beſitz unter Voraus-
ſetzung eines Titels. Man kann daher auch nicht ſagen
(worauf hier das Meiſte ankommt), daß das canoniſche
Recht für die unvordenkliche Zeit überhaupt einen ganz

(d) Unterholzner § 143
läßt abdrucken probatio anſtatt
praescriptio, wahrſcheinlich in
Folge eines bloßen Schreibfeh-
lers. Schelling S. 3. 52 nennt
die Leſeart praescriptio neueres
Machwerk, probatio die ältere
und richtige Leſeart. Ich wünſchte,
er hätte ſeine Quellen angegeben,
nach meiner Unterſuchung kommt
nur praescriptio vor. So in
zwey Handſchriften (Berliner
Bibliothek und meine Samm-
lung), ferner in der Gloſſe me-
moria
des Johannes Andreä, end-
lich in den Ausgaben von 1473.
1477. 1479. 1482. Auch der in-
nere Zuſammenhang der Stelle
deutet auf praescriptio.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0522" n="508"/>
              <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">sam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allege-<lb/>
tur praescriptio</hi> <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#g">Unterholzner</hi> § 143<lb/>
läßt abdrucken <hi rendition="#aq">probatio</hi> an&#x017F;tatt<lb/><hi rendition="#aq">praescriptio,</hi> wahr&#x017F;cheinlich in<lb/>
Folge eines bloßen Schreibfeh-<lb/>
lers. <hi rendition="#g">Schelling</hi> S. 3. 52 nennt<lb/>
die Le&#x017F;eart <hi rendition="#aq">praescriptio</hi> neueres<lb/>
Machwerk, <hi rendition="#aq">probatio</hi> die ältere<lb/>
und richtige Le&#x017F;eart. Ich wün&#x017F;chte,<lb/>
er hätte &#x017F;eine Quellen angegeben,<lb/>
nach meiner Unter&#x017F;uchung kommt<lb/>
nur <hi rendition="#aq">praescriptio</hi> vor. So in<lb/>
zwey Hand&#x017F;chriften (Berliner<lb/>
Bibliothek und meine Samm-<lb/>
lung), ferner in der Glo&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">me-<lb/>
moria</hi></hi> des Johannes Andreä, end-<lb/>
lich in den Ausgaben von 1473.<lb/>
1477. 1479. 1482. Auch der in-<lb/>
nere Zu&#x017F;ammenhang der Stelle<lb/>
deutet auf <hi rendition="#aq">praescriptio.</hi></note> <hi rendition="#aq">, <hi rendition="#i">cujus contrarii memoria non ex-<lb/>
sistat.</hi></hi> </hi> </p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e letzte Stelle hat darin den Ge&#x017F;ichtspunkt des<lb/>
Römi&#x017F;chen Rechts fe&#x017F;tgehalten, daß &#x017F;ie die unvordenkliche<lb/>
Zeit lediglich erfordert, wo ein publici&#x017F;ti&#x017F;ches Hinderniß<lb/>
des behaupteten Rechts aus dem Wege zu räumen i&#x017F;t;<lb/>
darin aber weicht &#x017F;ie ab, daß &#x017F;ie den unvordenklichen Be&#x017F;itz<lb/>
bey einem und dem&#x017F;elben Gegen&#x017F;tand mit der U&#x017F;ucapion<lb/>
zuläßt, deren fehlende Bedingungen durch ihn er&#x017F;etzt wer-<lb/>
den &#x017F;ollen. Wäre die An&#x017F;icht des Römi&#x017F;chen Rechts völlig<lb/>
fe&#x017F;tgehalten worden, &#x017F;o hätte in allen Fällen der Zehenten<lb/>
in fremden Diöce&#x017F;en der unvordenkliche Be&#x017F;itz gefordert<lb/>
werden mü&#x017F;&#x017F;en, ohne Unter&#x017F;chied des vorhandenen oder<lb/>
nicht vorhandenen Titels. Die Abweichung liegt al&#x017F;o nicht<lb/>
&#x017F;owohl in der Zula&#x017F;&#x017F;ung der unvordenklichen Zeit, als viel-<lb/>
mehr in dem zugela&#x017F;&#x017F;enen 40jährigen Be&#x017F;itz unter Voraus-<lb/>
&#x017F;etzung eines Titels. Man kann daher auch nicht &#x017F;agen<lb/>
(worauf hier das Mei&#x017F;te ankommt), daß das canoni&#x017F;che<lb/>
Recht für die unvordenkliche Zeit überhaupt einen ganz<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0522] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. sam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allege- tur praescriptio (d) , cujus contrarii memoria non ex- sistat. Dieſe letzte Stelle hat darin den Geſichtspunkt des Römiſchen Rechts feſtgehalten, daß ſie die unvordenkliche Zeit lediglich erfordert, wo ein publiciſtiſches Hinderniß des behaupteten Rechts aus dem Wege zu räumen iſt; darin aber weicht ſie ab, daß ſie den unvordenklichen Beſitz bey einem und demſelben Gegenſtand mit der Uſucapion zuläßt, deren fehlende Bedingungen durch ihn erſetzt wer- den ſollen. Wäre die Anſicht des Römiſchen Rechts völlig feſtgehalten worden, ſo hätte in allen Fällen der Zehenten in fremden Diöceſen der unvordenkliche Beſitz gefordert werden müſſen, ohne Unterſchied des vorhandenen oder nicht vorhandenen Titels. Die Abweichung liegt alſo nicht ſowohl in der Zulaſſung der unvordenklichen Zeit, als viel- mehr in dem zugelaſſenen 40jährigen Beſitz unter Voraus- ſetzung eines Titels. Man kann daher auch nicht ſagen (worauf hier das Meiſte ankommt), daß das canoniſche Recht für die unvordenkliche Zeit überhaupt einen ganz (d) Unterholzner § 143 läßt abdrucken probatio anſtatt praescriptio, wahrſcheinlich in Folge eines bloßen Schreibfeh- lers. Schelling S. 3. 52 nennt die Leſeart praescriptio neueres Machwerk, probatio die ältere und richtige Leſeart. Ich wünſchte, er hätte ſeine Quellen angegeben, nach meiner Unterſuchung kommt nur praescriptio vor. So in zwey Handſchriften (Berliner Bibliothek und meine Samm- lung), ferner in der Gloſſe me- moria des Johannes Andreä, end- lich in den Ausgaben von 1473. 1477. 1479. 1482. Auch der in- nere Zuſammenhang der Stelle deutet auf praescriptio.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/522
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/522>, abgerufen am 22.11.2024.