Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung.
die Meisten übereinstimmen, wenngleich auch mancherley
Abweichungen vorkommen. In vielen Fällen, sagt man,
wird die Zeit auf die besondere Weise berechnet, daß der
letzte Zeittheil, wenn er nur angefangen ist, schon als
vollendet angesehen wird. Diese anomalische Zeitrechnung
heißt civilis computatio, die regelmäßige naturalis. --
Über die Begränzung der Fälle, worin die eine oder die
andere Rechnung gelten soll, sind die Meynungen so ab-
weichend, daß sich etwas Gemeinsames hierin nicht ange-
ben läßt.

Aus dieser Aufstellung der Begriffe ist es einleuchtend,
daß nur zweyerley Rechnungsarten als wirklich vorkom-
mend vorausgesetzt werden: die, worin der juristische End-
punkt mit dem mathematischen zusammen trifft, und die
worin er rückwärts gelegt, der Zeitraum selbst also ab-
gekürzt wird. Schon hier aber, und vor der Prüfung
der über die Sache selbst entscheidenden Quellenzeugnisse,
sind dieser Auffassung folgende Bemerkungen entgegen zu
stellen. Indem der Begriff der civilis computatio so ab-
stract aufgestellt wird (e), scheint sie eben sowohl auf das
letzte Jahr und den letzten Monat, als auf den letzten
Tag, anwendbar zu seyn, und in der That ist dieses von
Manchen behauptet worden, obgleich die Meisten sich doch
auf den letzten Tag beschränken (f). Schon dadurch aber

(e) In dieser abstracten Weise
wird der Begriff namentlich an-
gegeben von Koch S. 21.
(f) Bey den Ehrenstellen in
Municipien galt die Regel, daß
der Eintritt in das 25ste Le-
bensjahr, nicht dessen Vollen-
dung
, erfordert werde. L. 8 de
IV. 23

§. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung.
die Meiſten übereinſtimmen, wenngleich auch mancherley
Abweichungen vorkommen. In vielen Fällen, ſagt man,
wird die Zeit auf die beſondere Weiſe berechnet, daß der
letzte Zeittheil, wenn er nur angefangen iſt, ſchon als
vollendet angeſehen wird. Dieſe anomaliſche Zeitrechnung
heißt civilis computatio, die regelmäßige naturalis.
Über die Begränzung der Fälle, worin die eine oder die
andere Rechnung gelten ſoll, ſind die Meynungen ſo ab-
weichend, daß ſich etwas Gemeinſames hierin nicht ange-
ben läßt.

Aus dieſer Aufſtellung der Begriffe iſt es einleuchtend,
daß nur zweyerley Rechnungsarten als wirklich vorkom-
mend vorausgeſetzt werden: die, worin der juriſtiſche End-
punkt mit dem mathematiſchen zuſammen trifft, und die
worin er rückwärts gelegt, der Zeitraum ſelbſt alſo ab-
gekürzt wird. Schon hier aber, und vor der Prüfung
der über die Sache ſelbſt entſcheidenden Quellenzeugniſſe,
ſind dieſer Auffaſſung folgende Bemerkungen entgegen zu
ſtellen. Indem der Begriff der civilis computatio ſo ab-
ſtract aufgeſtellt wird (e), ſcheint ſie eben ſowohl auf das
letzte Jahr und den letzten Monat, als auf den letzten
Tag, anwendbar zu ſeyn, und in der That iſt dieſes von
Manchen behauptet worden, obgleich die Meiſten ſich doch
auf den letzten Tag beſchränken (f). Schon dadurch aber

(e) In dieſer abſtracten Weiſe
wird der Begriff namentlich an-
gegeben von Koch S. 21.
(f) Bey den Ehrenſtellen in
Municipien galt die Regel, daß
der Eintritt in das 25ſte Le-
bensjahr, nicht deſſen Vollen-
dung
, erfordert werde. L. 8 de
IV. 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0367" n="353"/><fw place="top" type="header">§. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung.</fw><lb/>
die Mei&#x017F;ten überein&#x017F;timmen, wenngleich auch mancherley<lb/>
Abweichungen vorkommen. In vielen Fällen, &#x017F;agt man,<lb/>
wird die Zeit auf die be&#x017F;ondere Wei&#x017F;e berechnet, daß der<lb/>
letzte Zeittheil, wenn er nur angefangen i&#x017F;t, &#x017F;chon als<lb/>
vollendet ange&#x017F;ehen wird. Die&#x017F;e anomali&#x017F;che Zeitrechnung<lb/>
heißt <hi rendition="#aq">civilis computatio,</hi> die regelmäßige <hi rendition="#aq">naturalis.</hi> &#x2014;<lb/>
Über die Begränzung der Fälle, worin die eine oder die<lb/>
andere Rechnung gelten &#x017F;oll, &#x017F;ind die Meynungen &#x017F;o ab-<lb/>
weichend, daß &#x017F;ich etwas Gemein&#x017F;ames hierin nicht ange-<lb/>
ben läßt.</p><lb/>
            <p>Aus die&#x017F;er Auf&#x017F;tellung der Begriffe i&#x017F;t es einleuchtend,<lb/>
daß nur zweyerley Rechnungsarten als wirklich vorkom-<lb/>
mend vorausge&#x017F;etzt werden: die, worin der juri&#x017F;ti&#x017F;che End-<lb/>
punkt mit dem mathemati&#x017F;chen zu&#x017F;ammen trifft, und die<lb/>
worin er rückwärts gelegt, der Zeitraum &#x017F;elb&#x017F;t al&#x017F;o ab-<lb/>
gekürzt wird. Schon hier aber, und vor der Prüfung<lb/>
der über die Sache &#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;cheidenden Quellenzeugni&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
&#x017F;ind die&#x017F;er Auffa&#x017F;&#x017F;ung folgende Bemerkungen entgegen zu<lb/>
&#x017F;tellen. Indem der Begriff der <hi rendition="#aq">civilis computatio</hi> &#x017F;o ab-<lb/>
&#x017F;tract aufge&#x017F;tellt wird <note place="foot" n="(e)">In die&#x017F;er ab&#x017F;tracten Wei&#x017F;e<lb/>
wird der Begriff namentlich an-<lb/>
gegeben von <hi rendition="#g">Koch</hi> S. 21.</note>, &#x017F;cheint &#x017F;ie eben &#x017F;owohl auf das<lb/>
letzte Jahr und den letzten Monat, als auf den letzten<lb/>
Tag, anwendbar zu &#x017F;eyn, und in der That i&#x017F;t die&#x017F;es von<lb/>
Manchen behauptet worden, obgleich die Mei&#x017F;ten &#x017F;ich doch<lb/>
auf den letzten Tag be&#x017F;chränken <note xml:id="seg2pn_67_1" next="#seg2pn_67_2" place="foot" n="(f)">Bey den Ehren&#x017F;tellen in<lb/>
Municipien galt die Regel, daß<lb/>
der <hi rendition="#g">Eintritt</hi> in das 25&#x017F;te Le-<lb/>
bensjahr, nicht de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Vollen-<lb/>
dung</hi>, erfordert werde. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">de</hi></hi></note>. Schon dadurch aber<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">IV.</hi> 23</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[353/0367] §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. die Meiſten übereinſtimmen, wenngleich auch mancherley Abweichungen vorkommen. In vielen Fällen, ſagt man, wird die Zeit auf die beſondere Weiſe berechnet, daß der letzte Zeittheil, wenn er nur angefangen iſt, ſchon als vollendet angeſehen wird. Dieſe anomaliſche Zeitrechnung heißt civilis computatio, die regelmäßige naturalis. — Über die Begränzung der Fälle, worin die eine oder die andere Rechnung gelten ſoll, ſind die Meynungen ſo ab- weichend, daß ſich etwas Gemeinſames hierin nicht ange- ben läßt. Aus dieſer Aufſtellung der Begriffe iſt es einleuchtend, daß nur zweyerley Rechnungsarten als wirklich vorkom- mend vorausgeſetzt werden: die, worin der juriſtiſche End- punkt mit dem mathematiſchen zuſammen trifft, und die worin er rückwärts gelegt, der Zeitraum ſelbſt alſo ab- gekürzt wird. Schon hier aber, und vor der Prüfung der über die Sache ſelbſt entſcheidenden Quellenzeugniſſe, ſind dieſer Auffaſſung folgende Bemerkungen entgegen zu ſtellen. Indem der Begriff der civilis computatio ſo ab- ſtract aufgeſtellt wird (e), ſcheint ſie eben ſowohl auf das letzte Jahr und den letzten Monat, als auf den letzten Tag, anwendbar zu ſeyn, und in der That iſt dieſes von Manchen behauptet worden, obgleich die Meiſten ſich doch auf den letzten Tag beſchränken (f). Schon dadurch aber (e) In dieſer abſtracten Weiſe wird der Begriff namentlich an- gegeben von Koch S. 21. (f) Bey den Ehrenſtellen in Municipien galt die Regel, daß der Eintritt in das 25ſte Le- bensjahr, nicht deſſen Vollen- dung, erfordert werde. L. 8 de IV. 23

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/367
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/367>, abgerufen am 24.11.2024.