Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Räthlichsten ist, den reinen Sprachgebrauch der Quellendes Römischen Rechts wieder herzustellen, in der Sache selbst aber den allgemeinen Verjährungsbegriff völlig auf- zugeben, wodurch eine Einheit unter sehr ungleichartigen Rechtsinstituten erkünstelt werden soll. Allerdings haben diese Institute Berührungen unter einander, es kann auch vielleicht bey manchem das Bedürfniß entstehen, eine Rechts- regel anzuwenden, die eigentlich für ein anderes derselben eingeführt ist; dieses mag dann auf dem Wege analogi- scher Fortbildung des Rechts geschehen, nur nicht auf dem Wege der Subsumtion dieser Institute unter einen gemein- samen Gattungsbegriff. Der wichtige Unterschied dieser beiden Arten des Verfahrens besteht darin, daß uns die analogische Anwendung zu einer kritischen Rechtfertigung für jeden einzelnen Fall nöthigt, anstatt daß uns jene Subsumtion einer solchen Mühe überhebt, indem sie Alles mit Einem Schlage abmacht, dabey aber freylich die Wahrheit des Ergebnisses dem Zufall überläßt. Zwar könnte man versuchen, die Darstellung der neueren Schrift- steller durch die Behauptung rechtfertigen zu wollen, das canonische Recht habe den beschränkten Gesichtspunkt des Römischen Rechts durch einen weiteren ersetzt und verbes- sert, so daß jene Darstellung in der That auf dem Bo- den des positiven Rechts ruhe. Diese Rechtfertigung muß jedoch aus zwey Gründen verworfen werden: Erstlich weil, wie gezeigt worden ist, das canonische Recht nie- mals den abstracten Verjährungsbegriff, welcher bey neue- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. Räthlichſten iſt, den reinen Sprachgebrauch der Quellendes Römiſchen Rechts wieder herzuſtellen, in der Sache ſelbſt aber den allgemeinen Verjährungsbegriff völlig auf- zugeben, wodurch eine Einheit unter ſehr ungleichartigen Rechtsinſtituten erkünſtelt werden ſoll. Allerdings haben dieſe Inſtitute Berührungen unter einander, es kann auch vielleicht bey manchem das Bedürfniß entſtehen, eine Rechts- regel anzuwenden, die eigentlich für ein anderes derſelben eingeführt iſt; dieſes mag dann auf dem Wege analogi- ſcher Fortbildung des Rechts geſchehen, nur nicht auf dem Wege der Subſumtion dieſer Inſtitute unter einen gemein- ſamen Gattungsbegriff. Der wichtige Unterſchied dieſer beiden Arten des Verfahrens beſteht darin, daß uns die analogiſche Anwendung zu einer kritiſchen Rechtfertigung für jeden einzelnen Fall nöthigt, anſtatt daß uns jene Subſumtion einer ſolchen Mühe überhebt, indem ſie Alles mit Einem Schlage abmacht, dabey aber freylich die Wahrheit des Ergebniſſes dem Zufall überläßt. Zwar könnte man verſuchen, die Darſtellung der neueren Schrift- ſteller durch die Behauptung rechtfertigen zu wollen, das canoniſche Recht habe den beſchränkten Geſichtspunkt des Römiſchen Rechts durch einen weiteren erſetzt und verbeſ- ſert, ſo daß jene Darſtellung in der That auf dem Bo- den des poſitiven Rechts ruhe. Dieſe Rechtfertigung muß jedoch aus zwey Gründen verworfen werden: Erſtlich weil, wie gezeigt worden iſt, das canoniſche Recht nie- mals den abſtracten Verjährungsbegriff, welcher bey neue- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0330" n="316"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Entſtehung und Untergang.