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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.)
mationen gegen städtische Wahlen an die Frist von duo
menses
gebunden werden, ist so anzuwenden, daß auch
die am 61 ten Tage erhobene Reclamation noch ange-
nommen werden muß (p).

Unter dem dies dieser Stelle ist, nach den oben (§ 182)
dargelegten Gründen, ein Kalendertag zu verstehen. Den
größten Anstoß aber erregte von jeher sehr natürlich die
Zahl 61, die weder mit der gewöhnlichen Berechnung des
Monats zu 30 Tagen vereinbar schien, noch mit der an-
derwärts vorkommenden Bestimmung, daß die Anklage
wegen Ehebruchs nothwendig am sechzigsten Tage erhoben
werden müsse (q). Die Meisten nahmen von jeher an, es
werde hier aus besonderer Milde ein Tag zugegeben, und
da doch die Stelle so allgemein gefaßt, und mit der Vor-
schrift über den Ehebruch schwer vereinbar war, so wurde
hinzugefügt, die Milde gelte nur da, wo menses, nicht
wo dies in einem Gesetz erwähnt würden (r). Daß diese,

(p) Die Beziehung unsrer Stelle
auf die Reclamationen gegen
städtische Wahlen ist sehr alt.
Schon die Glosse deutet sie an,
indem sie als Parallelstelle die
L. 1 C. de temp. et repar. an-
führt, jedoch nur als eine unter
mehreren. Bulgarus im Com-
mentar zum tit. de R. J. hat
diese Parallele noch nicht angege-
ben. -- J. Gothofredus im
Commentar hat diese Beziehung
nicht nur bestimmt behauptet, son-
dern auch auf überzeugende Weise
dargethan. Nur darin bleibt er
völlig unbefriedigend, daß er sich
mit der Bedeutung von lex als
einer gesetzlichen Vorschrift über-
haupt begnügt ("haec reg. uti
dixi est nominatim de legali
praescriptione per menses"
),
ohne einen bestimmten Römischen
Volksschluß, woran doch Paulus
nothwendig gedacht haben muß,
anzugeben, oder auch nur darnach
zu suchen.
(q) L. 30 § 1 ad L. J. de
adult.
(48. 5.).
(r) Die Milde macht schon die
Glosse geltend, nach ihr viele An-

§. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.)
mationen gegen ſtädtiſche Wahlen an die Friſt von duo
menses
gebunden werden, iſt ſo anzuwenden, daß auch
die am 61 ten Tage erhobene Reclamation noch ange-
nommen werden muß (p).

Unter dem dies dieſer Stelle iſt, nach den oben (§ 182)
dargelegten Gründen, ein Kalendertag zu verſtehen. Den
größten Anſtoß aber erregte von jeher ſehr natürlich die
Zahl 61, die weder mit der gewöhnlichen Berechnung des
Monats zu 30 Tagen vereinbar ſchien, noch mit der an-
derwärts vorkommenden Beſtimmung, daß die Anklage
wegen Ehebruchs nothwendig am ſechzigſten Tage erhoben
werden müſſe (q). Die Meiſten nahmen von jeher an, es
werde hier aus beſonderer Milde ein Tag zugegeben, und
da doch die Stelle ſo allgemein gefaßt, und mit der Vor-
ſchrift über den Ehebruch ſchwer vereinbar war, ſo wurde
hinzugefügt, die Milde gelte nur da, wo menses, nicht
wo dies in einem Geſetz erwähnt würden (r). Daß dieſe,

(p) Die Beziehung unſrer Stelle
auf die Reclamationen gegen
ſtädtiſche Wahlen iſt ſehr alt.
Schon die Gloſſe deutet ſie an,
indem ſie als Parallelſtelle die
L. 1 C. de temp. et repar. an-
führt, jedoch nur als eine unter
mehreren. Bulgarus im Com-
mentar zum tit. de R. J. hat
dieſe Parallele noch nicht angege-
ben. — J. Gothofredus im
Commentar hat dieſe Beziehung
nicht nur beſtimmt behauptet, ſon-
dern auch auf überzeugende Weiſe
dargethan. Nur darin bleibt er
völlig unbefriedigend, daß er ſich
mit der Bedeutung von lex als
einer geſetzlichen Vorſchrift über-
haupt begnügt („haec reg. uti
dixi est nominatim de legali
praescriptione per menses
),
ohne einen beſtimmten Römiſchen
Volksſchluß, woran doch Paulus
nothwendig gedacht haben muß,
anzugeben, oder auch nur darnach
zu ſuchen.
(q) L. 30 § 1 ad L. J. de
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(48. 5.).
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[395/0409] §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortſetzung.) mationen gegen ſtädtiſche Wahlen an die Friſt von duo menses gebunden werden, iſt ſo anzuwenden, daß auch die am 61 ten Tage erhobene Reclamation noch ange- nommen werden muß (p). Unter dem dies dieſer Stelle iſt, nach den oben (§ 182) dargelegten Gründen, ein Kalendertag zu verſtehen. Den größten Anſtoß aber erregte von jeher ſehr natürlich die Zahl 61, die weder mit der gewöhnlichen Berechnung des Monats zu 30 Tagen vereinbar ſchien, noch mit der an- derwärts vorkommenden Beſtimmung, daß die Anklage wegen Ehebruchs nothwendig am ſechzigſten Tage erhoben werden müſſe (q). Die Meiſten nahmen von jeher an, es werde hier aus beſonderer Milde ein Tag zugegeben, und da doch die Stelle ſo allgemein gefaßt, und mit der Vor- ſchrift über den Ehebruch ſchwer vereinbar war, ſo wurde hinzugefügt, die Milde gelte nur da, wo menses, nicht wo dies in einem Geſetz erwähnt würden (r). Daß dieſe, (p) Die Beziehung unſrer Stelle auf die Reclamationen gegen ſtädtiſche Wahlen iſt ſehr alt. Schon die Gloſſe deutet ſie an, indem ſie als Parallelſtelle die L. 1 C. de temp. et repar. an- führt, jedoch nur als eine unter mehreren. Bulgarus im Com- mentar zum tit. de R. J. hat dieſe Parallele noch nicht angege- ben. — J. Gothofredus im Commentar hat dieſe Beziehung nicht nur beſtimmt behauptet, ſon- dern auch auf überzeugende Weiſe dargethan. Nur darin bleibt er völlig unbefriedigend, daß er ſich mit der Bedeutung von lex als einer geſetzlichen Vorſchrift über- haupt begnügt („haec reg. uti dixi est nominatim de legali praescriptione per menses”), ohne einen beſtimmten Römiſchen Volksſchluß, woran doch Paulus nothwendig gedacht haben muß, anzugeben, oder auch nur darnach zu ſuchen. (q) L. 30 § 1 ad L. J. de adult. (48. 5.). (r) Die Milde macht ſchon die Gloſſe geltend, nach ihr viele An-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/409>, abgerufen am 25.11.2024.