Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gegangen, in der Meynung, dadurch das trinoctium zubeobachten, und die Entstehung der manus zu verhindern. Darin aber irrt sie, sagt Scävola, denn das Usucapions- jahr ist schon vollendet mit der Mitternacht, womit der nachfolgende 1. Januar anfängt, also gehört die zweite Hälfte der dritten Nacht nicht mehr dem ersten Jahr der Ehe an, so daß sie nur drittehalb Nächte desselben abwe- send war, welches nach dem Gesetz nicht hinreicht. Sie hätte also (will Scävola sagen) schon den 28. December ausziehen müssen, um ihren Zweck zu erreichen. Diese Stelle nun ist die einzige, unter allen die wir vor Augen, so daß für ihn der d. IV. Kal. Jan. nicht, wie bey uns, der 29., sondern der 27. De- cember war. Das macht aber hierin keinen Unterschied, denn die Stellung des von ihm bezeich- neten Tages gegen die folgenden Kalendae bleibt bey dieser Ver- schiedenheit unverändert, so daß sein Ausspruch für den Juliani- schen Kalender, sowohl im Sinn als im Ausdruck, ganz derselbe seyn mußte, wie unter der Herr- schaft des früheren Kalenders. (d) Zwar meynt Reinfelder
S. 170, der Ausdruck ante diem IV. könne auch wohl eine dem d. IV. (29. Dec.) vorherge- hende Zeit, nicht diesen Tag selbst, bezeichnen; allein diese Ein- wendung ist völlig unhaltbar. Denn theils ist die Römische Bedeutung des ante diem IV. für ipso die IV. völlig zweifellos (§ 180. e), theils würde Reinfelder Nichts gewinnen, wenn man auch an- nehmen wollte, das ante sey hier nicht in dem eigenthümlich Rö- mischen Sinn, sondern nach der allgemeinen Wortbedeutung ge- braucht. Denn nun würde Scä- vola sagen, es helfe der Frau Nichts, wenn sie in irgend einer Zeit vor dem 29. Dec. ausziehe, welches doch widersinnig wäre; zu Reinfelders Meynung würde es nur passen, wenn Scä- vola das Ausziehen gerade am nächstvorhergehenden Tage (also am 28. Dec.) für ungenügend er- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. gegangen, in der Meynung, dadurch das trinoctium zubeobachten, und die Entſtehung der manus zu verhindern. Darin aber irrt ſie, ſagt Scävola, denn das Uſucapions- jahr iſt ſchon vollendet mit der Mitternacht, womit der nachfolgende 1. Januar anfängt, alſo gehört die zweite Hälfte der dritten Nacht nicht mehr dem erſten Jahr der Ehe an, ſo daß ſie nur drittehalb Nächte deſſelben abwe- ſend war, welches nach dem Geſetz nicht hinreicht. Sie hätte alſo (will Scävola ſagen) ſchon den 28. December ausziehen müſſen, um ihren Zweck zu erreichen. Dieſe Stelle nun iſt die einzige, unter allen die wir vor Augen, ſo daß für ihn der d. IV. Kal. Jan. nicht, wie bey uns, der 29., ſondern der 27. De- cember war. Das macht aber hierin keinen Unterſchied, denn die Stellung des von ihm bezeich- neten Tages gegen die folgenden Kalendae bleibt bey dieſer Ver- ſchiedenheit unverändert, ſo daß ſein Ausſpruch für den Juliani- ſchen Kalender, ſowohl im Sinn als im Ausdruck, ganz derſelbe ſeyn mußte, wie unter der Herr- ſchaft des früheren Kalenders. (d) Zwar meynt Reinfelder
S. 170, der Ausdruck ante diem IV. könne auch wohl eine dem d. IV. (29. Dec.) vorherge- hende Zeit, nicht dieſen Tag ſelbſt, bezeichnen; allein dieſe Ein- wendung iſt völlig unhaltbar. Denn theils iſt die Römiſche Bedeutung des ante diem IV. für ipso die IV. völlig zweifellos (§ 180. e), theils würde Reinfelder Nichts gewinnen, wenn man auch an- nehmen wollte, das ante ſey hier nicht in dem eigenthümlich Rö- miſchen Sinn, ſondern nach der allgemeinen Wortbedeutung ge- braucht. Denn nun würde Scä- vola ſagen, es helfe der Frau Nichts, wenn ſie in irgend einer Zeit vor dem 29. Dec. ausziehe, welches doch widerſinnig wäre; zu Reinfelders Meynung würde es nur paſſen, wenn Scä- vola das Ausziehen gerade am nächſtvorhergehenden Tage (alſo am 28. Dec.) für ungenügend er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0380" n="366"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> gegangen, in der Meynung, dadurch das <hi rendition="#aq">trinoctium</hi> zu<lb/> beobachten, und die Entſtehung der <hi rendition="#aq">manus</hi> zu verhindern.<lb/> Darin aber irrt ſie, ſagt Scävola, denn das Uſucapions-<lb/> jahr iſt ſchon vollendet mit der Mitternacht, womit der<lb/> nachfolgende 1. Januar anfängt, alſo gehört die zweite<lb/> Hälfte der dritten Nacht nicht mehr dem erſten Jahr der<lb/> Ehe an, ſo daß ſie nur drittehalb Nächte deſſelben abwe-<lb/> ſend war, welches nach dem Geſetz nicht hinreicht. Sie<lb/> hätte alſo (will Scävola ſagen) ſchon den 28. December<lb/> ausziehen müſſen, um ihren Zweck zu erreichen.</p><lb/> <p>Dieſe Stelle nun iſt die einzige, unter allen die wir<lb/> beſitzen, welche durchaus unzweydeutig iſt, alſo keinem<lb/> ſcheinbaren <note xml:id="seg2pn_71_1" next="#seg2pn_71_2" place="foot" n="(d)">Zwar meynt <hi rendition="#g">Reinfelder</hi><lb/> S. 170, der Ausdruck <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ante</hi> diem<lb/> IV.</hi> könne auch wohl eine dem<lb/><hi rendition="#aq">d. IV.</hi> (29. Dec.) <hi rendition="#g">vorherge-<lb/> hende</hi> Zeit, nicht dieſen Tag<lb/> ſelbſt, bezeichnen; allein dieſe Ein-<lb/> wendung iſt völlig unhaltbar. Denn<lb/> theils iſt die Römiſche Bedeutung<lb/> des <hi rendition="#aq">ante diem IV.</hi> für <hi rendition="#aq">ipso<lb/> die IV.</hi> völlig zweifellos (§ 180. <hi rendition="#aq">e</hi>),<lb/> theils würde Reinfelder Nichts<lb/> gewinnen, wenn man auch an-<lb/> nehmen wollte, das <hi rendition="#aq">ante</hi> ſey hier<lb/> nicht in dem eigenthümlich Rö-<lb/> miſchen Sinn, ſondern nach der<lb/> allgemeinen Wortbedeutung ge-<lb/> braucht. Denn nun würde Scä-<lb/> vola ſagen, es helfe der Frau<lb/> Nichts, wenn ſie in <hi rendition="#g">irgend<lb/> einer</hi> Zeit vor dem 29. Dec.<lb/> ausziehe, welches doch widerſinnig<lb/> wäre; zu Reinfelders Meynung<lb/> würde es nur paſſen, wenn Scä-<lb/> vola das Ausziehen gerade am<lb/> nächſtvorhergehenden Tage (alſo<lb/> am 28. Dec.) für ungenügend er-</note> Zweifel Raum läßt. Sie ſagt ganz klar,<lb/><note xml:id="seg2pn_70_2" prev="#seg2pn_70_1" place="foot" n="(c)">vor Augen, ſo daß für ihn der<lb/><hi rendition="#aq">d. IV. Kal. Jan.</hi> nicht, wie bey<lb/> uns, der 29., ſondern der 27. De-<lb/> cember war. Das macht aber<lb/> hierin keinen Unterſchied, denn<lb/> die Stellung des von ihm bezeich-<lb/> neten Tages gegen die folgenden<lb/><hi rendition="#aq">Kalendae</hi> bleibt bey dieſer Ver-<lb/> ſchiedenheit unverändert, ſo daß<lb/> ſein Ausſpruch für den Juliani-<lb/> ſchen Kalender, ſowohl im Sinn<lb/> als im Ausdruck, ganz derſelbe<lb/> ſeyn mußte, wie unter der Herr-<lb/> ſchaft des früheren Kalenders.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [366/0380]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gegangen, in der Meynung, dadurch das trinoctium zu
beobachten, und die Entſtehung der manus zu verhindern.
Darin aber irrt ſie, ſagt Scävola, denn das Uſucapions-
jahr iſt ſchon vollendet mit der Mitternacht, womit der
nachfolgende 1. Januar anfängt, alſo gehört die zweite
Hälfte der dritten Nacht nicht mehr dem erſten Jahr der
Ehe an, ſo daß ſie nur drittehalb Nächte deſſelben abwe-
ſend war, welches nach dem Geſetz nicht hinreicht. Sie
hätte alſo (will Scävola ſagen) ſchon den 28. December
ausziehen müſſen, um ihren Zweck zu erreichen.
Dieſe Stelle nun iſt die einzige, unter allen die wir
beſitzen, welche durchaus unzweydeutig iſt, alſo keinem
ſcheinbaren (d) Zweifel Raum läßt. Sie ſagt ganz klar,
(c)
(d) Zwar meynt Reinfelder
S. 170, der Ausdruck ante diem
IV. könne auch wohl eine dem
d. IV. (29. Dec.) vorherge-
hende Zeit, nicht dieſen Tag
ſelbſt, bezeichnen; allein dieſe Ein-
wendung iſt völlig unhaltbar. Denn
theils iſt die Römiſche Bedeutung
des ante diem IV. für ipso
die IV. völlig zweifellos (§ 180. e),
theils würde Reinfelder Nichts
gewinnen, wenn man auch an-
nehmen wollte, das ante ſey hier
nicht in dem eigenthümlich Rö-
miſchen Sinn, ſondern nach der
allgemeinen Wortbedeutung ge-
braucht. Denn nun würde Scä-
vola ſagen, es helfe der Frau
Nichts, wenn ſie in irgend
einer Zeit vor dem 29. Dec.
ausziehe, welches doch widerſinnig
wäre; zu Reinfelders Meynung
würde es nur paſſen, wenn Scä-
vola das Ausziehen gerade am
nächſtvorhergehenden Tage (alſo
am 28. Dec.) für ungenügend er-
(c) vor Augen, ſo daß für ihn der
d. IV. Kal. Jan. nicht, wie bey
uns, der 29., ſondern der 27. De-
cember war. Das macht aber
hierin keinen Unterſchied, denn
die Stellung des von ihm bezeich-
neten Tages gegen die folgenden
Kalendae bleibt bey dieſer Ver-
ſchiedenheit unverändert, ſo daß
ſein Ausſpruch für den Juliani-
ſchen Kalender, ſowohl im Sinn
als im Ausdruck, ganz derſelbe
ſeyn mußte, wie unter der Herr-
ſchaft des früheren Kalenders.
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