</fw><lb/> Räthlichſten iſt, den reinen Sprachgebrauch der Quellen<lb/> des Römiſchen Rechts wieder herzuſtellen, in der Sache<lb/> ſelbſt aber den allgemeinen Verjährungsbegriff völlig auf-<lb/> zugeben, wodurch eine Einheit unter ſehr ungleichartigen<lb/> Rechtsinſtituten erkünſtelt werden ſoll. Allerdings haben<lb/> dieſe Inſtitute Berührungen unter einander, es kann auch<lb/> vielleicht bey manchem das Bedürfniß entſtehen, eine Rechts-<lb/> regel anzuwenden, die eigentlich für ein anderes derſelben<lb/> eingeführt iſt; dieſes mag dann auf dem Wege analogi-<lb/> ſcher Fortbildung des Rechts geſchehen, nur nicht auf dem<lb/> Wege der Subſumtion dieſer Inſtitute unter einen gemein-<lb/> ſamen Gattungsbegriff. Der wichtige Unterſchied dieſer<lb/> beiden Arten des Verfahrens beſteht darin, daß uns die<lb/> analogiſche Anwendung zu einer kritiſchen Rechtfertigung<lb/> für jeden einzelnen Fall nöthigt, anſtatt daß uns jene<lb/> Subſumtion einer ſolchen Mühe überhebt, indem ſie Alles<lb/> mit Einem Schlage abmacht, dabey aber freylich die<lb/> Wahrheit des Ergebniſſes dem Zufall überläßt. Zwar<lb/> könnte man verſuchen, die Darſtellung der neueren Schrift-<lb/> ſteller durch die Behauptung rechtfertigen zu wollen, das<lb/> canoniſche Recht habe den beſchränkten Geſichtspunkt des<lb/> Römiſchen Rechts durch einen weiteren erſetzt und verbeſ-<lb/> ſert, ſo daß jene Darſtellung in der That auf dem Bo-<lb/> den des poſitiven Rechts ruhe. Dieſe Rechtfertigung muß<lb/> jedoch aus zwey Gründen verworfen werden: Erſtlich<lb/> weil, wie gezeigt worden iſt, das canoniſche Recht nie-<lb/> mals den abſtracten Verjährungsbegriff, welcher bey neue-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [316/0330]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
Räthlichſten iſt, den reinen Sprachgebrauch der Quellen
des Römiſchen Rechts wieder herzuſtellen, in der Sache
ſelbſt aber den allgemeinen Verjährungsbegriff völlig auf-
zugeben, wodurch eine Einheit unter ſehr ungleichartigen
Rechtsinſtituten erkünſtelt werden ſoll. Allerdings haben
dieſe Inſtitute Berührungen unter einander, es kann auch
vielleicht bey manchem das Bedürfniß entſtehen, eine Rechts-
regel anzuwenden, die eigentlich für ein anderes derſelben
eingeführt iſt; dieſes mag dann auf dem Wege analogi-
ſcher Fortbildung des Rechts geſchehen, nur nicht auf dem
Wege der Subſumtion dieſer Inſtitute unter einen gemein-
ſamen Gattungsbegriff. Der wichtige Unterſchied dieſer
beiden Arten des Verfahrens beſteht darin, daß uns die
analogiſche Anwendung zu einer kritiſchen Rechtfertigung
für jeden einzelnen Fall nöthigt, anſtatt daß uns jene
Subſumtion einer ſolchen Mühe überhebt, indem ſie Alles
mit Einem Schlage abmacht, dabey aber freylich die
Wahrheit des Ergebniſſes dem Zufall überläßt. Zwar
könnte man verſuchen, die Darſtellung der neueren Schrift-
ſteller durch die Behauptung rechtfertigen zu wollen, das
canoniſche Recht habe den beſchränkten Geſichtspunkt des
Römiſchen Rechts durch einen weiteren erſetzt und verbeſ-
ſert, ſo daß jene Darſtellung in der That auf dem Bo-
den des poſitiven Rechts ruhe. Dieſe Rechtfertigung muß
jedoch aus zwey Gründen verworfen werden: Erſtlich
weil, wie gezeigt worden iſt, das canoniſche Recht nie-
mals den abſtracten Verjährungsbegriff, welcher bey neue-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |