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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§ 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.)
so zeigt sie sich bald als unhaltbar. Die zwey oben mitge-
theilten Stellen über die unvordenkliche Zeit reden vom
aquaeductus, eben so aber auch zwey der Stellen, welche
die longa possessio für genügend erklären (Note i). Nun
ist allerdings die Wasserleitung darin eigenthümlich, daß
sie bald continua ist (wie bey einer Brunnenröhre), bald
discontinua (wie bey der Wiesenwässerung); man müßte
also die angeführten vier Stellen so erklären, daß man in
zwey derselben den Fall einer continua, in zwey andere
den einer discontinua stillschweigend hinein interpretirte.
Allein ein so gewaltsames Verfahren muß als sehr be-
denklich verworfen werden, da es weder durch eine An-
deutung in den Stellen selbst, noch durch irgend eine an-
derwärts begründete Analogie unterstützt wird (v). Völlig
entscheidend aber gegen die angeführte Meynung ist der
Umstand, daß in einer andern Stelle die longa possessio
für den Erwerb der Wegeservitut als hinreichend erklärt
wird (Note k), welche Servitut doch stets discontinua ist,
also nach jener Meynung nur durch unvordenkliche Zeit
erworben werden müßte.

Folgende Betrachtung soll die Auslegung unsrer Stel-
len vorbereiten, die ich für befriedigend halte. Servituten
entstehen regelmäßig durch Vertrag mit dem Eigenthümer

(v) Die Stellen, die den 10
oder 20 jährigen Besitz für hin-
reichend zum Erwerb eines aquae-
ductus
erklären (Note i), spre-
chen ganz allgemein, ohne diesen
Ausspruch auf den continuus
aquaeductus
zu beschränken, wel-
ches unmöglich verschwiegen wer-
den konnte, wenn es wirklich Be-
dingung jenes Erwerbs gewesen
wäre.
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§ 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht. (Fortſ.)
ſo zeigt ſie ſich bald als unhaltbar. Die zwey oben mitge-
theilten Stellen über die unvordenkliche Zeit reden vom
aquaeductus, eben ſo aber auch zwey der Stellen, welche
die longa possessio für genügend erklären (Note i). Nun
iſt allerdings die Waſſerleitung darin eigenthümlich, daß
ſie bald continua iſt (wie bey einer Brunnenröhre), bald
discontinua (wie bey der Wieſenwäſſerung); man müßte
alſo die angeführten vier Stellen ſo erklären, daß man in
zwey derſelben den Fall einer continua, in zwey andere
den einer discontinua ſtillſchweigend hinein interpretirte.
Allein ein ſo gewaltſames Verfahren muß als ſehr be-
denklich verworfen werden, da es weder durch eine An-
deutung in den Stellen ſelbſt, noch durch irgend eine an-
derwärts begründete Analogie unterſtützt wird (v). Völlig
entſcheidend aber gegen die angeführte Meynung iſt der
Umſtand, daß in einer andern Stelle die longa possessio
für den Erwerb der Wegeſervitut als hinreichend erklärt
wird (Note k), welche Servitut doch ſtets discontinua iſt,
alſo nach jener Meynung nur durch unvordenkliche Zeit
erworben werden müßte.

Folgende Betrachtung ſoll die Auslegung unſrer Stel-
len vorbereiten, die ich für befriedigend halte. Servituten
entſtehen regelmäßig durch Vertrag mit dem Eigenthümer

(v) Die Stellen, die den 10
oder 20 jährigen Beſitz für hin-
reichend zum Erwerb eines aquae-
ductus
erklären (Note i), ſpre-
chen ganz allgemein, ohne dieſen
Ausſpruch auf den continuus
aquaeductus
zu beſchränken, wel-
ches unmöglich verſchwiegen wer-
den konnte, wenn es wirklich Be-
dingung jenes Erwerbs geweſen
wäre.
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[499/0513] § 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römiſches Recht. (Fortſ.) ſo zeigt ſie ſich bald als unhaltbar. Die zwey oben mitge- theilten Stellen über die unvordenkliche Zeit reden vom aquaeductus, eben ſo aber auch zwey der Stellen, welche die longa possessio für genügend erklären (Note i). Nun iſt allerdings die Waſſerleitung darin eigenthümlich, daß ſie bald continua iſt (wie bey einer Brunnenröhre), bald discontinua (wie bey der Wieſenwäſſerung); man müßte alſo die angeführten vier Stellen ſo erklären, daß man in zwey derſelben den Fall einer continua, in zwey andere den einer discontinua ſtillſchweigend hinein interpretirte. Allein ein ſo gewaltſames Verfahren muß als ſehr be- denklich verworfen werden, da es weder durch eine An- deutung in den Stellen ſelbſt, noch durch irgend eine an- derwärts begründete Analogie unterſtützt wird (v). Völlig entſcheidend aber gegen die angeführte Meynung iſt der Umſtand, daß in einer andern Stelle die longa possessio für den Erwerb der Wegeſervitut als hinreichend erklärt wird (Note k), welche Servitut doch ſtets discontinua iſt, alſo nach jener Meynung nur durch unvordenkliche Zeit erworben werden müßte. Folgende Betrachtung ſoll die Auslegung unſrer Stel- len vorbereiten, die ich für befriedigend halte. Servituten entſtehen regelmäßig durch Vertrag mit dem Eigenthümer (v) Die Stellen, die den 10 oder 20 jährigen Beſitz für hin- reichend zum Erwerb eines aquae- ductus erklären (Note i), ſpre- chen ganz allgemein, ohne dieſen Ausſpruch auf den continuus aquaeductus zu beſchränken, wel- ches unmöglich verſchwiegen wer- den konnte, wenn es wirklich Be- dingung jenes Erwerbs geweſen wäre. 32*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/513>, abgerufen am 16.07.2024.