Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verschwindet aller feste Boden für diese Anomalie, indemdie oben als einzige Veranlassung aufgestellte Schwierig- keit in der Ermittlung der kleineren Zeittheile nun als Er- klärungsgrund ganz wegfällt. Und in der That scheinen auch die Meisten in der ganzen Sache etwas blos Will- kührliches zu sehen, eine Art von Milde und Großmuth gegen Den, welchem ein Theil der vorgeschriebenen Zeit erlassen werden soll. Da aber diese Milde augenscheinlich auf Kosten des Gegners ausgeübt wird, welcher dabey eben so viel verliert, als der Beschenkte gewinnt, so ist dieser Erklärungsgrund ganz unhaltbar, ja es muß jede Erklärung überhaupt verworfen werden, die über die Be- trachtung der letzten Tage hinausgeht. Wollte man auch die Wendung versuchen, daß die Abkürzung nicht als groß- müthige Begünstigung Eines Theils gelten solle, sondern als Verbesserung eines durch frühere Rechtsregeln zu lang bestimmten Zeitraums, so wäre auch damit wenig gewon- nen. Denn die Abkürzung um einen halben Tag, oder auch (wie die Meisten wollen) um anderthalb Tage, ist eine so kleinliche, daß man den Gesetzgebern oder Juristen wenig Ehre anthut, indem man ihnen die Absicht einer solchen Verbesserung zuschreibt. Besondere Aufmerksamkeit aber verdienen gleich hier die muner. (50. 4.), L. 74 § 1 ad
Sc. Treb. (36. 1.). Das war eine ganz isolirte Regel, die mit der Frage von der civilen Zeitrech- nung durchaus keinen inneren Zu- sammenhang hatte. Es war die Folge des Ausdrucks, dessen sich gerade eine bestimmte Lex be- diente. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. verſchwindet aller feſte Boden für dieſe Anomalie, indemdie oben als einzige Veranlaſſung aufgeſtellte Schwierig- keit in der Ermittlung der kleineren Zeittheile nun als Er- klärungsgrund ganz wegfällt. Und in der That ſcheinen auch die Meiſten in der ganzen Sache etwas blos Will- kührliches zu ſehen, eine Art von Milde und Großmuth gegen Den, welchem ein Theil der vorgeſchriebenen Zeit erlaſſen werden ſoll. Da aber dieſe Milde augenſcheinlich auf Koſten des Gegners ausgeübt wird, welcher dabey eben ſo viel verliert, als der Beſchenkte gewinnt, ſo iſt dieſer Erklärungsgrund ganz unhaltbar, ja es muß jede Erklärung überhaupt verworfen werden, die über die Be- trachtung der letzten Tage hinausgeht. Wollte man auch die Wendung verſuchen, daß die Abkürzung nicht als groß- müthige Begünſtigung Eines Theils gelten ſolle, ſondern als Verbeſſerung eines durch frühere Rechtsregeln zu lang beſtimmten Zeitraums, ſo wäre auch damit wenig gewon- nen. Denn die Abkürzung um einen halben Tag, oder auch (wie die Meiſten wollen) um anderthalb Tage, iſt eine ſo kleinliche, daß man den Geſetzgebern oder Juriſten wenig Ehre anthut, indem man ihnen die Abſicht einer ſolchen Verbeſſerung zuſchreibt. Beſondere Aufmerkſamkeit aber verdienen gleich hier die muner. (50. 4.), L. 74 § 1 ad
Sc. Treb. (36. 1.). Das war eine ganz iſolirte Regel, die mit der Frage von der civilen Zeitrech- nung durchaus keinen inneren Zu- ſammenhang hatte. Es war die Folge des Ausdrucks, deſſen ſich gerade eine beſtimmte Lex be- diente. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0368" n="354"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> verſchwindet aller feſte Boden für dieſe Anomalie, indem<lb/> die oben als einzige Veranlaſſung aufgeſtellte Schwierig-<lb/> keit in der Ermittlung der kleineren Zeittheile nun als Er-<lb/> klärungsgrund ganz wegfällt. Und in der That ſcheinen<lb/> auch die Meiſten in der ganzen Sache etwas blos Will-<lb/> kührliches zu ſehen, eine Art von Milde und Großmuth<lb/> gegen Den, welchem ein Theil der vorgeſchriebenen Zeit<lb/> erlaſſen werden ſoll. Da aber dieſe Milde augenſcheinlich<lb/> auf Koſten des Gegners ausgeübt wird, welcher dabey<lb/> eben ſo viel verliert, als der Beſchenkte gewinnt, ſo iſt<lb/> dieſer Erklärungsgrund ganz unhaltbar, ja es muß jede<lb/> Erklärung überhaupt verworfen werden, die über die Be-<lb/> trachtung der letzten Tage hinausgeht. Wollte man auch<lb/> die Wendung verſuchen, daß die Abkürzung nicht als groß-<lb/> müthige Begünſtigung Eines Theils gelten ſolle, ſondern<lb/> als Verbeſſerung eines durch frühere Rechtsregeln zu lang<lb/> beſtimmten Zeitraums, ſo wäre auch damit wenig gewon-<lb/> nen. Denn die Abkürzung um einen halben Tag, oder<lb/> auch (wie die Meiſten wollen) um anderthalb Tage, iſt<lb/> eine ſo kleinliche, daß man den Geſetzgebern oder Juriſten<lb/> wenig Ehre anthut, indem man ihnen die Abſicht einer<lb/> ſolchen Verbeſſerung zuſchreibt.</p><lb/> <p>Beſondere Aufmerkſamkeit aber verdienen gleich hier die<lb/><note xml:id="seg2pn_67_2" prev="#seg2pn_67_1" place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">muner.</hi> (50. 4.), <hi rendition="#i">L.</hi> 74 § 1 <hi rendition="#i">ad<lb/> Sc. Treb.</hi></hi> (36. 1.). Das war eine<lb/> ganz iſolirte Regel, die mit der<lb/> Frage von der civilen Zeitrech-<lb/> nung durchaus keinen inneren Zu-<lb/> ſammenhang hatte. Es war die<lb/> Folge des Ausdrucks, deſſen ſich<lb/> gerade eine beſtimmte Lex be-<lb/> diente.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [354/0368]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
verſchwindet aller feſte Boden für dieſe Anomalie, indem
die oben als einzige Veranlaſſung aufgeſtellte Schwierig-
keit in der Ermittlung der kleineren Zeittheile nun als Er-
klärungsgrund ganz wegfällt. Und in der That ſcheinen
auch die Meiſten in der ganzen Sache etwas blos Will-
kührliches zu ſehen, eine Art von Milde und Großmuth
gegen Den, welchem ein Theil der vorgeſchriebenen Zeit
erlaſſen werden ſoll. Da aber dieſe Milde augenſcheinlich
auf Koſten des Gegners ausgeübt wird, welcher dabey
eben ſo viel verliert, als der Beſchenkte gewinnt, ſo iſt
dieſer Erklärungsgrund ganz unhaltbar, ja es muß jede
Erklärung überhaupt verworfen werden, die über die Be-
trachtung der letzten Tage hinausgeht. Wollte man auch
die Wendung verſuchen, daß die Abkürzung nicht als groß-
müthige Begünſtigung Eines Theils gelten ſolle, ſondern
als Verbeſſerung eines durch frühere Rechtsregeln zu lang
beſtimmten Zeitraums, ſo wäre auch damit wenig gewon-
nen. Denn die Abkürzung um einen halben Tag, oder
auch (wie die Meiſten wollen) um anderthalb Tage, iſt
eine ſo kleinliche, daß man den Geſetzgebern oder Juriſten
wenig Ehre anthut, indem man ihnen die Abſicht einer
ſolchen Verbeſſerung zuſchreibt.
Beſondere Aufmerkſamkeit aber verdienen gleich hier die
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(f) muner. (50. 4.), L. 74 § 1 ad
Sc. Treb. (36. 1.). Das war eine
ganz iſolirte Regel, die mit der
Frage von der civilen Zeitrech-
nung durchaus keinen inneren Zu-
ſammenhang hatte. Es war die
Folge des Ausdrucks, deſſen ſich
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diente.
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